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Das Parlament
Nr. 44 / 31.10.2005

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Daniela Weingärtner

Keine Noten nach Sympathie

Fortschrittsbericht zum EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens

Für die 18 bulgarischen und 35 rumänischen Delegierten, die seit Ende September mit Beobachterstatus im Europaparlament sitzen, war der 25. Oktober ein besonderer Tag. Der mit Spannung erwartete Bericht über die Beitrittsreife der beiden Länder wurde von der EU-Kommission in Straßburg vorgestellt. In einem Drittel der Politikbereiche sind demnach noch ernste Anstrengungen nötig, damit Rumänien und Bulgarien das geplante Beitrittsdatum 1. Januar 2007 einhalten können. Auf zehn Prozent schätzt Erweiterungskommissar Olli Rehn den Anteil der Gesetzgebung und der politischen Praxis, die Anlass zu ernsthafter Sorge geben.

Das kritische Urteil trifft beide Länder gleich. Während noch vor einem Jahr Bulgarien in der Beurteilung deutlich besser wegkam als das Nachbarland, ist nun die Liste der Kritikpunkte etwa gleich lang: Im Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen seien, so der Bericht, mehr Anstrengungen nötig und auch die Außengrenzen seien nur unzureichend geschützt. Zudem bemängelt die Kommission, dass in Rumänien die Korruption, gerade auch in den obersten Etagen der politischen Hierarchie, nicht ausreichend verfolgt werde. Die Arbeit der Ermittlungsbehörden im Justizapparat Bulgariens wird als nicht rechtsstaatlich kritisiert. Menschenrechte, Kinderbetreuung, die Situation psychisch kranker Menschen und die Lage der Minderheiten werden in beiden Ländern als verbesserungswürdig angesehen.

Der bulgarische sozialistische Abgeordnete Kristian Vigenin sitzt seit Ende September als Beobachter im Europaparlament. Auch er räumt ein, dass Rumänien gegenüber seinem Land aufgeholt habe. "Wir haben viel Zeit durch den Wahlkampf verloren. Nun haben wir eine neue pro-europäische sozialistische Regierung, die das wett machen wird", sagt er in Anspielung auf den Regierungswechsel im Juni. Die Kritik der EU-Kommission hält Vigenin für gerechtfertigt. "Es ist nicht so, dass wir unsere eigenen Schwächen nicht kennen würden." Ein Signal, dass der Beitrittstermin verschoben werde, sei der Bericht für ihn aber nicht.

Auch der rumänische Abgeordnete Ovidiu Victor Gant lobt den Bericht als ausgewogen. Er sitzt für die deutsche Minderheit im rumänischen Parlament. Seine Aufgabe als Politiker sei es, den Leuten klarzumachen, dass die Kommission ihre Noten nicht nach Sympathie verteile. "Bringen wir die Leistung, wird es kommen, wie wir es uns wünschen."

Die ökonomische Analyse der Kommission fällt in den beiden Länderberichten deutlich positiver aus als das Urteil über den politischen Fortschritt. Das Wirtschaftssystem sei stabil, in beiden Ländern gekennzeichnet durch hohes Wachstum, niedrige Inflation und sinkende Arbeitslosigkeit. Doch die steigende Verschuldung Bulgariens bereitet der Kommission Sorge. Dennoch sollte das Land in der Lage sein, seine Zusagen bis zum geplanten Beitrittsdatum zu erfüllen. Allerdings müssten die Sicherheitsstandards für Schiffe und Flugzeuge garantiert, die Lebensbedingungen für die Ärmsten verbessert und die Umweltverschmutzung durch Industriebetriebe gemindert werden. In Rumänien fehle es an Rechtssicherheit für Unternehmen und Investoren, juristische Entscheidungen von Wirtschaftskammern würden nicht konsequent umgesetzt.

Ernste Bedenken hat die Kommission noch bei der Lebensmittelhygiene und der Verteilung von Fördermitteln aus Brüssel. Die Strukturen seien betrugsanfällig. Dennoch soll Bulgarien im kommenden Jahr weitere 545 Millionen Euro als Hilfe zum politischen und wirtschaftlichen Umbau erhalten. Rumänien kann mit 1,155 Millionen Euro rechnen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlamentes, der konservative Abgeordnete Elmar Brok, bezeichnete die Zwischenbilanz der EU-Kommission als "gelbe Karte". Sein Kollege Pierre Moscovici von den Sozialisten hält das für übertrieben. "Die Fortschritte sind nicht gering. Aber es bleibt Anlass zur Besorgnis, vor allem was den Kampf gegen Korruption und den Schutz der Außengrenzen angeht."

Ein endgültiges Urteil, ob der 1. Januar 2007 als Beitrittstermin eingehalten werden kann, halten beide Politiker für verfrüht. Auch die EU-Kommission will erst im Frühjahr entscheiden, ob sie dem Rat empfehlen kann, den Beitrittszeitplan einzuhalten. Ovidiu Gant ist da optimistisch. Es sei zwar denkbar, dass einige Beitrittsrechte für eine Übergangszeit einschränkt würden. Doch eine Verschiebung auf den 1. Januar 2008 erwartet er nach diesem positiven Bericht nicht mehr. Der rumänische Abegordnete bleibt zuversichtlich: "Unter deutscher Präsidentschaft treten wir Anfang 2007 in die Union ein".

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