Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden
Dr. Wolfgang Götzer, CDU/CSU | Joachim Gres, CDU/CSU >> |
---|---|
Von Beginn meiner politischen Tätigkeit an habe ich gekämpft und demonstriert für die deutsche Einheit in Freiheit. Das Recht und die Möglichkeit für unsere Landsleute in der ehemaligen DDR, ihre Lebensform selbst zu bestimmen, war für mich immer eines der wichtigsten Anliegen und wesentlicher Grund für mein politisches Engagement überhaupt. Die Frage, wo nach einer wiederhergestellten Einheit Deutschlands Parlament und Regierung ihren Sitz haben sollten, spielte für mich dabei eine völlig untergeordnete Rolle. Nicht anders ging es, so glaube ich, den Landsleuten in der ehemaligen DDR bei ihren Demonstrationen im Herbst 1989: Sie wollten Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und deutsche Einheit. Die Menschen drüben haben sich über ihre Länder für den Beitritt und somit für den Staat des Bonner Grundgesetzes entschieden. Damit war keine Automatik hinsichtlich des Sitzes von Parlament und Regierung verbunden, und schon gar nicht gibt es hier eine historische oder moralische Zwangsläufigkeit. Wir haben in der neuen Bundesrepublik Deutschland diese Sachentscheidung zu treffen, und diese Entscheidung, so wichtig sie ist, sollte nicht hochstilisiert werden zu einer Abstimmung über Wohl und Wehe und die Zukunft Deutschlands. Im Gegensatz zu manchen, die uns angst machen wollen vor den Folgen der heutigen Entscheidung -- gleich wie sie ausgeht --, kann ich diese Befürchtungen nicht teilen und schon gar nicht Verständnis dafür aufbringen: Es macht das Wesen parlamentarischer Demokratie aus, daß das Parlament Entscheidungen trifft, auch wenn diese mit knappen Mehrheiten fallen sollten. Wer in diesem Zusammenhang von »Siegern« und »Besiegten« spricht, offenbart ein merkwürdiges Verständnis von parlamentarischer Demokratie. Ich habe auch das Gefühl, in einem anderen Land zu leben, wenn jetzt von tiefen Gräben und der Gefährdung des inneren Friedens in unserem Land gesprochen wird. Die Menschen sind an vielen anderen Themen mindestens so stark interessiert wie an der Frage, wo Parlament und Regierung ihren Sitz haben, und ich bin sicher, daß die heute zu fällende Entscheidung auch von denen, die unterliegen werden, akzeptiert werden wird. Wenn es Unmut gibt bei den Bürgern, dann höchstens deswegen, weil sie es langsam für an der Zeit halten, sich auch wieder anderen Themen zuzuwenden. Zum Inhaltlichen: Ich bin -- und da weiß ich mich mit der großen Mehrheit der CSU im Deutschen Bundestag einig -- gegen eine räumliche Trennung von Parlament und Regierung. Diese ist auf Dauer nicht praktikabel und weder den Betroffenen noch den Steuerzahlern zumutbar. Im übrigen ist Gewaltenteilung nicht geographisch zu verstehen. Die räumliche Trennung würde eher die Gefahr einer weiteren Verselbständigung der Exekutive mit sich bringen. Unstreitig gehört das Staatsoberhaupt in die Hauptstadt. Und auch die Verlegung des Bundesrates nach Berlin dokumentiert gerade die Bedeutung des Föderalismus in dieser Bundesrepublik. Für den Bonn-Antrag sprechen darüber hinaus sowohl historische als auch zukunftsweisende Gesichtspunkte. Dabei will ich ganz bewußt nicht immer wieder geäußerte Bedenken gegen Berlin ins Feld führen, wie etwa seine angebliche historische Belastung, die relativ nur sehr kurze Zeit, in der Berlin Hauptstadt Deutschlands ist, oder auch das Problem, dort innere Sicherheit zu gewährleisten. Ich habe den Bonn-Antrag unterschrieben, weil Bonn für das gelungenste demokratische Experiment und Modell in der deutschen Geschichte steht. Diesem Staat anzugehören war der größte Wunsch unserer Landsleute in der ehemaligen DDR und die entscheidende Triebfeder für die friedliche Revolution von 1989. Ein weiterer Grund: Föderalismus und Dezentralisierung passen zusammen -- Föderalismus und Metropole nicht. Im übrigen ist die Zeit der Metropolen vorbei und die Stunde der Regionen gekommen. Auch die Menschen in den neuen Ländern, die nicht unmittelbar in Berlin leben, hätten mehr Nachteile als Vorteile von einer Zentrierung der wirtschaftlichen und politischen Macht in Berlin zu erwarten; das zeigen alle Erfahrungen im Umland von Metropolen. Außerdem: Die Kosten einer Verlegung des Parlamentssitzes und damit über kurz oder lang auch des Regierungssitzes nach Berlin sind m. E. nicht zu rechtfertigen. Wir brauchen jede Mark für die neuen Länder, und die Menschen in meinem Wahlkreis jedenfalls haben wenig Verständnis dafür, daß in Berlin all das noch einmal gebaut werden sollte, was in Bonn bereits vorhanden, im Bau oder jedenfalls vergeben ist. Und wir haben Verantwortung für die Menschen in Bonn und Umgebung, für die eine Verlagerung nach Berlin mit Sicherheit erheblich größere Probleme bringen würde als für die Berliner eine Entscheidung des Deutschen Bundestages, in Bonn zu bleiben. Ja, ich bin der Meinung, wir tun den Berlinern gar nicht einmal soviel Gutes mit einer Ansiedelung von Parlament und Regierung dort, wenn ich etwa an die Verkehrs- und Wohnungsprobleme in Berlin denke. Aus all diesen Gründen und gerade auch wegen der Menschen in den neuen Ländern bitte ich Sie für die Bundesstaatslösung, also den Bonn-Antrag zu stimmen. |
|
Joachim Gres, CDU/CSU >> |