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EU-Konvent
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Rede von Dr. Jürgen Meyer im Europäischen Konvent am 07. November 2002

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich plädiere wie meine Vorredner für die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zum europäischen Sozialmodell. Ich bin der Auffassung, dass die Alternative nur darin bestehen könnte, dieses Thema "europäisches Sozialmodell" zu einer ganzen Reihe von Verfassungsartikeln und Politikfeldern immer wieder erneut aufzurufen. Ich will das belegen durch Antworten auf die drei Fragen, die uns vom Präsidium vorgelegt wurden.
Die erste Frage bezieht sich auf die Ziele der Europäischen Union und den Zusammenhang mit der Sozialpolitik. Da dürften wir einig sein: Eine Zielbestimmung setzt voraus, dass wir uns auf Werte verständigen. Der Artikel 2 der künftigen Verfassungsstruktur, wie sie vom Präsidium vorgelegt wurde, muss in der Kurzbeschreibung des Präsidiums ergänzt werden. Das dürfte nicht kontrovers sein. Gleichrangig neben Demokratie und Rechtsstaat muss die Solidarität als Wert anerkannt werden. Das ist ein Fundament der europäischen Werteordnung, wie wir sie auch in der Grundrechtscharta beschrieben haben.
Nun zu den Zielen, wie sie in der Kurzbeschreibung in Artikel 3 der Struktur des Präsidiums angedeutet sind. Da erlaube ich mir zwei Anregungen. Zum einen steht dort, dass man als Ziel wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt nennen müsste. Nach meiner Überzeugung gehört beides untrennbar zusammen, und wir sollten deshalb einen Begriff als Ziel verwenden, den die Menschen auch verstehen. Das ist der Begriff der sozialen Marktwirtschaft.
Meine zweite Anregung bezieht sich auf soziale Konfliktprävention als europäisches Sozialmodell. Das bedeutet, wir sind dafür, soziale Ursachen von Konflikten zu bekämpfen. Das gilt zum einen nach innen, wenn es um die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, Armut und Bildungsdefiziten geht. Es geht aber auch nach außen, wenn es um die Vermeidung von Konflikten zum Beispiel durch Entwicklungshilfe geht. Das bedeutet, wir sollten uns dazu bekennen, dass militärische Niederschlagung von Konflikten zwar mal unvermeidbar sein kann, aber nur ultima ratio ist vor der Konfliktvermeidung durch Bekämpfung ihrer Ursachen - das ist das europäische Modell!
Noch eine abschließende Bemerkung zu den Fragen 2 und 3. Dazu findet sich einiges in der Grundrechtecharta, beispielsweise in Artikel 36, dem Recht auf Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, und Artikel 34, Zugang zu Leistungen der sozialen Sicherheit. Auch bei der Einbeziehung der Sozialpartner müssen wir den Artikel 12 der Grundrechtecharta konkretisieren. Mein Vorschlag ist: Lassen Sie uns darüber nachdenken, wie wir in Teil 2 der Verfassung in den einzelnen Politikfeldern konkrete Schlussfolgerungen aus diesen allgemein gehaltenen Artikeln der Grundrechtecharta ziehen. Das wird eine unserer ständigen Aufgaben bei den künftigen Beratungen sein.

Quelle: http://www.bundestag.de/dialog/eu_konvent/meyer_konv/meyer012
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