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Bert Schulz
Editorial
Wer sich in Deutschland mit Kommunalpolitik beschäftigt,
hat einen schweren Stand: Stadt- oder Gemeinderäte, die oft
viele Stunden ihrer Freizeit opfern, werden selten durch einen
hohen Bekanntheitsgrad belohnt, von breiter Anerkennung für
ihre ehrenamtlichen Dienste ganz zu schweigen; auch die Beteiligung
bei Kommunalwahlen fällt meist deutlich ab gegenüber
Bundes- und Landtagswahlen. Politologen, die sich wissenschaftlich
dieser "untersten" Ebene der Politik nähern, werden
häufig von ihren Kollegen ebenso niedrig angesehen. Und die
großen meinungsbildenden Zeitungen räumen der
Kommunalpolitik vergleichsweise wenig Raum ein.
Wie prekär die finanzielle Lage der meisten Städte und
Gemeinden inzwischen ist, lässt sich schon daran erkennen, wie
häufig sie in dieser Themenausgabe aufgegriffen wird. Zwar ist
Geld in der Politik fast immer der Punkt, um den sich letztlich
alles dreht. Es ist aber trotzdem auffallend, wie häufig in
den Artikeln dieser Ausgabe von Ansprüchen die Rede ist, die
letztlich nur noch schwer oder gar nicht mehr umgesetzt werden
können. Das liegt daran, dass in vielen Städten und
Gemeinden Leistungen und Angebote reduziert wurden und werden -
dass also gekürzt wird, bereits bestehende Erwartungen
enttäuscht werden und der Verteilungskampf ausbricht.
Die Bürgerinnen und Bürger bekommen die Auswirkungen
der leeren Kassen unmittelbar zu spüren, und das meist
schneller als die - häufig als Reformen vermittelten -
Kürzungen, die auf bundespolitischer Ebene beschlossen werden.
Schlag- löcher, die lange nicht geflickt werden,
Schwimmbäder und Theater, die schließen müssen,
Kindergärten, die teuerer werden, Beratungsstellen, die mit
drastisch reduzierten Personalbestand arbeiten müssen - die
Folgen des Geldmangels sind allzu häufig allzu deutlich
sichtbar. Selbst vermeintlich reiche Kommunen haben inzwischen
lernen müssen, mit Haushaltssperren umzugehen.
Die eingangs erwähnte Nischenposition der Kommunalpolitik
ist also umso erstaunlicher, als alle Bürger in Deutschland
davon betroffen sind. Jeder lebt in einer Gemeinde oder einer
Stadt, und das auf bundespolitischer Ebene erfolgreiche Alibi, die
schlechte Situation jeweils jener politischen Position in die
Schuhe zu schieben, der man selbst nicht anhängt, funktioniert
auf kommunaler Ebene nicht. Zum einen, weil eine arme Stadt keinem
ihrer Einwohner attraktiv erscheint und letztlich alle betrifft;
zum anderen, weil kommunalpolitische Entscheidungsprozesse
wesentlich stärker konsensorientiert ablaufen; auch die durch
die Direktwahl gestärkten Bürgermeister sehen sich selbst
weniger als Vertreter ihrer Partei oder politischen Gruppe, sondern
wirklich als Repräsentant aller Bürger.
Das ist auch notwendig. Viel wird in Zukunft davon
abhängen, ob es den Kommunen gelingt, ihre Bürger zur
Eigeninitiative zu motivieren und möglichst viele einzubinden.
Es wird entscheidend sein für die Attraktivität einer
Gemeinde, wie viele bisher kommunale Aufgaben von ihren Einwohnern
übernommen werden - sei es privat, als Verein, als Initiative
oder auch als kleines Unternehmen. Denn letztlich ist eine der
wenigen angenehmen Seiten der bisweilen dramatischen Finanzlage der
Kommunen, dass deren Geldproblem so rational formulierbar ist: Wo
nichts mehr ist, gibt es auch nichts mehr zu verteilen. Bleibt der
Blick nach vorn und die Suche nach Antworten auf die Frage: Was
kann getan werden?
Diese Themenausgabe bietet keine Patentlösungen. Abgesehen
davon, dass es solche nicht gibt, weisen Städte und Gemeinden
neben vielen Gemeinsamkeiten unzählige Unterschiede auf, die
beachtet werden müssen. Aber sie zeigt einige Richtungen auf,
in die sich die Kommunen entwickeln könnten. Und sie stellt
einige Beispiele vor von Städten und Gemeinden, die neue
Ansätze gewagt und damit viel gewonnen haben.
Der Autor arbeitet als Journalist in Berlin.
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