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11. Jahrestagung
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Ansprache der Parlamentaischen Staatssekretärin beim Bundesminister der Verteidigung, Brigitte Schulte, anlässlich der Parlamentarischen Versammlung der OSZE am 7. Juli 2002 in Berlin

 

Sperrfrist:  Redebeginn 
Es gilt das gesprochene Wort!


Anrede,

ich freue mich, heute Morgen mit Ihnen zusammenzutreffen.

Als langjähriges, aktives Mitglied der Nordatlantischen Versammlung und stellvertretenden Mitglied Ihrer Versammlung begrüße ich Sie alle sehr herzlich in Berlin.

Diese bedeutende Stadt – seit 1871 Hauptstadt Deutschlands – hat von 1914 bis 1989, also 75 Jahre lang Deutschlands Kampf gegen und für die parlamentarische Demokratie durchlitten.

Seit 1949 leben wir im größeren Teil Deutschlands in einem demokratischen Rechtsstaat.

Ich habe das große Glück, nun 26 Jahre dem Deutschen Bundestag anzugehören und in Freiheit aufgewachsen zu sein.

Sie widmen sich bei der dieser Jahrestagung dem drängenden Thema des Terrorismus als globale Herausforderung.

Internationales Verbrechen, internationaler Terrorismus

- aber in der Vergangenheit auch der ideologische Gegensatz unserer Staaten -

gefährdeten und gefährden unsere innere und äußere Sicherheit.

Zunächst die KSZE und nun die OSZE haben ganz entscheidend zur Sicherheit und Stabilität in Europa beigetragen.

Ob es die Anpassung bestehender Instrumente ist, beispielsweise der angepasste KSE-Vertrag, der möglicherweise schon bald durch die Parlamente der Teilnehmerstaaten zu ratifizieren sein wird, oder das breit angelegte Instrumentarium zur Konfliktprävention und Krisennachsorge – die OSZE hat Antworten auf die neuen Formen zwischen- und innerstaatlicher Konflikte gefunden.

Dabei ist aus meiner Sicht der umfassende Ansatz der OSZE, der sich vor allem in den zahlreichen Missionen manifestiert, hervorzuheben.

Die Stärke der OSZE liegt gerade darin, dass sie mit ihrer komplexen politischen Herangehensweise und einer Vielzahl erprobter Mittel daran mitwirken kann, den Nährboden für die Entstehung von Gewalt und Intoleranz auszutrocknen. Die Unterstützung des Demokratisierungsprozess und die Hilfestellung zu guter Staatsführung sind ein Markenzeichen der OSZE.

In diesem Zusammenhang hat die Idee der OSZE als eine Plattform für kooperative Sicherheit an Bedeutung gewonnen. Die Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsorganisationen soll - entsprechend ihren jeweiligen Stärken und Kompetenzen - auf eine gemeinsame und breite Grundlage gestellt werden, um damit die Ressourcen der internationalen Gemeinschaft besser zu nutzen.

Sie werden heute ein ganzes Bündel an Maßnahmen diskutieren, welche die OSZE zur Bekämpfung des Terrorismus getroffen hat oder noch plant. Lassen Sie mich dazu exemplarisch nur einem Punkt herausheben.

Die OSZE hat bei der Bekämpfung der unkontrollierten Verbreitung von Kleinwaffen und leichten Waffen eine Vorreiterrolle eingenommen. Der erst in diesen Tagen durchgeführte zweite Informationsaustausch unter den 55 Teilnehmerstaaten ist weltweit der Umfangreichste dieser Art.

Doch nicht allein durch diese Transparenzmaßnahme, sondern erst durch die konsequente Umsetzung aller Richtlinien des OSZE-Dokumentes zu Kleinwaffen kann ein nachhaltiger Beitrag zur Bekämpfung des Terrorismus geleistet werden.

Hier sind alle Regierungen zum Handeln und die Parlamente zur Kontrolle aufgefordert.

Ziel von Friedenskonsolidierung durch praktische Abrüstungsmaßnahmen war und bleibt es, die Bedeutung von Abrüstungs- und Rüstungskontrollmaßnahmen als unverzichtbaren Bestandteil erfolgreicher Krisenvorbeugung und dauerhafter Friedensgestaltung aufzuzeigen. Von daher geht die Zielsetzung der OSZE sogar über die Umsetzung des Kleinwaffendokuments hinaus.

