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Dirk Klose
"Anschlag auf die Gewissensfreiheit"
Aktuelle Stunde zum Thema Werte- und
Religionsunterricht an Berliner Schulen
Der Streit um den Werteunterricht in Berlin hat jetzt auch den
Bundestag erreicht. Auf Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
diskutierten die Abgeordneten in einer Aktuellen Stunde am 13.
April 2005 über die Berliner Schulpolitik in Sachen Religions-
und Werteunterricht. Das Debattenthema "Religionspolitik des
Berliner Senats und Grundgesetz" sollte nach Darstellung der
Antragssteller deutlich machen, dass es dabei um eine über die
Berliner Belange hinausgehende, für ganz Deutschland
grundsätzliche schulpolitische Angelegenheit geht.
Die seit langem schwelende Auseinandersetzung in der Hauptstadt
um die Frage, ob Werte- oder Religionsunterricht an den Berliner
Schulen, hatte sich zuletzt zugespitzt, nachdem ein Landesparteitag
der SPD am vorhergegangenen Wochenende mehrheitlich beschlossen
hatte, dass in Berlin ein für alle Schüler verbindlicher
Werteunterricht eingeführt wird, hingegen Religionsunterricht
ein wahlfreies, nach dem regulären Unterricht abzuhaltendes
Fach sein soll.
Der Beschluss stößt nicht nur bei den christlichen
Kirchen auf Ablehnung, er ist auch in der SPD umstritten.
Bundestagspräsident Thierse nannte ihn "hochproblematisch";
Bundeskanzler Schröder sagte am Tag der Aktuellen Stunde auf
einer familienpolitischen Veranstaltung, im Schulalltag sollten
zuallererst die Kinder selbst die Möglichkeit haben, ihre
eigene Religion "bekenntnisgestützt" kennenzulernen oder einen
Werteunterricht zu wählen.
Von den elf Rednern kamen sechs aus der Unionsfraktion, zwei von
den Bündnisgrünen; je ein Redner vertrat die SPD und die
FDP, zudem die fraktionslose Abgeordnete Petra Pau (PDS). Die
Unionsvertreter werteten dabei unisono die Berliner Entscheidung
als Aufkündigung der bisher in der Bundesrepublik geltenden
Regeln für den Religionsunterricht an den Schulen und sahen in
ihr, so Hermann Kues, einen "Anschlag auf die Bekenntnis- und
Gewissensfreiheit in unserem Lande".
Fast alle Unionsredner betonten zudem, dass Religion und
Religionsunterricht keineswegs ein Privileg der Kirchen sei,
sondern dass durch sie Traditionen entstanden seien, ohne die das
Land und seine Verfassung nicht denkbar wären. Zudem sei, so
der CDU-Abgeordnete Hermann Gröhe, die Kenntnis der eigenen
religiösen Grundlagen die Voraussetzung für einen Dialog
"mit Menschen anderer religiöser und kultureller
Prägung". Davon sei in Berlin nichts zu spüren: "Es ist
diese Kirchen- und Religionsfeindlichkeit, auf deren Grundlage sich
der rot-rote Senat nun selbst zum Weltanschauungsmonopolisten
aufschwingen will."
Für die SPD-Fraktion, die im Gegensatz zur Union nur mit
einer Handvoll Abgeordneter im Plenum vertreten war, plädierte
deren Kirchenbeauftragter Wilhelm Schmidt ("ich mache kein Hehl
daraus, dass ich persönlich die Entscheidung nicht für
richtig halte") für eine Versachlichung der Diskussion.
Vergleiche mit der NS-Zeit oder der Kirchenpolitik der SED seien
völlig unangemessen. Zudem sei der Deutsche Bundestag nicht
der richtige Ort, über diese Frage zu debattieren.
Möglicherweise sei in dieser Sache noch nicht das letzte Wort
gesprochen, vielleicht könne doch noch eine brandenburgische
Lösung (Religion als Wahlpflichtfach) ins Gespräch
gebracht werden.
Der FDP-Abgeordnete Markus Löning nannte die Berliner
Entscheidung einen "Schritt zurück in die 70er-Jahre" und rief
zur Rücknahme des Beschlusses auf. Die Bündnisgrüne
Grietje Bettin äußerte, es müsse gesellschaftliches
Ziel sein, dass alle jungen Menschen die Schulen mit Respekt vor
anderen Weltanschauungen verlassen. Der Union warf sie "reine
Heuchelei" vor: "In Sonntagsreden über christliche Werte zu
sprechen, im politischen Alltag aber ein Programm sozialer
Kälte zu fahren, das lassen wir Ihnen so nicht
durchgehen."
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