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Anlage 7 / Erklärung nach Paragraph 31 der Geschäftsordnung

Erklärung nach § 31 des Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP) zur Abstimmung über die Anträge zum Parlaments- und Regierungssitz (Tagesordnungspunkt 15)

Meine Stimmabgabe für Bonn als Parlaments- und Regierungssitz möchte ich auf diesem Wege kurz begründen:

Erstens. Bonn steht für die längste Phase stabiler Demokratie in der deutschen Geschichte, Bonn ist das Symbol für die Westbindung und die europäische Integration unseres Vaterlandes. Die Bonner Republik hat dem deutschen Volk einen beispiellosen wirtschaftlichen Wohlstand gebracht. Bewährtes sollte nicht ohne Not aufgegeben werden.

Zweitens. Durch die Wiedervereinigung Deutschlands stehen wir vor Herausforderungen und Problemen in den neuen Bundesländern, die von ihrer Größe her vergleichbar sind mit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Vor diesem Hintergrund brauchen wir in den nächsten Jahren eine effektive Bundesverwaltung nötiger denn je. Die Effektivität würde jedoch zwangsläufig leiden, wenn sämtliche Ministerien mit Zigtausenden von Bediensteten sukzessive nach Berlin umziehen müssten. Ein solcher Umzug wäre im übrigen auch der Motivation der bisher in Bonn tätigen und in dieser Region verwurzelten Beamten abträglich.

Drittens. Die für eine Verlagerung des Parlaments- und Regierungssitzes nach Berlin notwendigen Finanzmittel in Höhe eines zweistelligen Milliardenbetrages können in den fünf neuen Bundesländern weit sinnvoller verwandt werden als im ohnehin schon boomenden Berlin.

Viertens. Berlin leidet bereits heute unter wachsenden Problemen mit seiner Infrastruktur. Auf absehbare Zeit wird es sowohl auf den Schienen und auf den Straßen wie auch von der Luft aus nicht so leicht zu erreichen sein, wie dies für einen Parlaments- und Regierungssitz notwendig wäre. Auch die Verkehrsprobleme innerhalb der Stadt nehmen zu. Darüber hinaus fehlen in Berlin bereits jetzt über 100 000 Wohnungen; die Miet- und Grundstückspreise ziehen rasant an.

Alle diese Probleme würden sich durch den Zuzug von rund 50 000 Bundesbediensteten, Tausenden von Diplomaten und weiteren Tausenden vonVerbandsvertretern, jeweils zuzüglich ihrer Familienangehörigen, dramatisch verschärfen. Ich habe daher ernsthafte Zweifel, ob die Verlegung des Parlaments- und Regierungssitzes überhaupt den objektiven Interessen Berlins diente.

Fünftens. Aus meinen genannten Beweggründen heraus ergibt sich, daß ich eine Verlegung des Parlaments- und Regierungssitzes nach Berlin allenfalls langfristig - hiermit meine ich einen Zeitraum, der weiter greift als die bisher genannten fünf bis fünfzehn Jahre - für akzeptabel hielte. Da eine solche langfristige Option nicht zur Abstimmung steht - und bedauerlicherweise wohl auch keine Mehrheit fände - stimme ich heute, am 20. Juni 1991, für die Beibehaltung Bonns als Sitz des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung.

Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bd_anl07
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