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06/2002
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Ein Abend voller Geschichten

Petra Bläss über Hoffnung und Trauer

An diesem Abend werden Geschichten erzählt. Über Verzweiflung und Hoffnung, Not und Ausbrechen aus der Not. Petra Bläss hört zu und redet. Das tut sie nicht zum ersten Mal an diesem Ort und wird sie noch häufig tun. Für sie seien, so sagt sie zu Beginn des Abends beim "Südost-Europa-Kultur e.V.", die Räume des Vereins ein Stück zu Hause. Flüchtlingsfrauen, die ihre Heimat auf dem Balkan verlassen mussten, sind diese Räume seit langem Zuflucht und Hilfsangebot zugleich. Hier können sie über sich reden, über den Krieg, den sie mitgemacht, die Flucht, die sie überstanden haben, und die Not, die sie oft nicht verlässt. Die Leiterin des Zentrums, Bosiljka Schedlich, hat an diesem langen Abend viel zu übersetzen.

Petra Bläss mit Flüchtlingsfrauen vom Balkan.

Petra Bläss mit Flüchtlingsfrauen vom Balkan.

Petra Bläss hat in den vergangenen Monaten gemeinsam mit Abgeordneten anderer Fraktionen drei Reisen auf den Balkan unternommen. Sie war in Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien und erst kürzlich in Albanien und im Kosovo.

Als jede der rund dreißig anwesenden Frauen erzählt, wo sie einst gelebt hat, kennt die Abgeordnete viele dieser Orte aus eigener Anschauung. Sie hat sich Bilder machen können von den Zerstörungen, und sie weiß um die geringen Chancen vieler Rückkehrerinnen und Rückkehrer. Sie hat oft und häufig mit der Unterstützung von Politikerinnen und Politikern anderer Fraktionen gegen die Abschiebung bosnischer Familien protestiert. Sie kämpft gemeinsam mit ihrer Fraktion dafür, dass Flüchtlinge in Deutschland Schutz und Zuflucht finden und ihnen ausreichend Möglichkeiten eingeräumt werden, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen.

Dies sei, so berichten an dem Abend Therapeutinnen, die den Frauen helfen, mit dem Erlebten fertig zu werden, durch oft unüberwindliche Hürden erschwert: unsicherer Aufenthaltsstatus, Angst vor Abschiebung, keine Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, keine Genehmigung zum Verlassen der Stadt. "Es ist so schwer", sagt eine Frau, "darauf zu warten, dass irgendwann wieder das normale Leben beginnt."

Der Abend mit der Politikerin beginnt früh und dauert lange. Im Nachtrag zu den Gesprächen mit den Flüchtlingsfrauen, Therapeutinnen und Mitarbeiterinnen des Zentrums "Südost-Europa-Kultur e.V." sagt Petra Bläss: "Als Politikerin werde ich immer wieder gefragt, was ich tue und tun kann, um die Situation zum Beispiel dieser Frauen hier zu verbessern. Sich vor Ort mit den immensen Problemen vertraut zu machen, ist ja nur der erste Schritt. Es muss und es kann hier eine neue Qualität überparteilichen Agierens geben. Eine gute Erfahrung ist, wenn es gelingt über Parteigrenzen hinweg Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu finden wie Rita Süssmuth, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Monika Knoche und Christian Schwarz-Schilling, die etwas dafür tun, dass sich die Situation der Flüchtlinge verbessert. Es ist wichtig, gemeinsam Organisationen, die in der Friedens- und Flüchtlingsarbeit aktiv sind, politische Unterstützung zu geben.

Ein Abend wie dieser hier bringt oft alle Beteiligten an Grenzen: die, die erzählen, aber häufig auch die, die zuhören. Doch ohne die Erzählung dieser Menschen wüssten wir vielleicht nicht, wie dringend nötig politisches Handeln ist. Die Arbeit für Flüchtlinge kann keine Parteiangelegenheit sein, sondern muss im Interesse aller liegen. Ich weiß nach solchen Stunden, dass ich gemeinsam mit meiner Fraktion weiter gegen Unrecht intervenieren und für besseres Recht Vorschläge unterbreiten werde. Wenn gesetzliche Regelungen unzureichend oder gar gegen die Interessen von Flüchtlingen sind, wenn es Diskriminierung und Ausgrenzung gibt, muss man etwas tun. Wer sieht und zuhört wird auch etwas tun wollen. Darauf zumindest baue ich."

Text: Kathrin Gerlof/Foto: Phalanx

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2002/bp0206/0206033a
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