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Volker Koop
Organhandel darf es nicht geben
Nicht nur medizinisches, sondern vor allem
ethisches Problem
Unbestritten ist: Wären mehr Deutsche
bereit, Organe zu spenden, könnten jedes Jahr Tausende von
Menschenleben gerettet werden. Tatsache ist aber auch: Viele
schrecken gerade vor diesem Gedanken zurück, obwohl allein
Deutschland rund 12.000 Kranke bis zu sechs Jahren auf den
Wartelisten für eine Organspende stehen und vom Tode bedroht
sind. Seit der ersten Nierentransplantation 1963 sind in der
Bundesrepublik mehr als 70.000 Organe übertragen worden. Doch
die Möglichkeit, selbst einmal auf ein fremdes Organ
angewiesen zu sein, um zu überleben, hat bisher nicht zu einem
Umdenken in dieser Frage geführt. Ob so drastische
Forderungen, wie die des Präsidenten der Deutschen
Gesellschaft für Innere Medizin, Manfred Weber, hierzu
beitragen, darf bezweifelt werden. Er sagt: Wer keine Organe
spendet, bekommt auch keine, und ergänzt, alle Bürger
sollten im Abstand von fünf Jahren befragt werden, ob sie zur
Organspende zur Verfügung stehen. Wer dies wolle, "sollte
einen Nachteil als Empfänger haben".
Als eine Chance, mehr Leben als bisher zu
retten, kommt immer mehr die Organlebendspende ins Bewusstsein.
Fast jede fünfte verpflanzte Niere stammt inzwischen von einem
Lebendspender. Doch das gültige deutsche
Transplantationsgesetz lässt die Organlebendspende nur mit
Einschränkungen zu. Organe und Organteile, die sich nicht
wieder bilden können, dürfen nur an Angehörige und
andere besonders nahe stehende Menschen gespendet werden.
Hauptsächlicher Sinn dieser Beschränkung ist, Organhandel
zu vermeiden, die Freiwilligkeit der Spende sicherzustellen und den
Schutz vor voreiligen Entscheidungen zu gewähren.
Organspenden bedeuten zwar auch ein
medizinisches, nicht zuletzt und vor allem aber ein ethisches
Problem. "Bei den Organlebendspenden handelt es sich um einen
chirurgischen Eingriff an einem gesunden Menschen
ausschließlich zum Wohle eines anderen." Diesem Satz ist nicht
zu widersprechen, aber die CDU-Abgeordnete Julia Klöckner will
ihn so isoliert nicht stehen lassen. Denn: "Die Lebendspende ist
nämlich keine risikolose Gabe. Dem Spender geht es nach der
Spende bestenfalls so gut wie vorher. Da eine Lebendspende immer
einen schwerwiegenden Eingriff - ohne Heilauftrag - in die
Integrität des Spenders darstellt, ist für die ethische
Entscheidungsfindung eine sorgfältige Risikoabwägung
geboten. Eine Lebendspende von Organen, die sich nicht wieder
bilden können, sollte auch weiterhin nur unter nahe stehenden
Personen zulässig sein. Andernfalls ist zu befürchten,
dass mit der Ausweitung des Spenderkreises eine Grauzone entsteht,
in der nicht mehr auszuschließen ist, dass das
Einverständnis des Spenders mit Geld erkauft wird oder durch
einen psychischen Druck zustande kommt. Der Überblick und die
Nachvollziehbarkeit für eine Ethik-Kommission, die der Spende
zustimmen muss, kann dadurch verloren gehen." Julia Klöckner
ist überzeugt, dass sich bei einer Lockerung der Bestimmungen
die Suche nach einer geeigneten, zeitnahen Lebensspende weltweit
ausdehnen könnte und dann auch nicht vor "armen" Ländern
halt machen würde. Die Lebendspende zu vereinfachen, bedeute,
das Missbrauchsrisiko zu erhöhen. Im Übrigen sei dann
auch der Weg zur finanziellen Entschädigung nicht mehr weit.
Das heiße nicht, dass die versicherungsrechtliche Absicherung
und der Kostenausgleich von Organspendern verbessert werden
sollten. Die gesetzliche Regelung des Spenderkreises sollte
lediglich bei der so genannten "Cross-over-Spende" vereinfacht
werden: "Im seltensten Fall stehen nämlich zwei Paare, die
überkreuz spenden können, sich besonders nahe. Dieses
Verhältnis werde meistens ?konstruiert'. Deshalb sollte die
Lebendspende möglich sein, ohne dass zwischen Spender des
einen Paares und Organempfänger des anderen Paares ein
besonderes Näheverhältnis besteht. Es genügt, wenn
sich die jeweiligen Partner besonders nahe stehen."
