Hans-Adolf Jacobsen
Schaffen es die beiden Völker?
Aussöhnung Deutschen - Polen
Die gegenwärtigen Beziehungen Deutschlands und Polens sind
trotz vertraglicher Vereinbarungen und vieler offizieller
Erklärungen hochrangiger Politiker noch keineswegs als
wirklich erfolgversprechend für den nachhaltigen Ausbau der
bilateralen "Interessengemeinschaft" (Skubiszewski) zu bezeichnen.
Noch immer erschweren Irritationen, Widersprüche und
Empfindlichkeiten ebenso wie mangelndes Engagement eine echte
Partnerschaft. Das gegenseitige Aufrechnen, so jüngst die
Kopernikus-Gruppe (Darmstadt-Stettin), müsse endlich ein Ende
haben.
Dies alles zeugt nicht zuletzt von großen
Wissenslücken hüben und drüben. Dem abzuhelfen
versucht erneut der "Altmeister" der Forschung zu den
deutsch-polnischen Beziehungen, Miesczyslaw Tomala. Er behandelt
die Haltung Polens zur Einheit Deutschlands in den dramatischen
Jahren 1989 bis 1991. Tomala ist einer der profiliertesten
Fachleute auf diesem Gebiet, was nicht heißt, all seinen
Interpretationen zustimmen zu können. Jedoch hat er über
30 Jahren lang in Theorie und Praxis (so als Dolmetscher) die
wechselvollen Beziehungen in ihren Tiefen und Höhen im
wesentlichen zutreffend analysiert.
Unabdingbare Forderung
In sechs im ganzen gelungenen überblicksartigen Kapiteln
hat er die Frage untersucht, wie und warum sich Wahrnehmungen,
Einstellungen, Bedrohungsbilder und Äußerungen polnischer
Führungseliten und Medien in seinem Land zur Wiederherstellung
der deutschen Einheit seit dem Ende des Kalten Krieges schrittweise
verändert haben und warum sich schließlich die Einsicht
durchgesetzt hat, dass die Einheit Deutschlands auch im Interesse
eines demokratischen Polens und eines geeinten freiheitlichen
Europas liege.
Zunächst skizziert Tomala die Prämissen der
offiziellen polnischen Staatsräson nach dem Zweiten Weltkrieg.
Hierzu zählten vor allem zwei deutsche Staaten als eine Art
moralischer Strafe für vergangenes deutsches Unrecht, die
unabdingbare völkerrechtliche Anerkennung der neuen
Oder-Neiße-Grenze und die Gewährleistung der nationalen
Sicherheit durch den sowjetischen Hegemon. Aber Tomala verweist
auch auf eine frühzeitig differenziertere Einschätzung
der bilateralen Beziehungen und auf den Wunsch nach Aussöhnung
zwischen beiden Völkern.
Im Zeichen der neuen Politik von Solidarnosc und Perestroika
mehrten sich dann die kritischen Stellungnahmen gegenüber der
einseitigen Haltung Warschaus. Mit der ersten demokratisch
legitimierten Regierung Mazowiecki (1989) setzte ein offener Dialog
über Polens Haltung zur veränderten europäischen
Friedensordnung ein. Mehr und mehr Repräsentanten des
geistigen Polens vertraten im Laufe der Jahre die Ansicht, dass den
Deutschen das Recht auf Selbstbestimmung nicht länger
vorenhalten werden könne. Ein Thema blieb allerdings
unstrittig: unabdingbare Voraussetzung für die Zustimmung der
Polen zur Einheit Deutschlands blieb die Anerkennung der
Oder-Neiße-Grenze. Hierin wurden sie auch von den westlichen
Verbündeten unterstützt.
Es zählte zu den großen Irrtümern mancher
Vertriebenen-Organisationen zu glauben, man werde über die
Rückgabe der verlorenen Ostgebiete mit einer demokratischen
Regierung Polens noch einmal aussichtsreiche Gespräche
führen können. Die späteren Verhandlungen zwischen
Bonn und Warschau, die Tomala aus bisher unveröffentlichten
Quellen belegt, machen deutlich, mit welcher Entschiedenheit das
neue Polen seine nationalen Interessen vertreten hat. Wenn
Bundeskanzler Kohl mit einer Anerkennung der Grenze lange
gezögert hat, so war dies vornehmlich auf innenpolitische
Beweggründe zurückzuführen. Er wusste, dass seine
Regierung, sobald es einen gesamtdeutschen Souverän gab, ihre
Zustimmung zu dem Unvermeidlichen nicht mehr länger verweigern
konnte. Hierzu hatten ihn auch die USA massiv gedrängt.
Ängste und Sorgen
Klar nennt der Autor die latent noch immer vorhandenen
Ängste und Sorgen vor einer künftigen Dominanz der
Deutschen sowie radikale Haltungen mancher Polen, - für ihn
alles Beweise dafür, wie sehr noch immer das Schicksal Polens
in der Vergangenheit seine Spuren hinterlassen hat.
Abschließend erörtert er die 2+4-Gespräche der
Großmächte, die letztlich die Wege zur Unterzeichnung des
gesamten Vertragswerkes von 1990/91 geebnet haben. Kein Zweifel
lassen er und seine Frau Karin, die die Einleitung einfühlsam
verfasst hat, dass erst durch die Einheit Deutschlands die beste
Garantie für gutnachbarliche Beziehungen zwischen Polen und
Deutschland und zugleich für die Überwindung der Teilung
Europas geschaffen worden sei. Bleibt nur zu hoffen, dass Polen und
Deutsche diese einmalige historische Chance endlich
verantwortungsbewusst und konsequent nutzen.
Mieczyslaw Tomala
Polen und die deutsche Wiedervereinigung.
Verlagshaus ELIPSA, Warschau 2004; 249 S., 16,80 Euro
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