Konferenz der Präsidenten der Parlamente der
Mitgliedsländer der Europäischen Union und des
Europäischen Parlaments, 2. und 3. Juli 2004 in Den Haag
Schlussfolgerungen des Vorsitzes
Vorbemerkungen
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Die Jahreskonferenz der Parlamentspräsidenten der Europäischen Union fand am 2. und 3. Juli 2004 im Rittersaal in Den Haag statt. Die Präsidenten der Parlamente der 25 Mitgliedstaaten sowie des Europäischen Parlaments und der Parlamente der drei Beitrittskandidaten nahmen an der Konferenz teil. Der Vorsitz der Konferenz wurde abwechselnd vom Präsidenten des Senats der Staten Generaal, Frau Yvonne E.M.A. Timmerman-Buck und dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses der Staten-Generaal, Herrn Frans W. Weisglas geführt. Der Premierminister der Niederlande hielt eine Eröffnungsansprache auf der Konferenz, bei der er die primäre Bedeutung einer weiteren Stärkung der Rolle der nationalen Parlamente bei der europäischen Zusammenarbeit feststellte.
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Von Anfang an standen vier spezifische Themen auf der Tagesordnung:
Überwachung der Einhaltung des (Grundsatzes der) Subsidiarität, das Sprachenregime bei künftigen Konferenzen, die interparlamentarische Zusammenarbeit und die europäische und weltweite Agenda nach der Erweiterung. In ihrer Einleitungsrede wies die Präsidentin des niederländischen Senats, Frau Yvonne E.M.A. Timmerman-Buck, darauf hin, dass dies die erste interparlamentarische Konferenz nach dem Abschluss der Regierungskonferenz sei. Sie stellte fest, dass künftige Herausforderungen nicht nur in der Umsetzung des neuen Verfassungsvertrages, sondern auch in der Aufstellung einer gemeinsamen europäischen und weltweiten Agenda lägen. -
Im Hinblick auf den sogenannten Frühwarnmechanismus gab der Vizepräsident des Unterhauses Großbritanniens, Sir Alan Haselhurst, eine Erläuterung der verschiedenen Optionen, die im Unterhaus für die Umsetzung des Mechanismus in Erwägung gezogen werden, und warf wichtige Fragen im Hinblick auf die künftige interparlamentarische Zusammenarbeit auf diesem Gebiet auf. Der Präsident des Nationalrates der Slowakischen Republik, Herr Pavol Hrusowksy, betonte die Wichtigkeit, dass das Subsidiaritätsprinzip ein Instrument zur Gewährleistung der Wirksamkeit und der Legitimität des Europäischen Entscheidungsprozesses sei. Er rief die Teilnehmer dazu auf, über die von uns zu schaffende künftige Europäische Union nachzudenken, insbesondere durch eine Klärung des Verfassungsvertrags.
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Eine lebhafte Debatte fand zur Frage des bei künftigen Konferenzen anzuwendenden Sprachenregimes statt. Mehrere Präsidenten hatten Verständnis für die logistischen und finanziellen Probleme, die die Beibehaltung eines vollen Sprachenregimes stellen würde, unterstrichen jedoch gleichzeitig die große Bedeutung, die mit dem Recht verbunden sei, innerhalb der Europäischen Union in seiner eigenen Sprache zu sprechen. Es bestand ein gewisser Konsens darüber, dass das Recht, in der Muttersprache zu sprechen, beibehalten werden sollte, dass die Verantwortung zur Bereitstellung einer Verdolmetschung jedoch nicht automatisch beim Gastland liegen sollte.
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In seiner Ansprache auf der Konferenz plädierte der Präsident des Europäischen Parlaments, Pat Cox, für eine Wiederbelebung des Enthusiamus für Europa, indem man sich auf wesentliche Fragen und die Erfüllung der Wünsche der Bürger konzentrieren solle. In Zukunft sollten dynamische Beziehungen zwischen den nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament gestärkt werden durch eine Stärkung der direkten Zusammenarbeit in Form gemeinsamer parlamentarischer Sitzungen zu regierungsübergreifenden Politikbereichen.
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Der Präsident des Schwedischen Reichstages, Dr. Björn von Sydow, stellte Richtlinien für die interparlamentarische Zusammenarbeit in der Europäischen Union vor. Diese Richtlinien wurden auf der Grundlage der Ergebnisse einer Arbeitsgruppe der Parlamentspräsidenten, der Athener Gruppe, erstellt.
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Im Hinblick auf die künftige europäische und weltweite Agenda betonte der Senatspräsident Polens, Professor Longin Pastusiak, die Bedeutung, dass bei der Bewältigung der Herausforderungen und Bedrohungen der heutigen Welt die Parlamente lokal handeln, jedoch global denken. Zu derselben Frage übersandte Herr Pier Ferdinando Casini einen Bericht, der in seinem Namen von Herrn Biondi, Vizepräsident des Abgeordnetenhauses, vorgestellt wurde. Er plädierte für eine größere interparlamentarische Zusammenarbeit in Anbetracht der Komplexität der internationalen Lage.
