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Susanne Kailitz
Offene Worte unter Freunden
Bundestagstagspräsident Thierse über
das deutsch-polnische Verhältnis
Deutliche Worte waren es, die Bundestagspräsident Wolfgang
Thierse bei einer Veranstaltung der Universität Breslau am 1.
April fand: Mit Blick auf polnische Forderungen nach Reparationen
im vergangenen Jahr sagte er, es gehöre zu einer
funktionierenden Freundschaft, dass "jeder, der einen bösen
Ton anschlägt, in der Regierung, im Parlament und
möglichst auch in der eigenen Partei sofort auf entschiedenen
Widerspruch" stoße. Freundschaft funktioniere nicht, "wenn
verantwortliche Politiker vor einem solchen Ton die Ohren
verschließen, sich in die Defensive treiben lassen und dem
befreundeten Nachbarn dann unter vier Augen versichern, es sei
alles nicht so gemeint gewesen". Dem Ziel, das deutsch-polnische
Verhältnis auf das Niveau des deutsch-französischen zu
heben, sei man in der letzten Zeit "nicht näher gekommen".
Im deutsch-polnischen Jahr könne zwar die Überwindung
der Teilung Europas gefeiert werden, man müsse sich nun aber
auch die Regel zu eigen machen, Vorurteile aus der Politik
herauszuhalten und Konflikte da auszutragen, wo sie
entstünden. Es dürfe keinem einzelnen Konflikt erlaubt
werden, "gleich das ganze Verhältnis zwischen beiden Staaten
zu belasten". Wer streiten müsse oder wolle, dürfe aber
nicht die ganze Nation dafür in Geiselhaft nehmen.
Thierse sprach zudem mehrere Missverständnisse im
Verhältnis zwischen Deutschland und Polen an. Zum einen
dürfe man in Polen nicht dem Irrtum unterliegen, zu glauben,
Vereine wie die "Preußische Treuhand", die für die
Rückgängigmachung von Enteignungen in der sowjetischen
Besatzungszone nach 1945 kämpften, würden in der
deutschen Politik und Öffentlichkeit über Rückhalt
verfügen. Zum anderen habe auch das in den vergangenen Jahren
gewachsene Interesse am Schicksal der aus Schlesien oder Pommern
Vertriebenen weder "mit Gebietsansprüchen noch mit dem Wunsch
etwas zu tun, die Schuld von Deutschen gegenüber Polen durch
Aufrechnung zu vermindern".
Heute, da das Verhältnis zu Polen als geklärt gesehen
werde, könne vielmehr "die schweigende Mehrheit der damals
vertriebenen Deutschen ihre Erinnerungen pflegen, ohne dass sie
fürchten müssten, Wasser auf die Mühlen von
Demagogen zu leiten". Zudem glaube er, so Thierse, fest an das
Gelingen der deutsch-polnischen Freundschaft.
Ohnehin hatte der Bundestagspräsident bei dem Besuch seiner
Geburtsstadt nicht allein mahnende Worte im Gepäck: Thierse
überreichte der Breslauer Universitätsbibliothek
ausgewählte historische Ausgaben gebundener Zeitungen. Sie
sind Bestandteil eines Geschenks des Bundestags, das in mehr als
4.200 Bänden zahlreiche westeuropäische und US-Zeitungen
von 1900 bis 2002 enthält.
Und auch in Berlin wird das deutsch-polnische Verhältnis
einmal mehr thematisiert. Eine Ausstellung, die am vergangenen
Donnerstag in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand vom
polnischen Botschafter Andrzej Byrt eröffnet wurde, widmet
sich dem wohl dunkelsten Kapitel in den Beziehungen beider Staaten.
Unter dem Titel "Größte Härte ..." werden die
Verbrechen der Wehrmacht in Polen dokumentiert. Im Mittelpunkt
stehen die ersten beiden Monate des Zweiten Weltkrieges, in denen
Polen unter deutscher Militärverwaltung stand. An den
Erschießungen von Zivilisten und Kriegsgefangenen und den
Luftangriffen auf Städte, in denen kein Militär
stationiert war, waren neben Polizei und SS-Einheiten auch die
Wehrmacht beteiligt. Die Ausstellung ist eine Gemeinschaftsarbeit
von deutschen und polnischen Historikern des Deutschen Historischen
Instituts in Warschau und des polnischen Instituts des nationalen
Gedenkens. Sie ist bis zum 30. Juli in der Stauffenbergstraße
zu sehen.
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