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Barbara Minderjahn
Editorial
Editorial
Am 12. Mai 1965 haben die Bundesrepublik Deutschland und Israel
offiziell diplomatische Beziehungen aufgenommen. Vor 40 Jahren war
der Krieg gerade erst seit 20 Jahren zu Ende. 20 Jahre sind
angesichts der schrecklichen Verbrechen eine unerhört kurze
Zeit. 1965 trauten sich nur wenige Deutsche, nach England oder
Frankreich in Urlaub zu fahren. Trotzdem haben genau zu dieser Zeit
die Opfer des Holocausts ihr Trauma überwunden und politische
Risiken in Kauf genommen, um sich den Tätern von einst
anzunähern. Aufgrund von Interessen und mit Pragmatismus?
Natürlich musste die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen
zu Israel eingehen, um nicht irgendwann als unglaubwürdig da
zu stehen. Man wollte Versöhnung und Verzeihen und bot
dafür "Wiedergutmachung" an. Umgekehrt musste Israel die
deutsche Hilfe nutzen, um den noch jungen Staat aufzubauen. Doch
zwei Staaten, die ihre Botschafter austauschen, erkennen sich
gegenseitig an. Das setzt mehr voraus, als die Einsicht,
gegenseitige Verpflichtungen könnten nützlich sein.
Die Deutschen hatten nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen,
über das, was die Nazis getan hatten, nachzudenken. Die
Bundesrepublik hatte sich entschlossen, einen neuen Anfang zu
machen in einer veränderten Welt und mit einer neuen geistigen
Haltung: Demokratie, Toleranz, Respekt. Und sie hatte erkannt, dass
sie für den neu entstandenen Staat Israel eine besondere
Verantwortung trug. Die Israelis hatten umgekehrt die Bereitschaft
entwickelt, dies anzuerkennen. Sie hatten sich auf den Neuanfang
eingelassen, im Vertrauen darauf, dass die Metamorphose der
Bundesrepublik Deutschland eine dauerhafte ist. In der DDR war der
Wertewandel ein anderer. Die politischen Beziehungen haben sich
daher konsequenterweise nicht gleichermaßen aufeinander zu
bewegt. Erst mit der "Wende" kam die Wende.
Seit 40 Jahre pflegen die Bundesrepublik Deutschland und Israel
nun also diplomatische Beziehungen. Was hat sich in dieser Zeit
verändert? Israel gehört für Deutschland zu den
wichtigsten außereuropäischen Ländern. Das zeigt
allein schon die Wirtschaftsstatistik. Seit 2003 ist Israel
Deutschlands zweitgrößter Handelspartner im gesamten
Nahen und Mittleren Osten. Umgekehrt ist Deutschland für
Israel der bedeutendste Fürsprecher in Europa. Unzählige
Journalisten und Wissenschaftler beschäftigen sich daher seit
Jahren intensiv mit dem deutsch-israelischen Verhältnis. Doch
was hat sich innerhalb der letzten 40 Jahre zwischen den in den
beiden Staaten lebenden Menschen entwickelt? Auf
wissenschaftlicher, kultureller, politischer und institutioneller
Ebene finden regelmäßige Besuche und Austauschprogramme
statt. Sie haben das Wissen über einander vertieft. Aber das
Verstehen und Vertrauen ist nicht in gleichem Maße gewachsen.
Noch immer fühlen sich Deutsche unbehaglich, wenn sie "Jude"
sagen. Dann schon lieber "jüdisch" oder "jüdisches
Leben". Man könnte ja doch unbewusst und ganz versteckt
antisemitisch sein, oder dafür gehalten werden. Ängste
und Unsicherheiten halten sich auf beiden Seiten, und negative
Beispiele gibt es auch, die diese Gefühle bestätigen
können. Kann es zwischen Deutschen und Israelis also jemals
ein "normales" vertrauensvolles Verhältnis geben?
Natürlich spielt der Holocaust noch eine Rolle. Weil man
Taten nicht ungeschehen machen kann, wird es für die
Betroffenen niemals so sein wie vorher. Vielleicht ist es die
tragischste Konsequenz eines Verbrechens, dass sie Opfer und
Täter verbindet. Deutsche und Israelis haben es in 40 Jahren
geschafft, dieser Verbindung den Schrecken zu nehmen und ihr etwas
positives, nämlich Verantwortung zu geben. Die Politik hat die
Rahmenbedingungen dafür geschaffen. Dafür, dass daraus
Verständnis, Vertrauen und Freundschaft entsteht, kann nun
jeder selbst sorgen.
Barbara Minderjahn ist Rundfunkjournalistin und freie Publizistin
in Köln.
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