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NS-Unrechtsurteile aufgehoben
Interview mit dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Horst Eylmann (CDU/CSU)Der Bundestag hat am 28. Mai 1998 nach langem Ringen mit
großer Mehrheit alle in der NS-Zeit ergangenen Unrechtsurteile
pauschal aufgehoben. Mit dem Gesetz werden mehrere Hunderttausend
Opfer der NS-Justiz rehabilitiert " unter ihnen auch Deserteure,
Homosexuelle und Zwangssterilisierte. Noch lebende Verurteilte oder
Angehörige von Hingerichteten erhalten mit der pauschalen
Aufhebung der Urteile allerdings keinen
Entschädigungsanspruch. Dies wird damit begründet,
daß die Wiedergutmachung von NS-Unrecht bereits in
früheren Gesetzen ausreichend geregelt sei.
Sprecher der Koalitionsfraktionen CDU/ CSU und F.D.P. und der
SPD-Opposition zeigten sich in der Aussprache grundsätzlich
zufrieden mit dem erst kurz zuvor im Rechtsausschuß des
Bundestages erzielten Kompromiß. Bundesjustizminister Edzard
Schmidt-Jortzig (F.D.P.) sprach von einer "überfälligen
Entscheidung". Die Rechtsexpertin der SPD, Herta
Däubler-Gmelin, sagte, mit dem Gesetz werde jetzt der
Peinlichkeit der Boden entzogen, daß NS-Urteile nach dem Krieg
von Gerichten der Bundesrepublik bestätigt worden seien.
Volker Beck von Bündnis 90/Die Grünen, dessen Fraktion
sich der Stimme enthielt, meinte, das Gesetz bringe zwar einige
Fortschritte, aber nicht die notwendige Rechtsklarheit für
alle Opfergruppen.
Über die Aufhebung der NS-Unrechtsurteile durch den Deutschen
Bundestag sprachen wir mit dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses
Horst Eylmann (CDU/CSU).
Der Bundestag hat am 28. Mai 1998 die
NS-Unrechtsurteile aufgehoben. Warum hat das mehrere Jahrzehnte
gedauert?
Wir mußten einsehen, daß es uns erst dieser zeitliche
Abstand ermöglicht hat, die Geschehnisse in der Nazi-Zeit in
ihrer Qualität und Quantität zu erkennen und ohne
Befangenheit zu bewerten.
Dennoch sehen viele Beobachter dies sehr
kritisch...
Ich nehme die früheren Bundestage ausdrücklich in Schutz.
Früher wäre diese Aufhebung gar nicht möglich
gewesen. Bei der Durchsicht früherer Protokolle ist mir klar
geworden, daß man sich damals noch in einer größeren
Kontinuität gegenüber dem Staat sah, der von den Nazis
beherrscht wurde. Thomas Dehler hat 1950 auf die Rechtssicherheit
verwiesen und gesagt, man könne doch nicht alles aufheben, was
an Strafurteilen ergangen ist.
Wurden die Deserteure der Wehrmacht in
die Generalklausel des Beschlusses aufgenommen?
Ja. Allerdings gab es die Schwierigkeit, daß auch schon in der
Weimarer Republik die Fahnenflucht bestraft wurde, in schweren
Fällen gar mit dem Tode. Wir haben ja nur das typisch
nationalsozialistische Unrecht aufgehoben. Aber beginnend in den
späten 30er Jahren waren alle Urteile der
Militärstrafgerichte wegen Fahnenflucht derart vom NS-Denken
beherrscht, daß sie typisch nationalsozialistisches Unrecht
darstellten.
Was geschieht mit den Entscheidungen der
Erbgesundheitsgerichte?
Die wurden alle aufgehoben.
Wie viele Menschen sind davon noch
betroffen?
Das ist schwer zu sagen. Es hat in der Nachkriegszeit auf
Länderebene viele Gesetze gegeben, die derartige Urteile
aufgehoben haben. In diesen Ländergesetzen gab es allerdings
Lücken. In vielen Fällen wußte man nicht, ob Urteile
aufgehoben waren oder nicht. Jetzt liegt ein abschließendes
Gesetz vor.
Was geschieht mit den Urteilen der
Kriegsgerichte?
Auch sie sind aufgehoben. Wir haben im ersten Paragraphen eine
Generalklausel. In ihr werden alle Entscheidungen aufgehoben, die
gegen elementare Grundsätze der Gerechtigkeit verstoßen
und die zur Durchsetzung des NS-Unrechtsregimes aus politischen,
militärischen, rassischen, religiösen oder
weltanschaulichen Gründen ergangen sind. Im zweiten
Paragraphen werden besonders die Entscheidungen des
Volksgerichtshofs erwähnt. Und dann sind in einer Anlage 59
Gesetze und Verordnungen erwähnt. Alle Entscheidungen, die
darauf beruhen, sind nichtig.