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Das Parlament
Nr. 48 / 22.11.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Markus Feldenkirchen

Mein Rentner und ich

Glosse

Es ist nicht mehr genau nachzuvollziehen, wann genau uns Deutschen der Schwung aus den Lenden gewichen ist. Vielleicht war auch dafür das Tor von Wembley der Auslöser oder die IG Metall, wir wissen es nicht. Mit hoher Wahrscheinlichkeit trägt die Deutsche Einheit eine Mitschuld und sicherlich auch die SPD. Aber eigentlich ist es nun auch zu spät, um nach den Schuldigen zu suchen. Reglos schauen wir uns beim Aussterben zu. Wir bleiben hüftsteif. Es fehlt das Aufbäumen.

Doch bis dahin sind auf diesem langen Marsch noch ein paar Zwischenstufen zu absolvieren. Es werde der Tag kommen, so predigt uns nicht nur der Bundeskanzler täglich aufs neue, da wird auf einen Rentner genau ein beitragszahlender Arbeitnehmer kommen. Manche halten dies für ein Schreckensszenario. Dabei wird es wunderschön werden, zu einem völlig anderen Umgang zwischen den Generationen führen. Während alte Menschen von den jüngeren heutzutage am liebsten ins Altersheim abgeschoben werden, wird es künftig ein viel intensiveres Miteinander geben.

Denkbar wäre ein Modellprojekt, Titel: "Mein Rentner und ich". Mit diesem einfachen Modell wäre das heutige komplizierte Rentensystem endlich überflüssig. Jeder noch arbeitende Deutsche bekommt ganz einfach seinen privaten Rentner zugewiesen, um den er sich dann kümmern muss. Das schafft eine bis dato unbekannte Nähe zwischen Jung und Alt.

Treffen sich also zwei Arbeitnehmer vor dem Senior Health Club: "Mein Rentner frisst mir die Haare vom Kopf. Ich weiß nicht mehr was ich machen soll."

"Das Problem kenne ich. Wie heißt er denn, Dein Rentner?"

"Günther. Und Deiner?"

"Es ist eine sie. Sie heißt Margot."

"Günther wird unverschämt: er bekommt bereits 490 Euro Taschengeld im Monat. Aber jetzt hat er noch eine 20-prozentige Erhöhung beantragt. Er sagt, die anderen in seiner Senioren-Bauch-Beine-Po-Gruppe bekämen alle mehr als 500 Euro."

"Margot hat bisher recht bescheiden gelebt. Sie hat früher beim Finanzamt gearbeitet. Aber seit sie frisch verliebt ist, fragt sie ständig nach Extra-Geld für frische Stützstrümpfe. Aber insgesamt ist mein Leben schöner geworden. Du musst wissen: Sie kann sehr leckere Bratkartoffeln zubereiten."

"Günther ist auch frisch verliebt, leider. Das kommt mich teuer zu stehen, weil er seine Süße nun immer zum Essen ins Restaurant einlädt. Und sobald die ihren Damen gefallen wollen, ist der Seniorenteller ja nicht mehr gut genug."

"Sag mal, wie regelt ihr das mit dem Urlaub?"

"Hör mir bloß auf mit dem Thema."

"Wir hatten neulich auch ne heftige Diskussion. Ich wollte Margot ja - großzügig wie ich bin - eine Kaffeefahrt spendieren. Aber nein, es musste ja unbedingt Paragliding und Wildwasser-Rafting sein."

"Weißt Du was: Der Rentner an sich ist auch nicht mehr das, was er mal war."

Wir sehen einer kommunikativen Zeit zwischen den Generationen entgegen. "Mein Rentner und ich" könnte rasch zum international innovativsten Modell der Altersvorsorge werden. Gesetzlich geregelt werden müsste allenfalls die Frage, ob man seinen Senior bei knapper Kasse auch am internationalen Rentenmarkt handeln kann und ob der private Rentner bei äußerst renitentem Verhalten gegen ein pflegeleichteres Exemplar umgetauscht werden darf. Zu empfehlen wäre dies freilich nicht. Denn so leicht man sich von seinem Ehepartner trennen kann - das Modell "Mein Rentner und ich" ist eigentlich ein Projekt für das ganze Leben. Die Devise heißt ja auch: Die Rente ist sicher.

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