Schlussfolgerungen des Vorsitzes
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Die Protokolle über die Rolle der nationalen Parlamente und das Subsidiaritätsprinzip bieten den nationalen Parlamenten die Möglichkeit, nicht nur ihre Rolle in Europa zu stärken, sondern auch das Bewusstsein der Europäischen Union auf nationaler Ebene. Die Überwachung der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips wird die Legitimität der auf europäischer Ebene getroffenen Entscheidungen sowie die Legitimität des Integrationsprozesses stärken. Die nationalen Parlamente der Europäischen Union sollten sowohl einzeln als auch gemeinsam Nutzen aus diesen Möglichkeiten ziehen. Die im Protokoll über die Subsidiarität verankerte Reaktionszeit von sechs Wochen gibt den nationalen Parlamenten nur wenig Zeit, die europäischen Gesetzesvorschläge sorgfältig zu prüfen und ihre Haltung mit anderen nationalen Parlamenten zu koordinieren. Die interparlamentarische Zusammenarbeit ist ein notwendiges Instrument, um eine optimale Wirkung des Frühwarnprozesses zu erzielen.
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Der Gastgeber der anstehenden Konferenz, die ungarische Nationalversammlung, wurde gebeten, eine Arbeitsgruppe zu bilden, die die Debatte über das Sprachenregime weiterverfolgen wird. Diese Arbeitsgruppe soll mit der Aufgabe betraut werden, die technischen Bestimmungen für ein Regime auszuarbeiten, bei dem die Delegationen die organisatorische und finanzielle Verantwortung dafür teilen, dass die benötigten Sprachen bei den Konferenzen verdolmetscht werden. Klar ist, dass jeder, der wünscht, in seiner Muttersprache zu sprechen, in der Lage sein sollte, dies zu tun, und die Lösung für die in der Debatte auf der Konferenz genannten logistischen Probleme sollte eine rein praktische sein. Das neue Sprachenregime sollte bei der nächsten Parlamentspräsidentenkonferenz angewandt werden können.
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Die Athener Gruppe hat eine lobenswerte Anstrengung zur Untersuchung der weiteren Zusammenarbeit zwischen den Parlamenten während des letzten Jahres unternommen. Dieses Ziel wurde mit der Vorstellung der "Richtlinien für die interparlamentarische Zusammenarbeit zwischen den Parlamenten in der Europäischen Union" erreicht. Wir stellen fest, dass diese Richtlinien von der Konferenz vereinbart wurden und umgesetzt werden. Die Richtlinien (s. Anlage) sind ein Instrument zur Verbesserung der Struktur und zur Koordinierung der interparlamentarischen Zusammenarbeit mit praktischen und operationellen Mechanismen. In diesem Zusammenhang wird IPEX ein wichtiges Mittel für den Informationsaustausch sein, beispielsweise durch die direkte Verteilung von Gesetzesvorschlägen der Europäischen Kommission an die IPEX-Datenbank.
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Die anstehenden Herausforderungen auf europäischer Ebene und weltweit sollten gemeinsam angegangen werden. Die Parlamente der Mitgliedstaaten sollten eine wichtige Rolle bei der Strukturierung dieser künftigen Tagesordnungen spielen. Durch eine stärkere interparlamentarische Zusammenarbeit können wir Kräfte zusammenlegen. Die Bewältigung der vor uns liegenden weltweiten Herausforderungen bedeutet auch, immer wieder die Notwendigkeit und die Bedeutung eines gut funktionierenden multilateralen Systems zu unterstreichen, in dem die Vereinten Nationen eine entscheidende Rolle spielen. Die Parlamente der Europäischen Union müssen auf einer lokalen, europäischen und internationalen Ebene handeln, um zu einer erfolgreichen europäischen und weltweiten Agenda beizutragen.
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Ein Vorschlag wurde von Herrn De Decker, Präsident des belgischen Senats, vorgelegt, eine Arbeitsgruppe zur Prüfung der Effizienz der europäischen parlamentarischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) einzusetzen. Wir nehmen diesen Vorschlag zur Kenntnis und nehmen an, dass einige Präsidenten es auf sich nehmen werden, diese Frage weiter zu prüfen.
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Der Präsident des italienischen Abgeordnetenhauses, Herr Casini, der auf der Konferenz durch Herrn Biondi, Vizepräsident des Abgeordnetenhauses, vertreten war, sowie der Präsident des Deutschen Bundestages, Herr Thierse, schlugen die Einleitung einer Debatte zur weiteren Prüfung der Entwicklung interparlamentarischer Strukturen, Versammlungen und Institutionen auf europäischer Ebene und zur Prüfung ihrer Effektivität vor. Wir halten die Durchführung einer solchen Debatte für angebracht und bitten die Gastgeber der nächsten Konferenz, dies weiterzuverfolgen.
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Die nächste Konferenz der Präsidenten der Parlamente der Europäischen Union findet in Budapest im Mai 2005 statt. Der dänische Folketing hat angeboten, Gastgeber der Parlamentspräsidentenkonferenz 2006 zu sein.