Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden
Wolfgang Kubicki, FDP | Dr. Klaus Kübler, SPD >> |
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Was gibt es eigentlich noch Neues zu sagen in einer Debatte, in der die Argumente öffentlich und auch heute hier bereits umfassend ausgetauscht wurden? Aus schleswig-holsteinischer Sicht kann ich nur sagen: Wir sind langsam reif -- für die Abstimmung. Bonn oder Berlin, kann dies überhaupt die Frage sein? Für einen jungen, nach dem Krieg geborenen Abgeordneten aus dem kühlen Norden ist es schon etwas verwunderlich, mit welch emotionaler Beteiligung die Debatte geführt wird. Hier sind uns vor allem die Rheinländer um einiges voraus. Ich möchte mich auf drei Punkte konzentrieren, die nach meiner Einschätzung für Berlin streiten, wobei Bonn für die vergangenen 40 Jahre eines hervorragenden Provisoriums zu danken ist. Erstens. Der Sitz eines Parlaments oder der Regierung hat keinen Einfluß auf die Qualität der Arbeit, die föderale Struktur eines Landes, das Demokratie- oder Rechtsstaatsverständnis. Wäre es anders, ich müßte auch gegen Bonn und nicht nur für Berlin streiten. Der Sitz müßte sich dann außerhalb Nordrhein-Westfalens befinden, dieses in den letzten 40 Jahren Bundesrepublik West doch alles in allem beherrschenden Gebildes. Wir sollten aufhören, mit Ressentiments in dieser Frage zu argumentieren. Es kommt immer und auch nur auf die Menschen an, die politisch Handelnden in Parlamenten und Regierungen. Ich habe keine Zweifel, daß zum Beispiel Ingrid Matthäus-Maier ebenso schnellzüngig wie scharf auch im Berliner Bundestag das Wort führen wird. Berlin ist nach dem Einigungsvertrag Hauptstadt. Parlament und Regierung sind das Haupt unserer Demokratie. Was soll eine Hauptstadt ohne Haupt? Zweitens. Wir fordern beständig westdeutsche und europäische Unternehmen auf, sich in Ostdeutschland zu engagieren, um die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in ganz Deutschland möglichst schnell herstellen zu können. Sie sollen vor allen Dingen auch ihre Headquarters, ihre Verwaltungszentralen dorthin verlegen. Dies tun wir, weil wir wissen, daß von solchen Verwaltungszentralen eine ungeheure Wirkung in die Region und auf die Region ausgeht. Welch ein Bild bieten Bundestag und Bundesregierung, jedenfalls in ihren wesentlichen Teilen, wenn sie selbst sich einer solchen Maßnahme enthielten, wenn sie selbst nicht mit gutem Beispiel vorangingen. Go east für Unternehmen, stay west für uns? Sämtliche Argumente, die die Bonn-Befürworter ins Feld führen, gelten in vergleichbarer Weise für die Verwaltungszentralen der bundesdeutschen Unternehmen, deren Umsiedlung wir doch befürworten. Drittens. Ich gehöre nicht zu einer Generation, die die Teilung Deutschlands als schmerzlich empfunden hat, weil ich geboren wurde, als diese Teilung bereits bestand. Ich kann mich aber noch gut -- und dies bis in die letzte Zeit der real existierenden DDR hinein -- daran erinnern, daß Politiker aller Parteien -- insbesondere aber solche der Union und dies Unisono -- uns zum Tag der Einheit mahnten. Ich erinnere mich an die Fackelzüge, die zur deutsch-deutschen Grenze organisiert wurden -- übrigens von der Jungen Union und nicht von den schwarzen Panthern. Ich erinnere mich an die Reden, in denen die Wiedervereinigung nicht nur als Verfassungsziel proklamiert wurde, sondern zur Aufgabe eines jeden Politikers. Ich erinnere mich daran, daß Berlin nicht nur Symbol der Freiheit war, sondern vor allen Dingen deutsche Hauptstadt, an der nach der Wiedervereinigung Regierung und Parlament ihren Sitz nehmen würden. Ich erinnere mich noch gut an die Debatten um den Grundlagenvertrag, an die Debatten um die Einrichtung eines Umweltbundesamtes in Berlin, an die Notwendigkeit von Fraktions- und Ausschußsitzungen im Reichstag und vieles mehr. Soll dies alles wirklich nicht ernst gemeint gewesen sein? Wollen allen Ernstes gerade die Kolleginnen und Kollegen der Union, denen man insoweit wenigstens glaubte, auch wenn man sie belächelte, erklären, nachdem der Wille zur Einheit Deutschlands sich erfüllt habe, bedürfe es nicht mehr der Dokumentation dieses Willens durch Rückkehr von Parlament und Regierung nach Berlin, um damit die Deutsche Einheit wirklich zu vollenden? Die sozialen Fragen, die menschlichen Probleme, die durch eine Verlagerung entstehen, sie sind gewichtig und ernst zu nehmen. Ebenso aber auch die Enttäuschung vieler, die wenigstens in dieser Frage den Politikern vertrauen wollten. Die Kostendebatte erinnert mich -- und dies bitte ich nicht polemisch zu verstehen -- fatal an die Diskussion des letzten Jahres über die Kosten der Einheit, die einen psychologischen Flurschaden ungeahnten Ausmaßes angerichtet hat. Sie ist auch wirtschaftlich unsinnig, weil statisch und nicht dynamisch. Die Kosten eines Umzuges, sie wären Kosten der Vergangenheit, eines verlorenen Krieges, der Teilung Deutschlands und ihrer Überwindung. Sie wären aber zugleich auch Investitionen in eine neue Zukunft, nicht nur Berlins, sondern des vereinten Deutschlands. |
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Dr. Klaus Kübler, SPD >> |