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Eva Haacke
Vom schwierigen Leben auf Pump
Städte und Kommunen sind hoch verschuldet:
Einige beängstigende Details
Den meisten Städten und Gemeinden geht es nicht besser als
vielen ihrer Einwohner: Sie leben auf Pump. Defizite und
Verschuldung der öffentlichen Haushalte in Deutschland haben
Rekordniveau erreicht. München steht mit rund 2,1 Milliarden
Euro in der Kreide, Frankfurt mit 1,9 Milliarden, Leipzig mit knapp
900 Millionen und Halle mit über 316 Millionen. Das sind nur
einige Beispiele: Bundesweit belaufen sich die Schulden der
Städte und Gemeinden auf über 100 Milliarden Euro. Und
dies besagt nur die offizielle Statistik; real sind sie weit
höher.
Der hohe Schuldenstand ist umso verblüffender, denn streng
genommen dürfen sich Kommunen nur soweit verschulden, dass sie
neben den laufenden Ausgaben dauerhaft den gesamten Schuldendienst
(Zinsen und Tilgungen) aus den Einnahmen ihres Verwaltungshaushalts
leisten können. Die Folge ist, dass strukturschwache
Städte mit schwacher Steuerkraft und hohen
Sozialhilfebelastungen wesentlich geringere
Verschuldungsmöglichkeiten besitzen als vergleichbare
Städte mit hoher Wirtschaftskraft. Doch das gilt mittlerweile
nur noch in der Theorie. Wie kommt es zu der hohen
Verschuldung?
"Tatsächlich ist es leider fast schon üblich, dass
Städte mit defizitären Haushalten zum Teil über
mehrere Jahre zur Finanzierung ihrer laufenden Ausgaben auf
Kassenkredite zurückgreifen", sagt Volker Bestlein, Sprecher
des Deutschen Städtetages. Einen Kassenkredit kann man sich
wie einen Überziehungskredit beim Girokonto vorstellen, nur
dass Städte und Gemeinden zwei bis drei Prozent Zinsen zahlen,
während der Normalbürger mit zwölf und mehr Prozent
dabei ist.
Viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen vertuschen nach
Einschätzung des Bundes der Steuerzahler ihren wahren
Schuldenstand mit Hilfe von Kassenkrediten. "Bezieht man diese
Kredite mit ein, betragen die Schulden der Städte und
Gemeinden in NRW fast 32 Milliarden Euro", erklärt
Haushaltsexperte Eberhard Kanski vom Steuerzahlerbund. "Offiziell
ausgewiesen werden aber nur 25 Milliarden Euro." In machen
Städten übersteigen die kurzfristigen Kredite die
langfristigen Schuldverpflichtungen: In Wuppertal etwa stehen den
langfristigen Verbindlichkeiten von 463 Millionen Euro
zusätzliche Kassenkredite von rund 498 Millionen Euro
gegenüber - insgesamt also 961 Millionen Euro Schulden.
Oberhausen hat 340 Millionen Euro langfristige Schulden und muss
610 Millionen Euro kurzfristige Kredite bedienen. Das wahre
Ausmaß der Verschuldung wird so verschleiert.
Eigenbetriebe in der Kreide
Ähnlich trübe ist das Bild in Hessen: Die fünf
großen hessischen Städte sind wesentlich höher
verschuldet, als offiziell ausgewiesen. Frankfurt, Wiesbaden,
Kassel, Darmstadt und Offenbach kommen im Jahr 2004 real auf knapp
5,18 Milliarden Euro Schulden und damit auf etwa zwei Milliarden
mehr als in der amtlichen Statistik. Bundesweit werden
durchschnittlich bereits 17 Prozent der Schulden über
Kassenkredite finanziert. In den neuen Bundesländern verlief
die Verschuldung noch rasanter als im Westen: Bereits nach
fünf Jahren standen sie - je Einwohner gerechnet -
annähernd so hoch in der Kreide wie die westdeutschen Kommunen
nach 45 Jahren. Tendenz: steigend. So wuchsen die Kredite in
Mecklenburg-Vorpommern 2004 auf 10,6 Milliarden Euro; von den sechs
kreisfreien Städten schafft nur Stralsund einen ausgeglichenen
Haushalt. In Brandenburg finanziert etwa Cottbus 42,3 Prozent
seines Verwaltungshaushalts über Kassenkredite, in
Eisenhüttenstadt sind es 41,5 Prozent.
Ein anderer, beliebter Weg der Kreditaufnahme ist die
Verschuldung von städtischen Eigenbetrieben und
Krankenhäusern, "die ebenfalls nicht in der Statistik
auftauchen, obwohl die Städte für diese ausgelagerten
Schulden voll verantwortlich sind", sagt Ulrich Fried, Chef des
hessischen Steuerzahlerbundes. Überall lauern solche
finanziellen Tretminen, und die Belastungen kumulieren sich von
Jahr zu Jahr. Zum größten Problem der Kommunalhaushalte
entwickeln sich die Soll-Fehlbeträge. Das sind die
höheren laufenden Ausgaben früherer Jahre, die erst im
Nachhinein zu finanzieren sind. Diese "Verlustvorträge" - ein
weiteres Instrument, um einen Haushaltsplan besser aussehen zu
lassen, als er ist - wuchsen in den 160 größten
Städten Deutschlands 2004 um fast elf Prozent.
Als "Vorzeige-Schuldenberater" wenn es um städtische
Finanzen geht, gilt laut der "Welt am Sonntag" der
Düsseldorfer Oberbürgermeister Joachim Erwin. Zum
sechsten Mal in Folge präsentierte er einen ausgeglichenen
Haushalt. Die Verbindlichkeiten Düsseldorfs sind seit seinem
Amtsantritt von 1,6 Milliarden auf 989 Millionen Euro gesunken. Die
Stadt zahlt rund 36 Prozent weniger Zinsen als noch vor fünf
Jahren. Erwins Konzept ist vielschichtig. Erstens geht er
unkonventionelle Wege. Gerade hat er zum Beispiel eine
Wandelanleihe auf die RWE-Aktien der Stadt aufgenommen. Zweitens
setzt er auf die Privatisierung kommunalen Vermögens. Einen
Teil der Stadtwerke verkaufte Erwin für rund 450 Millionen
Euro; das Geld floss komplett in die Entschuldung. Drittens hat er
eisernes Sparen als Devise ausgegeben.
Viertens nutzt Erwin so genannte
Cross-Boarder-Leasing-Geschäfte, das heißt, er hat
Düsseldorfs Straßenbahnschienen und Tunnel an einen
ausländischen Investor verkauft, der rund zwei Milliarden
Dollar investierte und daraus im Heimatland Steuervorteile ziehen
kann. Schließlich gibt es für fragwürdige
Großprojekte keine Subventionen. Mit Investoren verhandelt
Erwin direkt, er hasst Dienstwege. Die Bürger sind jedenfalls
zufrieden mit dem Schuldenabbau: Trotz Ärger um Erwins
persönliche Steuererklärung wurde er Ende September
vergangenen Jahres glatt wiedergewählt.
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