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Detlev Lücke
Aufgekehrt...
"Du bist verrückt, mein Kind, Du musst nach Berlin. Wo die
Verrückten sind, da jehörste hin." Wer denkt nicht gern
an diesen hymnischen Gesang, wenn er von den neuesten Ereignissen
aus der deutschen Hauptstadt hört. Okay, der Regierende
Bürgermeister Klaus Wowereit wusste in einer Quizsendung
nicht, wie man Rhythmus schreibt. Das ist angesichts der
zunehmenden Kreolisierung unserer Muttersprache, wie es ein
Leipziger Linguist nennt, keine Schande mehr. Auch dass er sich bei
den Grundrechenarten vertan hat, ist verzeihlich. Punkt geht vor
Strich! Solche Blödsinnsregeln kennt nur die Mathematik, und
für solche Dinge hat er seinen Finanzmenschen Sarrazin. Aber
dass er nicht gewusst hat, wann der Zweite Weltkrieg begann, ist
für einen Politiker jener Metropole, von der die Sache
ausging, schon blamabel. Vielleicht sollte Klaus Wowereit froh
sein, dass er nicht noch gefragt wurde, wie lange der
30-jährige Krieg dauerte.
Andererseits: Haben die bedauerlichen Blackouts des Regierenden
nicht auch etwas Tröstliches? Nach dem PISA-Schock weiß
nun jeder Berliner Hauptschüler, dass auch ihm der Weg zur
höheren Laufbahn nicht verwehrt ist. Gibt jedoch schon die
historische Unbeschlagenheit Wowereits dem interessierten
Zeitgenossen so manches Rätsel auf, ist auch das
Verwaltungshandeln in der Stadt an der Spree voll undurchsichtiger
Ratschlüsse. Seit über fünf Jahren kämpft ein
eher banaler Bratwurststand um seine Existenz. Erst versorgte er
ebenso hungrige wie sparsame Politiker am Pariser Platz. Auch
Finanzminister Eichel wurde dort des öfteren gesehen. Dann
mussten die Wurstmaxes weichen. Wegen der Würde des Platzes
vorm Brandenburger Tor! Der sieht inzwischen aus wie ein
Schlachtfeld, weil die so genannte Kanzler-U-Bahn gebaut wird. Die
Bratwürste verschlug es erst knapp vor den Reichstag, aber
auch da war es zu würdig, dann vor den Tiergarten. Die Kunden
zogen mit. Jetzt soll die Currywurst ganz verschwinden. Dabei
hätte der US-Präsident beinahe Kerry geheißen! Ein
Kiosk soll den Schandfleck ersetzen, wenn es nach den
Lokalpolitikern geht. Sie wollen bei dieser Gelegenheit auch gleich
den Bundespressestrand entsorgen, wo man an lauen Sommerabenden mit
einem Glas Caipirinha den Ausflugsdampfern auf der Spree zuprosten
konnte. Es habe Beschwerden gegeben, von zwölf Bürgern.
Oder waren es 14? Insgesamt haben tausende Leute dort ihren
vergleichsweise harmlosen Spaß gehabt. Auch sei den
Verwaltungslöwen irgendein Geruch aufgestoßen. Wenn man
seine Nase überall reinsteckt...
Angesichts dieser Malaisen bleibt nur ein Wunsch. Wäre es
nicht möglich, dass die Föderalismuskommission, wenn sie
schon nicht den Hauptstadt-Status Berlins als Aufgabe von Bund und
Ländern regeln wollte, sie dann wenigstens den Erhalt der
Wurstbude und des Bundespressestrandes mit Bestandsgarantie ins
Grundgesetz schreibt? Das wäre doch ein Anfang auf dem
gemeinsamen Weg von Politik und Bürgern, bei dem es
ständig um die Wurst geht.
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