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Ines Gollnick
Die Powerfrau: Ute Kumpf
Parlamentarisches Profil
Die erste Abstimmungsniederlage der Koalition in dieser
Legislaturperiode am 10. März beim Thema Gleichberechtigung
hält Ute Kumpf weder für eine Bagatelle noch für ein
Drama. "Das ist ein Signal, das man ernst nehmen muss, stellt die
Parlamentarische Geschäftsführerin der
SPD-Bundestagsfraktion im Gespräch mit "Das Parlament"
sachlich fest. Ihre Analyse: Der rechtzeitige Aufruf zur Abstimmung
in der Kernzeit der Debatte sei einfach nicht ernst genommen
worden. Da es zu den wichtigsten Aufgaben der Parlamentarischen
Geschäftsführer gehört, die Präsenz im
Parlament stets in einer Stärke zu halten, die solche
peinlichen Zwischenfälle möglichst verhindert, war
für die Sozialdemokratin Ursachenforschung angesagt. Wie viel
Nachlässigkeit, Unzufriedenheit oder auch Verweigerung der
Gefolgschaft im Spiel war, ließ sich allerdings aus ihrer
Sicht nicht abschließend klären.
Jedenfalls wird sie in Zukunft noch aufmerksamer in die Fraktion
hineinhorchen, um die Stimmungslage auszumachen. Das versteht sie
als Teil ihrer Arbeit als Mitglied im Fraktionsvorstand, dem sie
als Parlamentarische Geschäftsführerin angehört.
Hier könne sie auch ihre Stärken zur Geltung bringen. Sie
sei ein Mensch mit Antennen, der hinschaut, genau wahrnimmt.
"Manchmal haben die Parlamentarier auch die Nase voll und den
Eindruck, nicht ernst genommen zu werden!" Und natürlich ist
ihr bewusst, dass es Abgeordnete frustriert, wenn sie nur zum
Händeheben gebeten werden.
Die Frau mit dem bayerischen Zungenschlag hat ihren Stuttgarter
Wahlkreis schon zweimal direkt geholt, worauf sie auch ein bisschen
stolz ist. Das Selbstbewusstsein der 57-Jährigen wirkt
sympathisch, ihre Power lässt sie viel jünger wirken und
ist ansteckend. Dass sie jemand ist, der nicht zögert, sich
auch selbst ins Spiel zu bringen, sei das Ergebnis eines
Lernprozesses, verrät sie. Hier als Motiv Egomanie zu
vermuten, die bekanntermaßen nicht wenig verbreitet ist,
wäre falsch.
Es hatte sie niemand als Parlamentarische
Geschäftsführerin vorgeschlagen. Da hat sie ihren Hut
selbst in den Ring geworfen, wie es in einem Wettbewerb üblich
ist. Und sie hatte Erfolg, wurde Ende 2004 sogar wieder
gewählt. "Es hat mich geärgert, dass alles austariert
wird: Ost und West, links und rechts, alt und jung. Mir war das zu
abgesprochen. Ich bin erst mit 50 in die politische Arbeit auf
dieser Ebene eingestiegen und habe mich gefragt, wo bleiben
diejenigen, die neu, älter und erfahren sind."
Jetzt gehört sie als Mitglied des Ältestenrates zu den
Organisatorinnen des Parlamentsbetriebs, entscheidet unter anderem
mit darüber, wann welche Themen auf die Tagesordnung kommen.
Außerdem ist sie sozusagen Personalchefin von mehr als 300
Beschäftigten der Fraktion. "Was mich besonders freut, ist,
dass es durch meine Initiative möglich ist,
Ausbildungsplätze zum Bürokaufmann oder - zur
Bürokauffrau in den Abgeordnetenbüros zu schaffen. Ich
habe dieses Projekt in der Mitarbeiterkommission des
Ältestenrates gegen Widerstände auf den Weg gebracht.