Die vorhandenen, hauptsächlich innerstaatlichen Konflikte werden primär mit Kleinwaffen ausgetragen. Reduktion und Kontrolle der verbleibenden Waffen sowie Reintegration der Ex-Kombattanten ist von daher ein zentrales Anliegen. Die Förderung effektiver und von der Bevölkerung akzeptierter staatlicher Sicherheitsstrukturen ist jedoch unter den Zielaspekten Krisenvorbeugung und Friedensgestaltung von umfassenderer Bedeutung.

Überlegungen zu konfliktpräventiven und friedenskonsolidierenden praktischen Maßnahmen müssen daher von der Frage ausgehen, welche Konfliktursachen und welches Handeln staatlicher und nichtstaatlicher Akteure dem vorhandenen oder beendeten Konflikt zugrunde liegen.

Dieser schwierigen Aufgabe, der Komplexität von Konflikten angemessene Lösungsansätze entgegenzusetzen, müssen wir uns stellen.

Die Anschläge vom 11. September 2001 auf die Vereinigten Staaten von Amerika haben die Welt verändert. Zum ersten Mal wagte eine terroristische Vereinigung einen gewaltsamen Angriff auf das militärisch stärkste Land der Welt.

In ideologischer Verblendung bekämpfen Menschen die westliche Zivilisation und die pluralistische Gesellschaft.

Hass und Gewalt in nackten Form wurden dokumentiert, indem man zivile Flugzeuge mit zufälligen Passagieren zu lebenden Bomben umfunktionierte.

Darauf mussten alle zivilisierten Staaten reagieren. Auch Deutschland.

Am 16. November 2001 stimmte der Deutsche Bundestag dem Beschluss der Bundesregierung vom 7. November 2001 zu, bewaffnete deutsche Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368 und 1373 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen einzusetzen.

Dieser Beschluss ist die Grundlage für die militärischen Beiträge Deutschlands im Rahmen der Anti-Terror-Kampagne, der Operation ENDURING FREEDOM.

Seit November 2001 steht ein Einsatzkontingent mit bis zu 50 Soldaten des Sanitätsdienstes für luftgestützte medizinische Notfallevakuierungen zur Verfügung. Dazu wird ein entsprechend ausgerüsteter Airbus der Luftwaffe bereit gehalten.

Von November 2001 bis Januar 2002 haben deutsche Lufttransportkräfte Einheiten der amerikanischen Streitkräfte beim Transport von Personal und Material unterstützt. Dazu erfolgten 116 Einsätze mit 1.250 Flugstunden.

Ein deutsches Einsatzkontingent von ABC-Abwehrkräften in Kuwait Mitte Februar 2002 an einer multinationalen Einsatzübung teilgenommen, die Anfang März 2002 in Kuwait stattfand. Danach wurde der Großteil des Einsatzkontingents nach Deutschland zurückverlegt. Ein Teilkontingent von ca. 50 Soldaten sowie das gesamte Material sind in Kuwait verblieben. Das Kontingent wird weiterhin in hoher Bereitschaft gehalten, um im Bedarfsfall rasch im Einsatzgebiet verfügbar zu sein.

Rund 100 Soldaten der Spezialkräfte der Bundeswehr werden seit Januar 2002 zusammen mit Spezialkräften anderer Koalitionspartner zur Terrorismusbekämpfung eingesetzt. Zur Sicherstellung des Operationserfolgs sowie zum Schutz der Soldaten und ihrer Angehörigen erfolgt der Einsatz unter größtmöglicher Geheimhaltung.

Seit Februar 2002 operiert ein rund 1.450 Mann starker deutscher Marineverband in den Gewässern um das Horn von Afrika. Die Einheiten leisten Seeraumüberwachung, tragen zur Nachrichtengewinnung und Aufklärung und nehmen Begleitschutzaufgaben war. Es wurden Hunderte von Schiffen überprüft. Seit 4. Mai 2002 führt der deutsche Kontingentführer auch diesen Einsatzverband am Horn von Afrika.

