Enquete-Kommission "Globalisierung der Weltwirtschaft Herausforderungen und Antworten" des 14. Deutschen Bundestages
Mayer (5. Juni 2001), Kurzfassung
"Währungs- und Finanzmärkte
nach der Deregulierung: Finanzkrisen und ihre Folgen für die
Weltwirtschaft"
Dr. Thomas Mayer, Chefökonom,
Goldmann, Sachs & Co., Frankfurt/M.
vorgestellt in der 5. Sitzung am 5. Juni 2000
Aus seiner Sicht haben die freien Währungs- und
Finanzmärkte zwar viele Krisen hervorgerufen, gleichwohl aber
auch einen großen Beitrag zur Erhöhung des
weltwirtschaftlichen Wohlstandes geleistet. Keine Finanzkrise sei
genau wie die andere. Strategien zur Vermeidung von Finanzkrisen
müssen nach Ansicht von Dr. Thomas Mayer in den Ländern
ansetzen, die besonders gefährdet seien, wobei begleitende
Maßnahmen zur Krisenvorbeugung und -bewältigung auf
internationaler Ebene durchgeführt werden sollten. Nachfolgend
nennt er einige Beispiele für die erheblichen Auswirkungen,
die Finanzkrisen in den letzten 20 Jahren auf die Weltwirtschaft
gehabt hätten. Trotz dieser Krisen werde Wachstum und
Entwicklung der Volkswirtschaften letztlich durch freien Handel
gefördert. Die Liberalisierung im Rahmen der Uruguayrunde
führe nach Schätzungen der OECD zu einer Erhöhung
des Weltbruttoinlandsproduktes um bis zu 200 Milliarden US-Dollar
jährlich über 10 Jahre hinweg.
Nach Ansicht von Dr. Mayer ergänzen sich freie Handels- und
freie Kapitalmärkte; das eine sei ohne das andere nicht
denkbar. Warenhandel führe zu Kapitalströmen, was
wiederum Auswirkungen auf die kurzfristige Kapitalverkehrsbilanz
habe. Beschränkt man diese, führe das unter
Umständen zu einem Eingriff in den Warenhandel. Zum anderen
ziehe Handel grenzüberschreitende Investitionen nach sich,
weil Unternehmen oft auch in den Ländern produzieren wollen,
in die sie exportieren. Das Volumen des Welthandels sei im
Vergleich zu 1950 heute etwa 16 mal so groß; das Volumen der
Direktinvestitionen sei sogar 25 mal größer als 1950.
Andererseits führe aber auch freier Kapitalverkehr zur
Ausweitung des Handels. Nach Schätzungen der OECD zieht ein
Dollar an Direktinvestitionen in einem Land ungefähr zwei
Dollar an Exporten in dieses Land nach sich, weil der
Direktinvestor oft Güter in dieses Land exportiere, um dort
Anlagen aufzubauen. Bei einer Gegenüberstellung der Kosten,
die durch internationale Finanzkrisen in beträchtlichem
Maße verursacht worden seien, und des Nutzens, der aus der
Deregulierung der Finanzmärkte über die Jahre hinweg
gezogen worden sei, müsse man erkennen, dass Eingriffe in die
Finanzmärkte sehr genau überlegt werden sollten.
In den letzten 20 Jahren seien mehr als 125 Finanzkrisen
gezählt worden, wobei jede dieser Krisen ihre eigenen
spezifischen Ursachen gehabt habe. Dr. Mayer nennt beispielhaft
einige dieser Finanzkrisen und beschreibt deren Ursachen. Bei aller
Verschiedenheit der Finanzkrisen ließen sich jedoch auch
einige gemeinsame Anhaltspunkte für eine erhöhte
Krisenanfälligkeit von Staaten erkennen. Er zählt
folgende Risikofaktoren auf: eine hohe Staatsverschuldung, die
Wechselkurspolitik (Vermeidung von pegs, entweder freie
Wechselkurse oder volle Integration in einen Währungsblock),
mangelhafte Finanzaufsicht und fehlerhafte Finanzregulierung in
diesen Ländern, mangelndes Risikobewusstsein internationaler
Investoren (moral hazard). Anschließend erläutert Dr.
Thomas Mayer einige Strategien zur Vermeidung internationaler
Finanzkrisen, die in erster Linie in den gefährdeten
Ländern selbst verwirklicht werden müssten. Hierzu
gehörten die Verbesserung der inländischen
Wirtschaftspolitik, insbesondere der Finanzpolitik (durch
Verbreitung von best practises, der IWF könne z.B. ein
Gütesiegel für gute inländische Wirtschaftspolitik
ausstellen), oder eine Verbesserung der Banken- und
Finanzmarktaufsicht. Des Weiteren seien neben der bereits genannten
Wechselkurspolitik ein freier Kapitalverkehr und eine Verringerung
des moral hazard (Wiederherstellung eines angemessenen
Risikobewusstseins internationaler Investoren) wichtige Strategien
zur Vermeidung von Krisen. Wenn die genannten Strategien mit Hilfe
konkreter Maßnahmen durchgesetzt würden, lassen sich
nach Ansicht von Dr. Mayer Finanzkrisen eher vermeiden bzw.
bewältigen.