Bestärkt durch unsere positiven Erfahrungen mit der
Verbundausbildung in der Fraktion hielt ich es für notwendig,
nicht nur von der Wirtschaft und den Unternehmen
Ausbildungsplätze zu fordern, sondern dass auch wir als
Abgeordnete unseren Beitrag zur Verbesserung der
Ausbildungsplatzsituation leisten." Hier spricht die Ute Kumpf, die
im Gewerkschaftsmilieu groß geworden ist und bis zu ihrem
Einzug in den Bundestag 1998 acht Jahre lang Bezirkssekretärin
in der IG-Metall Bezirksleitung Baden Württemberg war.
"Meckern gilt nicht, machen!" mit dieser Devise ist Kumpf in einer
Großfamilie auf dem Lande im Bayerischen aufgewachsen. Die ist
ihr auch heute noch Richtschnur. Dass sie als junge Frau
Verantwortung für jüngere Geschwister tragen musste, weil
die Mutter früh gestorben war, hat sie geprägt.
Mitzugestalten war ihr Antriebsmoment auch während des
Studiums der Volkswirtschaft in Heidelberg und Karlsruhe, "68er-
und APO-bewegt" arbeitete sie in der Fachschaft und im
Studentenparlament.
Kumpf gehört einer Frauengeneration an, die sich Funktionen
immer erkämpfen musste. Schon als junge Frau saß sie in
den 70er-Jahren in Karlsruhe im Gemeinderat. Das Bundestagsmandat
war nie ein Ziel. Dass sie diesen Sprung damals noch nach Bonn,
dann später nach Berlin schaffte, hängt auch mit ihrer
Aufbauarbeit für die SPD in Stuttgart zusammen. Nur knapp hat
sie Ende 2004 die Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart verloren.
Jetzt ist sie also schon im siebten Jahr "Kleinunternehmerin in
Sachen Politik" wie sie es nennt. Ein Beruf mit "riesengroßem
Gestaltungsspielraum" vor allem im Wahlkreis. "Politik ist für
mich im ureigensten Sinne Kommunikation und die Organisation
derselben". Sie will auch Menschen erreichen, die vielleicht der
SPD fern stehen.
Projekte in Gang zu setzen, die sich mit den Abgeordneten
verbinden, so lautet Kumpfs Strategie, um auch medial
"stattzufinden". "Man kann einiges anstoßen, um dieses
Parlament, diese Koalition der Abgeordneten, ein Stück weit
besser in der Öffentlichkeit dastehen zu lassen wie jetzt mit
der Ausbildungsinitiative." Kumpf vermutet, dass sie als "normale"
Abgeordnete vor der Mitarbeiterkommission abgeblitzt wäre,
wenn sie die Ausbildungsinitiative gefordert hätte. Als
Parlamentarische Geschäftsführerin kann sie
hartnäckig dranbleiben. Etwas in Gang zu setzen, die
Ärmel hochzukrempeln, macht ihr Spaß. Da sucht sie immer
eigene, neue Wege. Als ihre mittlerweile 22-jährige Tochter
klein war, hat sie Anfang der 80er-Jahre die "Rasselbande - Verein
zur Erziehungsförderung" gegründet und damit den Aufbau
einer Kindertagesstätte in Elternselbstverwaltung auf den Weg
gebracht. So verwundert es auch nicht, dass Kumpf Sprecherin der
SPD-Arbeitsgemeinschaft "Bürgerschaftliches Engagement" ist,
in der Partei- und Nichtparteimitglieder mitarbeiten. Auch in der
Enquete-Kommission "Bürgerschaftliches Engagement" hat sie
sich engagiert. Als Parlamentsmanagerin nur nach innen zu wirken,
hätte ihr nicht gereicht. Deshalb bleibt sie an diesem
Politikfeld dran, will die Reform der Gemeinnützigkeit mit
voranbringen.
Wer so viel Energie hat, wen Routinen ermüden und
demotivieren, beschäftigt sich immer damit, was wohl noch
kommen mag. Was ihr manche als Unstetigkeit auslegen könnten,
ist für sie selbst ein neugieriges Unterwegssein. "Neugierde
darf man sich nicht verbieten lassen, sonst kommt die Abstumpfung".
Sozialattaché in Südafrika zu sein, würde ihr
gefallen. Ihr Leitmotiv wird sie jedenfalls nicht aus den Augen
verlieren: "Das kann nicht alles gewesen sein."
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