Hagen Richmann
Steht am Ende nur Armageddon?
Palästina und Israel - der
Dauerkonflikt
Palästina und Israel, die
Dauer-Krisen-Region im Nahen Osten, hat über alle regionalen
Aspekte hinweg weltweite Auswirkungen auf Sicherheit und Frieden.
Der Streit über mögliche Wege und Abkommen zur
friedlichen Regelung ist so vielfältig wie die Versuche einer
gewaltsamen Lösung. Überdies werden alle Konflikte in
Arabien bis hin zum Krieg gegen den Irak und bis hin zur Rolle des
Iran immer auch im Verhältnis zu Israel und Palästina
beurteilt.
Nun haben sich jüngst zwei namhafte
Wissenschaftler aus den USA in die eher intellektuell ausgerichtete
Debatte über die Zukunft Israels und Palästinas
eingemischt. Herausgekommen ist dabei eine Darstellung von zwei
gegensätzlichen und unvereinbaren Ansichten. Sie laden nicht
gerade ein, auf Auswege aus diesem Konflikt zu hoffen. Allerdings
ist beruhigend, dass beide in den USA nicht zu den
Entscheidungsträgern gehören; Einfluss auf die
öffentliche Meinung versprechen sie sich aber
schon.
Noam Chomsky, Sprachwissenschaftler am
Massachussets Institute of Technology in Cambridge, kann keine
Aussicht auf Frieden im Nahen Osten erkennen. Zum einen schreibt er
Israel ein "unberechenbares Verhalten" zu, das jedweden Ausgleich
mit den Palästinensern vermeidet. Zum anderen stünden die
USA hinter Israel und hätten außer der Rohstoffgewinnung
auf der Arabischen Halbinsel keinerlei Interessen an dieser Region.
In diesem Sinn bräuchten sie einen Büttel, der ihnen bei
der Umsetzung der global angelegten Wirtschaftspolitik zur Seite
steht. Insofern sei der "Weg nach Armageddon" vorgezeichnet:
"Ungeachtet aller Unterschiede sind die USA, Israel und die
Palästinenser in eine verhängnisvolle Dreiecksbeziehung
verstrickt, in der sie auf eine Katastrophe zutreiben."
Von Auswegen will Chomsky nichts wissen, auch
nicht von wechselnden Partnerschaften, neuen politischen
Gewichtungen oder anderen Mitspielern, die zu einer langsamen und
stetigen Veränderung führen könnten.
Schließlich könne die Gemeinschaft von USA und Israel
nicht mehr gelöst werden, da sie vor allem seitens Israel
durch eine absolute wirtschaftliche Abhängigkeit geprägt
sei, die im Falle einer Trennung Israel als Staat nicht
überleben ließe.
Chomsky erläutert nicht, auf welchen
Quellen seine Mutmaßungen beruhen. Seine Bürgen sind
Kommentare in bekannten Zeitungen, die für ihn eine deutliche
Verschwörung gegen Palästina belegen. Hilfreich oder gar
weiterführend sind die Einlassungen von Chomsky in keinem Teil
seines Buches, von dem nur der Verlag behaupten kann, sie seien
ohne Polemik.
Eine entgegengesetzte Meinung vertritt Alan
M. Dershowitz, Professor an der Harvard Law School, wenn er
Vorurteile gegenüber Israel zu widerlegen versucht. Dershowitz
will mit seinem Buch aufklären, er will Fehlurteile
auflösen und Mitstreiter gewinnen, um den Konflikt lösen
zu helfen. In 32 Schritten geht er bekannten Vorwürfen nach.
Sie reichen von der Ausrufung des Staates Israel bis zu heutigen
Lösungsansätzen. Seine Fragen sind sämtlich an die
israelische Politik gerichtet. Stellvertretend seien genannt: "War
der israelische Unabhängigkeitskrieg ein Akt
expansionistischer Aggression?" und: "Verwehrt Israel den
Palästinensern einen eigenen Staat?".
In den Antworten zeigt Dershowitz die
politischen Gegebenheiten und die Politik der Vereinbarungen wie
jene von Oslo auf. Und er versucht umfassend angelegte Antworten,
die jeweils die unterschiedlichen Absichten der Protagonisten
herausstellen. Polemik vermeidet der Autor weitgehend, auch wenn er
jederzeit erkennen lässt, wem seine Zuneigung gehört. In
der Hauptsache geht es ihm darum, einen Ausweg aus dem
israelisch-palästinensischen Dilemma zu finden und um
Anerkennung für das Lebensrecht Israels zu werben. Dabei
verneint er keineswegs das Recht der Palästinenser auf einen
eigenen Staat.
Insofern ist es schlüssig, wenn
Dershowitz am Ende seiner Ausführungen einen Ausblick wagt, in
dem er seine Vorschläge für eine Beendigung des Konflikts
in den Mittelpunkt stellt. "Falls eine friedliche
Zwei-Staaten-Lösung tatsächlich Wirklichkeit werden
sollte, so wäre das ein Segen für alle. Ein Hauch von
Tragik freilich haftet ihr an, bedenkt man, dass diese ausnehmend
vernünftige und faire Lösung schon längst hätte
erreicht werden können..."
Dershowitz hat ein Plädoyer für
Israel geschrieben, aber auch ein Votum für eine friedliche
Lösung, für den Ausgleich zwischen Juden und Arabern
abgegeben. Inwieweit diese Wirkung zeigen werden, bleibt
abzuwarten. Aber die Hoffnung auf ein Ende der Konfrontation gibt
es allenthalben.
Dershowitz hat zur Aufklärung der
Hintergründe beigetragen. Chomsky hat die Chance, eine
sachliche Darstellung palästinensischer und arabischer
Interessen und Absichten wie auch Lösungsansätze zu
versuchen, leider vollständig verpasst. Gleichwohl empfiehlt
es sich letztlich, beide Bücher kritisch zu lesen und sich
über die Argumentationsart und -viefalt zu
informieren.
Noam Chomsky
Keine Chance für den
Frieden.
Warum mit Israel und den USA kein
Palästinenserstaat zu machen ist.
Europa Verlag, Hamburg/Leipzig/Wien 2005;
240 S., 19,90 Euro
Alan M. Dershowitz
Plädoyer für Israel. Warum die
Anklagen gegen Israel aus Vorurteilen bestehen.
Europa Verlag, Hamburg/Leipzig/Wien 2005;
320 S., 19,90 Euro
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