Alle am Horn von Afrika eingesetzten maritimen Einheiten der Koalition sind in diesem Verband zusammengefasst, welcher dem Hauptquartier der amerikanischen Marine in Bahrain unterstellt ist. Die Übernahme dieser Funktion ist bis zum 30. Oktober 2002 begrenzt. Hauptaufgabe des Verbandsführers ist die Integration der wechselnden schwimmenden und fliegenden Marineeinheiten der beteiligten Nationen in den Verband und die Zuweisung der taktischen Aufgaben an die unterstellten Einheiten.

Die in der Operation ENDURING FREEDOM eingesetzten deutschen Soldaten leisten ihren Dienst Schulter an Schulter mit Soldaten aus über 70 Nationen. Sie haben sich hohe Wertschätzung in der von den USA geführten Anti-Terror-Koalition erworben. Deutsche Soldaten beweisen täglich vorbildlichen Einsatzwillen, zupackende Hilfsbereitschaft und überzeugende Professionalität. Dafür gebührt ihnen und ihren Familien Dank.

Die Bundesregierung und der Bundestag haben deutlich gemacht, dass entschlossen und erfolgreich alle Chancen genutzt wurden, die militärische Bekämpfung des Terrorismus in Afghanistan mit einer politischen Strategie zur dauerhaften Stabilisierung und Befriedung dieses Landes zu verbinden. Die Petersberg-Konferenz war sichtbarer Ausdruck dieses politischen Engagements, das in den verschiedensten Bereichen mit unverminderter Intensität anhält.

Das ISAF-Mandat wird von uns sehr aktiv unterstützt. Rund 1.400 Soldaten der Bundeswehr leisten in der Internationalen Schutztruppe in Afghanistan zur friedlichen Entwicklung des Landes ihren Beitrag.

Wir können dort operieren, weil uns Usbekistan seinen Flugplatz in Termes zur Verfügung stellt und uns Gastfreundschaft gewährt.

Ukrainer helfen uns beim Transport von Menschen und Material. Stärker kann man gegenseitiges Vertrauen nicht dokumentieren.

Die politischen, wirtschaftlichen, entwicklungspolitischen und militärischen Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft zur Bekämpfung des Terrorismus zeigen Wirkung. Die bisherigen militärischen Erfolge von internationaler Koalition und afghanischen militärischen Kräften geben Anlass zur Hoffnung, dass die Kampfhandlungen in Afghanistan in nächster Zeit weitgehend beendet werden können und das Land mit Hilfe internationaler Unterstützung seinen Weg zurück in die Staatengemeinschaft findet.

Mit der Bildung einer Übergangsregierung in Kabul und dem Beginn des Wiederaufbaus Afghanistans ist der Kampf gegen den internationalen Terrorismus nicht beendet. Angesichts der Art der Bedrohung und der Komplexität ihrer Ursachen wird die Koalition einen langen Atem beweisen müssen. Das gilt für das gesamte Spektrum der friedlichen politischen Bemühungen; aber es gilt auch für das militärische Engagement der Koalition gegen den Terrorismus. Der weitere Einsatz militärischer Mittel erscheint unumgänglich, nicht nur, um der Al Qa'ida die letzten Stützpunkte in Afghanistan zu nehmen, sondern auch, um Mitgliedern dieses Netzwerks in anderen Regionen ihre Basen zu entziehen und Rückzugsgebiete zu verwehren.

Wir alle aber lernen, dass die Bekämpfung von Hass und Gewalt früher ansetzen muss.

Gemeinsam müssen wir Entwicklungen, wie das Taliban-Regime, früher erkennen und entschiedener mit allen politischen Mitteln bekämpfen. Vor allen Dingen dürfen wir nicht Regime unterstützten, die sich an unsere internationalen Regeln nicht halten!

Ich wünsche uns allen, dass wir so gut wie heute weiterhin kulturell und politisch zusammenarbeiten, voneinander lernen und uns gegenseitig respektieren.

Quelle: http://www.bundestag.de/parlament/internat/osze/osze_amtl-unt/osze6/osze_jt11/inf_dt/gruss_schulte
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