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Das Parlament
Nr. 15 / 11.04.2005

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Barbara Minderjahn

Editorial

Editorial

Am 12. Mai 1965 haben die Bundesrepublik Deutschland und Israel offiziell diplomatische Beziehungen aufgenommen. Vor 40 Jahren war der Krieg gerade erst seit 20 Jahren zu Ende. 20 Jahre sind angesichts der schrecklichen Verbrechen eine unerhört kurze Zeit. 1965 trauten sich nur wenige Deutsche, nach England oder Frankreich in Urlaub zu fahren. Trotzdem haben genau zu dieser Zeit die Opfer des Holocausts ihr Trauma überwunden und politische Risiken in Kauf genommen, um sich den Tätern von einst anzunähern. Aufgrund von Interessen und mit Pragmatismus? Natürlich musste die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen zu Israel eingehen, um nicht irgendwann als unglaubwürdig da zu stehen. Man wollte Versöhnung und Verzeihen und bot dafür "Wiedergutmachung" an. Umgekehrt musste Israel die deutsche Hilfe nutzen, um den noch jungen Staat aufzubauen. Doch zwei Staaten, die ihre Botschafter austauschen, erkennen sich gegenseitig an. Das setzt mehr voraus, als die Einsicht, gegenseitige Verpflichtungen könnten nützlich sein.

Die Deutschen hatten nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen, über das, was die Nazis getan hatten, nachzudenken. Die Bundesrepublik hatte sich entschlossen, einen neuen Anfang zu machen in einer veränderten Welt und mit einer neuen geistigen Haltung: Demokratie, Toleranz, Respekt. Und sie hatte erkannt, dass sie für den neu entstandenen Staat Israel eine besondere Verantwortung trug. Die Israelis hatten umgekehrt die Bereitschaft entwickelt, dies anzuerkennen. Sie hatten sich auf den Neuanfang eingelassen, im Vertrauen darauf, dass die Metamorphose der Bundesrepublik Deutschland eine dauerhafte ist. In der DDR war der Wertewandel ein anderer. Die politischen Beziehungen haben sich daher konsequenterweise nicht gleichermaßen aufeinander zu bewegt. Erst mit der "Wende" kam die Wende.

Seit 40 Jahre pflegen die Bundesrepublik Deutschland und Israel nun also diplomatische Beziehungen. Was hat sich in dieser Zeit verändert? Israel gehört für Deutschland zu den wichtigsten außereuropäischen Ländern. Das zeigt allein schon die Wirtschaftsstatistik. Seit 2003 ist Israel Deutschlands zweitgrößter Handelspartner im gesamten Nahen und Mittleren Osten. Umgekehrt ist Deutschland für Israel der bedeutendste Fürsprecher in Europa. Unzählige Journalisten und Wissenschaftler beschäftigen sich daher seit Jahren intensiv mit dem deutsch-israelischen Verhältnis. Doch was hat sich innerhalb der letzten 40 Jahre zwischen den in den beiden Staaten lebenden Menschen entwickelt? Auf wissenschaftlicher, kultureller, politischer und institutioneller Ebene finden regelmäßige Besuche und Austauschprogramme statt. Sie haben das Wissen über einander vertieft. Aber das Verstehen und Vertrauen ist nicht in gleichem Maße gewachsen. Noch immer fühlen sich Deutsche unbehaglich, wenn sie "Jude" sagen. Dann schon lieber "jüdisch" oder "jüdisches Leben". Man könnte ja doch unbewusst und ganz versteckt antisemitisch sein, oder dafür gehalten werden. Ängste und Unsicherheiten halten sich auf beiden Seiten, und negative Beispiele gibt es auch, die diese Gefühle bestätigen können. Kann es zwischen Deutschen und Israelis also jemals ein "normales" vertrauensvolles Verhältnis geben?

Natürlich spielt der Holocaust noch eine Rolle. Weil man Taten nicht ungeschehen machen kann, wird es für die Betroffenen niemals so sein wie vorher. Vielleicht ist es die tragischste Konsequenz eines Verbrechens, dass sie Opfer und Täter verbindet. Deutsche und Israelis haben es in 40 Jahren geschafft, dieser Verbindung den Schrecken zu nehmen und ihr etwas positives, nämlich Verantwortung zu geben. Die Politik hat die Rahmenbedingungen dafür geschaffen. Dafür, dass daraus Verständnis, Vertrauen und Freundschaft entsteht, kann nun jeder selbst sorgen.


Barbara Minderjahn ist Rundfunkjournalistin und freie Publizistin in Köln.

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