Christiane Schulzki-Haddouti
Das virtuelle Rathaus hat bisher nur
beschränkte Öffnungszeiten
Beim E-Government haben die Kommunen noch
Entwicklungspotenzial
Flächennutzungspläne einsehen und Angebote abgeben,
Ratsversammlungen besuchen und Petitionen einreichen, Auto ummelden
und Mülltonne bestellen: All das sollen Unternehmen und
Bürger einmal online erledigen können, wenn es nach dem
Willen der Kommunen geht. Doch in welchem Maße sind sie
wirklich schon vernetzt?
Im Sommer 2003 beschloss die Ministerpräsidentenkonferenz
die "Strategie DeutschlandOnline". Bürger sollen bis 2005 mit
jeder Behörde auf elektronischem Wege kommunizieren
können, untereinander sollen alle Behörden ab Ende 2007
kommunizieren können. 2008 schließlich sollen alle
geeigneten Verwaltungsverfahren online bereitstehen. Die Kommunen
konnten in den vergangenen Jahren bereits deutliche Fortschritte
erzielen: Inzwischen gibt es in den allermeisten Städten und
Gemeinden umfangreiche Informationsangebote. Viele Formulare sind
im Netz verfügbar, zahlreiche Behörden sind per E-Mail
erreichbar. Komplette Online-Transaktionen sind hingegen noch
selten. Hier ist nicht nur eine komplexe Technik, sondern auch die
Abstimmung über mehrere Verwaltungsebenen hinweg gefordert.
Zwar gibt es bereits einige Entwicklungen aus Pilotprojekten, doch
der flächendeckende Roll-Out lässt noch auf sich
warten.
Professor Herbert Kubicek von der Universität Bremen weist
darauf hin, dass Deutschland "im internationalen Vergleich von
E-Government-Lösungen regelmäßig relativ schlecht
abschneidet". Wo integrative, Behörden übergreifende
Lösungen gefragt seien, wären andere Staaten sehr viel
weiter. Busso Grabow vom Deutschen Institut für Urbanistik
(Difu) hingegen meint, dass sich gutes E-Government nur an
bestimmten Zielvorstellungen wie Sicherheit, Wirtschaftlichkeit
oder Bürgerbeteiligung messen lasse. Er hält das
schlechte Abschneiden Deutschlands in den Benchmarking-Studien
für teilweise unbegründet, da bestimmte Dienstleistungen
von den Studien gar nicht erfasst werden: "Je nachdem wo man guckt,
findet man andere Vorreiter."
Im Bereich der Bürgerbeteiligung etwa ist Deutschland nicht
so weit wie Frankreich und Finnland, die komplette Integration von
E-Government haben die USA und Großbritannien schneller
gelöst. Nach einer Untersuchung des Difu nimmt Deutschland
gemessen an zehn Erfolgsfaktoren wie Strategie, Organisation,
Nutzen und Kosten und Rechtmäßigkeit allerdings gemeinsam
mit den USA, Großbritannien und Finnland international sogar
eine Spitzenposition ein. Gleichwohl ist in der Bundesrepublik der
Abstand einiger weniger Vorreiterkommunen zum Landesdurchschnitt
noch relativ groß.
Entwicklungsschwerpunkt Sicherheit
Deutschland hat seinen Entwicklungsschwerpunkt zunächst auf
den Bereich Sicherheit gelegt. Busso Grabow räumt ein: "Das
hat zwar zunächst andere Entwicklungen verzögert, doch
viele Länder orientieren sich nun in diesem Bereich nach
Deutschland, da man Sicherheit bei der Abwicklung sicherer,
rechtsverbindlicher Dienste zwischen Verwaltung und Büger
braucht." Derzeit gebe es zwar noch "keine vernünftige
Anwendungssituation" zwischen Bürger und Verwaltung, doch
zwischen Unternehmen und Verwaltung gebe es einige
Anwendungsfälle. In der Media@komm-Stadt Bremen wurden jedoch
bereits bis Herbst 2003 50.000 Signaturtransaktion
durchgeführt, davon 48.500 im Business-Bereich. Die meisten
Transaktionen entfielen auf Online-Mahnverfahren. Grabow: "Für
jeden Rechtsanwalt und Notar ist das Online-Mahnverfahren ein
Massenverfahren, das den Postweg und damit Zeitverzögerungen
ausschaltet." Im Frühjahr 2003 standen den Nutzern in den
Media@Komm-Städten Bremen, Esslingen und im Städteverbund
Nürnberg insgesamt rund 150 signierfähige Anwendungen zur
Verfügung. Außerhalb von Media@Komm finden sich hingegen
nur ein gutes Dutzend Praxisbeispiele für die Anwendung der
elektronischen Signatur.
