Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden
Dr. Rolf Olderog, CDU/CSU | Jan Oostergetelo, SPD >> |
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Lange Zeit war ich hin- und hergerissen. Doch je länger ich darüber nachdachte, um so bestimmender wurde für mich eine Frage: Bin ich wirklich in dieser Entscheidung noch frei? Habe ich nicht in Reden zur Deutschlandpolitik, zum Tag der Deutschen Einheit stets meine Zuhörer geradezu beschworen, am Willen zur deutschen Einheit unbeirrt und konsequent festzuhalten? Und habe ich nicht immer wieder ein Bekenntnis zu Berlin abgelegt, für diese tapfere und eindrucksvoll um ihre Selbstbehauptung und Freiheit kämpfende Stadt? Habe ich nicht unter dem großen Beifall meiner Zuhörer immer wieder erklärt, daß Berlin eines Tages im vereinten Deutschland wieder die Hauptstadt aller Deutschen sein werde? Es lohnt sich für jeden einzelnen, einmal genau nachzulesen, was wir in unseren Reden gesagt haben. Sicher, wir wollten den Berlinern Mut machen. Aber wir haben diese Ermutigung doch nicht als psychologischen Trick verstanden. Ich habe das so ernst gemeint, wie ich es gesagt habe. Und ich bin sicher, das gilt für fast alle anderen Kolleginnen und Kollegen, die in der Vergangenheit zu diesem Thema gesprochen haben. Soll ich heute meinen Wählerinnen und Wählern sagen, das damals sei in Wahrheit nicht ernst gemeint gewesen? Sei allein taktisch bedingte Rhetorik gewesen? -- Nein, für mich war es ein ernsthaftes Versprechen, gerade für den Fall, daß wir eines Tages wirklich wieder die Einheit Deutschlands erlangen würden! Schämen müßte ich mich, wollte ich das heute nicht mehr wahrhaben. Müßten die damaligen Zuhörer mich heute nicht verachten, wenn ich mit solchen Ausreden vor sie träte? Müssen in Zukunft die Zuhörer meiner Reden und die Leser meiner Pressemitteilungen jedesmal fragen, ob und inwieweit ein von mir gegebenes Wort nur rhetorischer Kunstgriff ist und nicht wirklich ernst gemeint? Wissen wir eigentlich, was wir der Glaubwürdigkeit unserer Politik antun, wenn wir uns bei dieser wichtigen, heute anstehenden Entscheidung mit spitzfindigen Formulierungen aus der Verbindlichkeit eines einmal gegebenen Wortes herauswinden? Ich möchte nachdrücklich betonen: In den 10 Jahren meiner Zeit als Bundestagsabgeordneter habe ich hier in Bonn ausgesprochen gern gearbeitet. Ich erkenne ausdrücklich an, die Diskussion um Bonn oder Berlin ist redlich und insgesamt auch fair geführt worden. Niemand hat mich unter Druck gesetzt. Ich verstehe sehr gut die Sorgen und Ängste der Bonner. Ich weiß, welche menschlichen Härten, welche sozialen Probleme es bedeutet, wenn 100 000 Menschen von Bonn nach Berlin ziehen müssen. Und wer will eigentlich leugnen, daß die 50 oder 60 Milliarden DM statt für Parlaments- und Regierungsbauten in Berlin besser für Schulen, Kindergärten, Altenheime, Arbeitsplätze und Betriebe in den neuen Ländern einzusetzen wären? Das sind in der Tat gewichtige Argumente für Bonn. Aber: Dem moralischen Argument, daß wir im Wort stehen, haben die Bonn-Befürworter kein Argument von gleichem Gewicht entgegenzusetzen. Spüren wir nicht ohnehin schon, wie sehr Distanz und auch Mißtrauen vieler Bürgerinnen und Bürger gegenüber Politik, Parlament und Regierung zunehmen? In den letzten Tagen habe ich aus meinem Wahlkreis eine große Zahl von Telefonanrufen und Briefen erhalten. Manche Gesprächspartner konnten es gar nicht fassen, daß ernsthaft an eine Entscheidung für Bonn gedacht sei. Und: Sie und ihre Familien würden nie wieder zur Wahl gehen, wenn es nicht eine Entscheidung für Berlin gäbe. Ich bitte Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu erkennen, wie viele Bürger und Bürgerinnen in ihrem Vertrauen in den demokratischen Staat erschüttert sein werden. Wir alle tragen Verantwortung für die Glaubwürdigkeit unseres Staates. Deshalb bitte ich Sie: Stimmen Sie für Berlin! |
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Jan Oostergetelo, SPD >> |