3.7.3.3 Einfluss von Wettbewerb
und Struktur wandel auf KMU in Entwicklungs
ländern
Die Industrieländer haben ihre
Märkte für zahlreiche Produkte der Landwirtschaft und des
verarbeitenden Gewerbes der Entwicklungsländer, also für
Produkte der klassischen KMU, nicht ausreichend geöffnet.
Zölle und andere Hemmnisse behindern Exporte aus
Entwicklungsländern in die Industrieländer. Damit werden
die Entwicklungsländer, die größere
Unterstützung benötigen, benachteiligt. Allerdings zeigen
die Erfahrungen der UNCTAD, dass geöffnete Märke nicht
automatisch zu mehr wirtschaftlichem Wachstum führen.
Grundvoraussetzung für den Erfolg geöffneter Märkte
sind Bildung und Ausbildung der Bevölkerung,
Rechtsstaatlichkeit und ein geordnetes Finanzwesen.
Es wird zwar über die Art der
Öffnung und über die Liberalisierung des Handels mit
verschiedenen Waren- und Gütergruppen auf WTO-Ebene
verhandelt, aber ein entscheidender Punkt für
Entwicklungsländer ist das Erreichen von
Wettbewerbsfähigkeit für die vielen kleinen und mittleren
Unternehmen.
Soll z. B., wie in der
Abschlusserklärung der WTO-Konferenz in Doha 2001
erklärt, der Zugang zu den Agrarmärkten substanziell
für die Entwicklungsländer verbessert werden, ist dies
sehr zu begrüßen. Die Öffnung der Märkte
erzwingt aber eine weitere erhebliche Umstrukturierung der
Landwirtschaftssektoren in den Entwicklungsländern. Die
meisten Entwicklungsländer sind maßgeblich von der
landwirtschaftlichen Aktivität vieler Kleinunternehmen
geprägt (ca. 80 Prozent der armen Bevölkerung in den
Entwicklungsländern leben auf dem Land). Eine Liberalisierung
geht einerseits mit der großen Möglichkeit der Teilhabe
am Wettbewerb und an der globalen Wertschöpfung einher.
Andererseits kann dieser Prozess nur erfolgreich gelingen, wenn die
Anpassung auch an die Weltmärkte die vorhandenen Strukturen
des Kleingewerbes und des Mittelstandes mit einbezieht und
wettbewerbsfähig macht. Die von Weltbank und IWF in der
Vergangenheit geförderten Strukturreformen in der
Landwirtschaft haben in vielen Entwicklungsländern zwar dazu
geführt, dass ihre Waren auf dem Weltmarkt platziert sind,
aber in den heimischen Regionen vergrößerten sich Armut
und Abhängigkeit. Die Ausbreitung einer Agrarindustrie (z. B.
in der Kakao-, Bananen- und Kaffeeproduktion) vernichtete kleine
Unternehmenseinheiten und verschärfte somit die
Lebenssituation der Menschen. Für die Länder und die
Mehrheit der Menschen vor Ort war dies im Ergebnis kein Gewinn.
Daher muss die außenwirtschaftliche
Öffnung mit einem Strukturwandel verbunden werden, der die
Menschen und damit die KMU in die Lage versetzt, am Wettbewerb
teilzunehmen. Hierzu gehören in einigen
Entwicklungsländern auch moderat durchzuführende
Landreformen (Beispiel: Chile). Natürlich kann es dennoch zu
einem Selektionsprozess unter den bestehenden KMU kommen. Die
Gefahr bleibt, dass lokale Unternehmen durch „Global
Players“, die nach der Liberalisierung der Märkte
sich legal zu etablieren versuchen, verdrängt werden. Dieser
Prozess muss nicht zwingend negative Beschäftigungsauswirkung
haben, kann aber – wie bei den fortgeschrittenen
Entwicklungsländern – politische Auswirkungen in den
betroffenen Ländern haben.
Auch in den Industrieländern haben hohe
Struktur-, Konzentrations- und Rationalisierungsprozesse in den
letzten 50 Jahren im Landwirtschaftssektor stattgefunden. Diese
gingen und gehen weitgehend zu Lasten von kleineren Betrieben: Das
Bundesland Bayern hatte z. B. vor 50 Jahren einen
landwirtschaftlichen Anteil am Bruttosozialprodukt von über 30
Prozent, heute sind es noch 3,1 Prozent. Die Anpassungen gingen
weitgehend zu Lasten der kleineren Betriebe. Trotz hoher
Unterstützungs-Subventionen konnte nur ein Bruchteil der
bestehenden Betriebsstrukturen aufrechterhalten werden,
Einbrüche in der Qualität der Produkte wurden in Kauf
genommen.