Auch für den FDP-Bundestagsabgeordneten
Michael Kauch steht außer Frage, dass jede Chance genutzt
werden muss, den 12.000 vom Tode bedrohten Menschen auf den
Wartelisten zu einem Organ zu verhelfen. Aber auch er sagt, dass
dabei jede Kommerzialisierung des Körpers ausgeschlossen
werden müsse. Neben einer besseren Ausschöpfung der
Potenziale postmortaler Spenden sollte die Lebendspende erleichtert
werden, fordert er. Die FDP-Vertreter in der Enquete-Kommission
wollten die Subsidiarität der Lebendspende aus dem
Transplantationsgesetz streichen. Denn nach heutiger Rechtslage
müssten selbst dann Organe von Toten transplantiert werden,
wenn ein über die Gefahren aufgeklärter Ehegatte ein
Organ lebend spenden wolle, und dies, obwohl heute die
Überlebensraten der Empfänger bei lebend gespendeten
Organen besser seien als bei den postmortalen Spenden. Für
Michael Kauch ist nicht einsehbar, dass mit dem Mittel des
Strafrechts der Spenderkreis in Deutschland auch für
offenkundig nicht kommerzielle Lebendspenden eingeschränkt
wird. "Wer nach medizinischer Aufklärung über Risiken und
ohne finanziellen Interessen etwa eine Niere spenden will, der
sollte über diesen Akt der Nächstenliebe selbst
entscheiden können." Er unterstütze daher die
Zulässigkeit von Überkreuz-Spenden ebenso wie anonyme
Lebendspenden in einen Organpool. Zudem sollten als Ausnahme und
nach genauer Prüfung des Einzelfalls auch gezielte
Lebendspenden ohne Näheverhältnis zugelassen werden, wenn
die Transplantation zur Lebensrettung erforderlich sei, kein
postmortales Organ beziehungsweise kein Organ aus einer
Lebendspende von einer Person mit Näheverhältnis
verfügbar sei und es sich um eine nicht-vergütete
Organspende handele.
Kein Feld für Parteipolitik
Die in den vergangenen Wochen verstärkte
Diskussion um Lebendorganspenden um "Widerspruchslösung versus
Zustimmungsregelung" berührt einen äußerst sensiblen
Bereich, der nach Erachten von Klaus Kirschner kein Feld für
parteipolitische Auseinandersetzungen sein darf. Der
SPD-Abgeordnete, zugleich Vorsitzender des Gesundheitsausschusses,
unterstreicht, dass für ihn die Lebendorganspende die absolute
Ausnahme bleiben sollte und die eng gefassten Regelungen hierzu
nicht aufgeweicht werden dürften. Dies sei auch die eindeutige
Mehrheitsmeinung in der Bundestags-Enquetekommission "Ethik und
Recht der modernen Medizin". Auch habe sich gezeigt, dass
unterschiedliche rechtliche Voraussetzungen für Organentnahmen
(Widerspruchslösung) kaum Einfluss auf die Zahl der
tatsächlich gespendeten Organe hätten. Zur weiteren
Verbesserung der Organspendesituation hält Klaus Kirschner die
Kampagne "Organspende rettet Leben" der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung für unverzichtbar. Gesetzliche
und private Krankenversicherungen müssten weiter
aufklärend wirken, Krankenhäuser ihrer Meldepflicht
nachkommen. Hier seien die Länder gefordert.
Krankenhäuser und Transplantationszentren müssten enger
kooperieren, das Personal für die Beratung von Patienten und
Angehörigen müsse stärker qualifiziert und motiviert
werden. Ausdrücklich begrüßt der SPD-Abgeordnete,
dass die Enquete-Kommission sich in ihrem Zwischenbericht gegen
jegliche Anreizsysteme sowie regulierten Organhandel ausgesprochen
habe. "Vor allem die Empfehlung, keine finanziellen Anreize bei der
Lebendspende zuzulassen, halte ich für außerordentlich
wichtig. Mit einer Aufweichung bestehender gesetzlicher Regelungen
wäre möglicherweise dem Organhandel Tür und Tor
geöffnet. Erkannte Defizite müssten ausgeräumt
werden, um die Zahl der freiwilligen Spender zu erhöhen. Dazu
gehöre die Aufklärung. Vor allem müssten die
Krankenhäuser ihre Meldepflicht ernst nehmen und ihr
nachkommen."
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