Sylke Wagner
Wenn's um Geld geht, fallen die Hemmungen
Die Sparkassen sind ein bedeutendes Element zur
kommunalpolitischen Steuerung und ein wichtiger Geldgeber für
Mittelstand, Vereine und Kultur
30 bis 50 Millionen Euro sollte der Verkauf der Sparkasse der
hoch verschuldeten Hansestadt Stralsund in die leeren Kassen
spülen. Doch die Schweriner Landesregierung hat das lukrative
Geschäft vereitelt. Zum Jahreswechsel fusionierte das Institut
nun mit der Sparkasse Vorpommern. Statt der erhofften Finanzspritze
für den sanierungsbedürftigen Stadthaushalt muss der Rat
mit einem weiteren Minus in der Kasse rechnen. Denn allein 2002 hat
die Sparkasse einen Verlust in Höhe von 13 Millionen Euro
produziert.
Der Versuch der Stralsunder Stadtväter, ihr
defizitäres Kreditinstitut Gewinn bringend loszuschlagen, hat
die Debatte um die Rolle der Sparkassen erneut entfacht. Der
Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) lehnt die
Privatisierung der öffentlichen Institute rundweg ab. Der
Grund: Die Kommunalpolitiker fürchten, dies würde die
flächendeckende Versorgung des Mittelstandes mit Krediten und
Finanzdienstleistungen gefährden. Immerhin führen 75
Prozent der Mittelständler ein Geschäftskonto bei ihrer
örtlichen Sparkasse. Diese stellen rund 40 Prozent aller
Kredite an Unternehmen und Selbstständige zur Verfügung.
Bei der Kreditvergabe an Handwerksbetriebe erreichen die
öffentlichen Institute sogar eine Quote von 67 Prozent.
Für die Kommunen seien die Sparkassen "Instrument und
Partner für eine gute Wirtschaftspolitik vor Ort",
argumentieren diese. Eine Privatisierung hätte zudem negative
Auswirkungen auf Kultur- und Sportsponsoring, so die
Befürchtung der Kommunalpolitiker. Die Sparkassen sind vor Ort
häufig die wichtigsten Geldgeber für Sportvereine,
soziale Einrichtungen, Kunst und Kultur. Die Sparkassenfinanzgruppe
unterhält mehr als 500 Stiftungen und ist damit der
größte Förderer von Kunst und Kultur in Deutschland.
Allein 2001 wandten die Kreditinstitute 340 Millionen Euro für
Sponsoring auf. "Alle diese Vorteile des bestehenden kommunalen
Sparkassenmodells könnten bei einer Privatisierung verloren
gehen", sieht der Städte- und Gemeindebund wirtschaftliche und
regionalpolitische Projekte in Gefahr.
Die Befürworter einer Privatisierung wie der Chef des
Bundesverbandes Deutscher Banken, Rolf Breuer, richten das
Augenmerk allerdings weniger auf den öffentlichen Auftrag der
Sparkassen, sondern vielmehr auf die Position der deutschen Banken
im internationalen Geschäft. Solange es ein Nebeneinander von
Privatbanken, Sparkassen und genossenschaftlichen Instituten gebe,
werde es auch keine Konsolidierung im deutschen Bankensektor geben,
ist Breuer überzeugt. Er gibt der Struktur des deutschen
Bankensystems die Schuld an den im internationalen Vergleich
geringeren Gewinnmargen der Kreditinstitute.
Durch eine Übernahme der Sparkassen könnten die Banken
im krisensicheren Privatkundengeschäft ähnliche
Größenordnungen wie ihre internationalen Konkurrenten
erreichen, glaubt der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank -
möglicherweise zu Lasten günstiger Kredite für den
Mittelstand. Dabei gehe es jedoch nicht darum, den
Sparkassen-Sektor unter den privaten Banken aufzuteilen. Der
Bankenverband dränge vielmehr darauf, den Sparkassen volle
unternehmerische Freiheit zu geben, damit diese selbst entscheiden
können, mit wem sie zusammengehen wollen, versucht er den
Eindruck einer feindlichen Übernahme zu zerstreuen.
Breuer vergisst bei seiner Argumentation jedoch, dass gerade die
Großbanken wie etwa die Deutsche Bank in den vergangenen
Jahren das Privatkundengeschäft zurückgefahren und
Filialen vor Ort geschlossen haben. Nicht ohne Grund: Die Betreuung
der Privaten ist zwar krisensicher, aber auch kostenintensiv. Die
rund 500 Sparkassen unterhalten bundesweit rund 16.000 Filialen und
beschäftigen etwa 280.000 Mitarbeiter. Das ausgedehnte
Filialnetz schlägt sich in hohen Verwaltungskosten nieder.
Bevor Sparkassen allerdings überhaupt erst privatisiert
werden können, müssten zunächst die
Länderparlamente einer Änderung der geltenden
Sparkassengesetze zustimmen und sie von ihrem öffentlichen
Auftrag entbinden. Mit dieser Argumentation sehen sich die Gegner
eines solchen Schrittes auf der sicheren Seite. Denkbar wäre
ein Modell nach österreichischem Vorbild. Dort sind Stiftungen
oder Vereine Träger der Sparkassen. Die Institute agieren wie
jede andere Bank am Markt, sind jedoch verpflichtet, einen Teil
ihrer Gewinne für gemeinnützige Zwecke zu verwenden.
Der Städte- und Gemeindebund setzt in der Diskussion um die
Privatisierung der Sparkassen vor allem auf die Weitsicht der
Ratsherren. Ein Verkauf der kommunalen Kreditinstitute füllt
zwar die kommunale Kasse. Doch dies ist nur ein Einmaleffekt. Zudem
dürfen Städte und Gemeinden den Erlös nicht zur
Sanierung des Haushaltes verwenden, sondern sind laut
Sparkassengesetz verpflichtet, ihn für gemeinnützige
Aufgaben oder kulturelle Projekte einzusetzen. Diese Regelung
dürfte den Anreiz für viele Kommunen erheblich
verringern, ihre Sparkassen an Privatbanken zu verkaufen.
Doch auch für die Sparkassen wird das Geschäft
schwieriger. Für Städte und Gemeinden bedeutet dies, dass
sie sich künftig auf geringere Gewinne bei ihren
Kreditinstituten einstellen müssen. Denn die Europäische
Kommission hat entschieden, dass die staatliche Haftung für
Sparkassen und Landesbanken ab diesem Jahr entfällt.
Brüssel sieht darin eine unerlaubte staatliche Beihilfe und
infolge dessen Wettbewerbsverzerrungen.
Durch diese Entscheidung geraten die öffentlich-rechtlichen
Kassen stark unter Druck. Der Zugang zu günstigem Geld wird
für die Sparkassen erschwert. Sie werden sich unter wachsendem
Wettbewerbsdruck umstrukturieren und in einem sich wandelnden Markt
neu positionieren müssen. Die Dienstleistungsgewerkschaft
Verdi sieht bereits Arbeitsplätze in Gefahr. Wenn auch die
Privatisierung der Sparkassen nach der Debatte um das Stralsunder
Institut zunächst vom Tisch ist, werden weitere Fusionen der
öffentlich-rechtlichen Banken kaum zu vermeiden sein.
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