Konkret konnten in Bremen durch die Einführung des
Online-Mahnverfahrens im Amtsgericht 60 Prozent der
Personalkapazitäten eingespart werden. Von der elektronischen
Verfahrensabwicklung sowie des elektronischen Austauschs mit
anderen Behörden versprechen sich die Kommunen in Zeiten
knapper Kassen neben einer gesteigerten Produktivität vor
allem Kosteneinsparungen und höhere wirtschaftlicher
Leistungserstellung. Umfassende Wirtschaftlichkeitsberechnungen
gibt es zwar nicht, jedoch selektive Rechnungen und
Abschätzungen. Franz-Reinhard Habbel vom Deutschen
Städte- und Gemeindebund prognostiziert etwa, dass durch
konsequente Vernetzung und die Bereitstellung von Services im Netz
bis zum Jahre 2010 bis zu 20 Prozent der Kosten eingespart werden
könnten. Das Einsparungspotenzial ist groß, denn immerhin
geben die Kommunen mit ihren 1,5 Millionen Mitarbeitern
jährlich mehr als 70 Milliarden Euro für Personal- und
Sachkosten aus.
Im Bereich der elektronischen Beschaffung gehen Experten davon
aus, dass der Staat zwischen fünf und zehn Prozent einsparen
kann. Aber auch die Firmen sollen sparen können: Im Schnitt
kostet der Bezug von Vergabeunterlagen zwischen 30 und 150 Euro.
Online sollen die Firmen nur einmalig ähnlich hohe Kosten
für die Signaturkarte und das Kartenlesegerät aufbringen.
Nach Informationen des IT-Branchenverbandes Bitkom informieren sich
jedoch erst 30 Prozent der Unternehmen über Online-Medien, 45
Prozent der mittelständischen Unternehmen greifen "bei der
Suche" nach öffentlichen Aufträgen auf neue
Informationskanäle zurück. "Die Bieter nutzen doch lieber
weiter die herkömmlichen schriftlichen Verfahren, weil sie die
Vorteile der elektronischen Beschaffung nicht erkennen oder ihnen
diese nicht ausreichen", sagt Bitkom-Experte Pablo Mentzinis:
"Intelligente Lösungen wie Plausibilitätstests oder
zentrale Formularserver können sowohl für die Unternehmen
als auch für die öffentliche Hand deutliche
Erleichterungen bringen."
Kommunen können E-Government auch als eine Art
Standortmarketing begreifen, wenn sie online ihre spezifischen
Stärken herausstellen. So erlaubt etwa die Website der
Wirtschaftsregion Fulda Unternehmen, online geeignete
Gewerbeflächen auszusuchen - nach den Kriterien Preis,
Fläche und Entfernung zur Autobahn. Die Website von
Neubrandenburg hat mit geografischen Karten freie Flächen und
Gewerbegebiete in Detailkarten ebenfalls strukturiert und
informativ aufbereitet. Das Angebot der Wirtschaftsförderung
Bad Wildung hingegen bietet umfangreiche Informationen zur
Wirtschaftsförderung und -beratung.
E-Government kann aber auch mehr E-Demokratie bedeuten: Wird das
virtuelle Rathaus nicht nur zur Informationsvermittlung, sondern
auch für die elektronisch unterstützte Willensbildung und
Meinungsäußerung genutzt, sorgt dies für mehr
Transparenz und Bürgerbeteiligung. Die Teilhabe am kommunalen
Leben via Internet kann informell über Chats, Foren oder
Umfragen zu aktuellen kommunalen Themen laufen. Praktisch keine
Rolle spielen Online-Wahlen. Die Stadt Dortmund etwa hat ein
städtisches Call-Center eingerichtet und ermöglicht eine
Bürgerbeteiligung in mehr als 100 Projekten, vom
Flächennutzungsplan über die Freiwilligenagentur bis hin
zur Familienpolitik.
Eine im Oktober 2004 veröffentlichte Studie zur
elektronischen Bürgerbeteiligung zeigt, dass fast alle
großen Kommunen ihre Bürger per Internet an
Entscheidungen beteiligen. Allerdings stellte sie auch fest, dass
zwar vielerorts Meinungen abgefragt werden, diese jedoch oft
ungehört im politischen Prozess verpuffen. Solche
"Schein-Beteiligung" verstärke jedoch die zunehmende
Enttäuschung von der Politik, warnten die Verfasser der
Studie, darunter das Fraunhofer E-Government-Zentrum und das
Internetportal politik-digital.de. Für Helmut Drüke vom
Difu steht fest: "Deutschland steht beim kommunalen E-Government
erst am Beginn des Weges." Es müsse dringend konsequent auf
den elektronischen Geschäftsverkehr umstellen und dabei eine
große Anzahl von Nutzern beteiligen. Denn nur mit einer
kritischen Masse können Effizienzgewinne erzielt werden. Und
erst wenn sich die Umstellung auf elektronische Workflows rechnet,
können auch Projekte der elektronischen Beteiligung finanziert
werden.
Die Autorin ist freie Fachautorin und Hochschuldozentin in
Bonn.
www.wirtschaftsregionfulda.de; http://neubrandenburg.de;
www.win-bad-wildungen.de
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