Dieses Beispiel zeigt, wie schwierig sich ein
Umstrukturierungsprozess in den Entwicklungsländern vor dem
Hintergrund weit geringerer Unterstützung darstellen kann. Das
Beispiel der Agrarmärkte macht deutlich, dass die
Entwicklungsländer von der Liberalisierung der Märkte
insgesamt nur fühlbar profitieren können, wenn die
Handelsliberalisierungen einhergehen mit einer gezielten
Förderung und Unterstützung des Kleingewerbes und der KMU
in den Bereichen Unternehmensplanung, Strukturplanung und
Finanzierung.
Ein immer
größerer Teil der KMU in den Industriestaaten nimmt
innovative, spezielle Großunternehmen ergänzende Aufgaben
wahr. Diese konzentrieren sich auf die Kernbereiche, und bestimmte
Leistungen werden „out gesourct“. Dies gilt z. B.
für die klassischen Industriezweige wie Auto, Elektronik,
Ingenieurbau oder Industriebau, aber auch für die
IuK-Technologien und damit eng verbundene wissensintensive
Dienstleistungen. Diese Entwicklung hat in den neunziger Jahren
einen „Boom“ gerade bei den KMU ausgelöst und
wirkte in alle anderen Produktions- und Dienstleistungsbereiche
hinein. Die Zusammenarbeit zwischen innovativen KMU und
Groß unternehmen und das selbständige
Erschließen von Märkten mittels hoch entwickelter
Nischenprodukte durch KMU selbst tragen zu einem guten Klima
für hervorragende Leistungen durch KMU bei.
Im Gegensatz dazu
können in den meisten Entwicklungsländern (HIPC, LIC und
LDC) Strukturen der privaten Wirtschaft, Formen der Arbeitsteilung,
die Anforderungen einer offenen, wettbewerbsorientierten
Weltwirtschaft noch nicht erreicht werden. Der Aufbau eines
modernen organisierten und auf zukunftsfähige Produkte und
Dienstleistungen spezialisierten KMU-Sektors, der sich am globalen
Wettbewerb beteiligen kann, ist deshalb derzeit nur sehr begrenzt
möglich, aber dennoch unverzichtbar. Entwicklungsländer
müssen in die Lage versetzt werden, an Bildung, Innovationen
und Wettbewerb teilzunehmen. Nur so ist die Schaffung von
Arbeitsplätzen und die Etablierung tragfähiger
Unternehmen zur Eindämmung der Armut möglich.
Die vielen,
durchaus erfolgreichen Aktivitäten der
Entwicklungsorganisationen zielen auf die oben beschriebenen
Situationen ab und zeigen zwar langsamer als erwartet, aber dennoch
erste Erfolge. Und dies nicht nur in den fortgeschrittenen, sondern
auch in den ärmeren Entwicklungsländern. Die Modelle des
„Private Public Partnership“ (PPP) sind ein Beispiel,
wie öffentliche Entwicklungsorganisationen mit privaten
Unternehmen gemeinsam Projekte durchführen. Die GTZ z. B.
arbeitet in über 50 Ländern an mehr als 200
PPP-Projekten, die einen nachweisbaren entwicklungspolitischen
Nutzen haben und in den unterschiedlichsten Bereichen angesiedelt
sind, z. B. in Bildung und Ausbildung, in der Schaffung von
Management-Strukturen, im technischen Bereich, in der
Qualifizierung und vor allem in der Infrastruktur. Immer mehr KMU
beteiligen sich an diesen Projekten.
Dabei gibt es
erste kleine Erfolge zu berichten. Mit Hilfe von PPP werden
Ansätze hin zur positiven Veränderung erreicht. An einem
Beispiel der IuK-Technik zeigt sich, dass gemeinsame internationale
Anstrengungen zwar langsamer als erwartet zu ersten Erfolgen
führen, aber spürbare Veränderungen bereits erreicht
werden konnten. So hatten beispielsweise 1996 lediglich elf
afrikanische Länder Zugang zum Internet, im März des
Jahres 2000 waren es alle Länder des Kontinents mit Ausnahme
von Somalia und Liberia. Durch die Einbeziehung eines privaten
Unternehmens konnten vier Millionen Nutzer ans „Netz“
gebracht werden. Diese vergleichsweise geringe Zahl darf nicht
darüber hinwegtäuschen, wie viele Menschen davon
profitieren. Ein Anfang ist gemacht, wenn in einem Dorf nur ein
Anschluss besteht. Beobachtungen zeigen, dass dieser eine Anschluss
bereits zu vielfältigen Aktivitäten in Kommunikation und
im Geschäftsleben führt, an dem das gesamte Dorf seinen
Anteil hat. Mit diesen ersten Schritten werden neue
Zukunftsoptionen eröffnet.
In Zusammenarbeit mit der UNDP hat ein
amerikanischer Marktführer Datennetze in Benin und neun
anderen afrikanischen Staaten errichtet. Es wurden Zentren zur
dringend benötigten Ausbildung qualifizierter Fachkräfte
im Kommunikationsbereich errichtet. Dies ist nur ein Anfang.
Für Entwicklungsländer ist es überlebenswichtig,
neue Kommunikations- und Produktionstechniken nicht nur über
„Global Players“ in das Land zu transportieren,
sondern mit eigenen „Human Resources“ (vgl.
Kapitel5.2.1.2.1) und eine entsprechende Bildung/Ausbildung zu
entwickeln.
Das Dilemma der Entwicklungsländer zeigt
sich an einem anderen Beispiel: Bangladesh hat seinen Textilexport
in 20 Jahren von 15 Millionen US-Dollar auf mehr als fünf
Milliarden US-Dollar gesteigert. KMU haben dazu beigetragen, diese
für das Land so wichtige Exportleistung zu erbringen. Diese
Exportleistung beschreibt aber nicht, unter welchen sozialen und
umweltrelevanten Voraussetzungen diese Leistung erbracht wird.
Diese Bedingungen sind u. a. Gegenstand der
schwierigen WTO-Verhandlungen zur weiteren Öffnung der
Textilmärkte. Einerseits brauchen die Entwicklungsländer
Wirtschaftskraft, andererseits sind sie strukturell,
sozialpolitisch und umweltpolitisch noch nicht in der Lage, die
geforderten Sozial- und Umweltstandards der industrialisierten Welt
erfüllen zu können. So wird dort die Forderung nach
Mindeststandards als Protektionismus und Wachstumshemmnis
empfunden.
Fortschritte für Beschäftigung und
Abbau der Armut sind in den Entwicklungsländern nur mit einer
Politik zu erreichen, die Voraussetzungen für Ausbildung und
wirtschaftliches Wachstum schafft und die ihre Bevölkerung
auch an technische und organisatorische Lernprozesse
heranführt. Wachstum alleine führt allerdings nicht dazu,
dass z. B. die Produktivität der informellen
Arbeitsplätze wie auch des informellen Kleingewerbes
automatisch erhöht wird und mit einem Teil der
Volkswirtschaften verflochten werden kann. Deshalb ist es in Frage
zu stellen, ob die direkte Förderung ausschließlich des
bestehenden Kleingewerbes zukunftsfähig ist. Effektiver und
vor allem nachhaltiger scheint eine Förderung beider
Wirtschaftsbranchen zu sein. Zunächst ist das bestehende
Kleingewerbe so zu qualifizieren, dass es den
„heimischen“ Markt auch mit den
„traditionellen“ Waren versorgen kann. Die heimischen
und regionalen Märkte dürfen nicht vergessen werden. Aber
mit jenem Teil der KMU, der in der Lage ist, in Zukunftsgewerbe zu
investieren, sind entsprechende Unternehmensstrukturen aufzubauen,
die helfen, den Strukturwandel zu bestehen. Die Unternehmen
müssen wettbewerbsfähig werden und erfolgreiche Formen
von Arbeitsteilung müssen entstehen. Diese Prozesse helfen
sowohl bei der Stabilisierung der heimischen Märkte und
öffnen Optionen für den globalen Markt.
Entwicklungszusammenarbeit kann mehr dazu
beitragen, die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Wachstum
zu verbessern, wenn sie neben einer hochrangigen Politik- und
Systemberatung auf die Förderung eines zukunftsfähigen
Mittelstandes setzt (modernere Produktionsmetho- den auch für
das heimische Kleingewerbe, intelligentere Dienstleistungen, Zulieferer, Logistikdienstleister
etc.). Dieser erzeugt durch
Innovation und Spezialisierung positive Impulse für die
nationalen Produktions- und Dienstleis tungsbereiche. Hier
sind insbesondere die Implementierung von geeigneten Anpassungsstrategien,
Unternehmens- und Strukturplanungen zu fördern, die
für den erfolgreichen Wettbewerb auf dem Weltmarkt unabdingbar
sind.
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