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Klaus Dreher
Verwunderung über die "Krauts"
Kriegsreporter im besiegten Deutschland
1945
Osmar White gehörte zu den Kriegsberichterstattern, die
sich in allen Krisengebieten tummelten. Er war dabei, als die
Japaner im Zweiten Weltkrieg die zu Australien gehörende Insel
Neuguinea besetzten, berichtete darüber für britische
Zeitungen des Murdoch-Konzerns und schrieb, nachdem er verwundet
worden war, ein Buch über seine Erlebnisse im Dschungel.
"Green Armour" wurde ein großer Erfolg. Nachdem er sich von
seinen Verletzungen erholt hatte, entsandten ihn seine Auftraggeber
auf den europäischen Kriegsschauplatz.
Im Gefolge der 3. Armee unter George Patton berichtete White
über den Vormarsch der Alliierten von der französischen
Küste in Richtung Westen. Mit den britischen Truppen
rückte er 1945 in Deutschland ein und registrierte, dass die
"Krauts" - so nannten die Westalliierten die Deutschen -
erstaunliche Taten zustande gebracht hätten, dass aber ihr
Widerstand vollkommen zusammengebrochen sei, als der Krieg ihr
Vaterland erreicht hatte.
Zurück in London verarbeitete er seine Eindrücke
wiederum in einem Buch. Amerikanische und britische Verlage
interessierten sich dafür, sagten dann aber
übereinstimmend ab; White habe zu viel Text, den er sich durch
Lektüre nach Kriegsende zu eigen gemacht habe, einfließen
lassen. 1983 holte White das alte Manuskript wieder hervor,
überarbeitete es und gab ihm den Titel: "Die Straße des
Siegers". Der Piper-Verlag veröffentlicht es jetzt wohl in der
Hoffnung, es füge sich gut in den allgemeinen Kontext der
Aufarbeitung des Krieges.
Tatsächlich ist White dort am stärksten, wo er die
unmittelbaren Eindrücke vom Vormarsch wiedergibt. Die am
meisten berührende Stelle ist die vom Einmarsch der
amerikanischen Truppen in das Konzentrationslager Buchenwald. White
folgte ihnen auf den Fersen und erlebte das KZ so, wie die
SS-Aufseher es hinterlassen hatten, als sie vor den
einrückenden Siegern Hals über Kopf flohen. Der Reporter
bekennt, er habe bis dahin die Berichte über deutsche
Konzentrationslager für überzogene Propaganda gehalten,
aber was er hier sah, übertraf alles, was er je darüber
gehört oder gelesen hatte.
Wie ein Trauma
Überall lagen Leichen herum, dazwischen bewegten sich halb
verhungerte Häftlinge. Einer von ihnen, der dazu noch in der
Lage war, führte den Journalisten zu den Gaskammern, dem
"Erdrosselungs"- und dem Erschießungsraum und dem Krematorium,
dessen sechs Öfen "seit Jahren Tag und Nacht in Betrieb
waren", wie ihm der Begleiter berichtete. White hatte nicht viel
Zeit, seine Eindrücke zu verarbeiten, er musste mit den
Truppen weiter ziehen, aber die Erlebnisse ließen ihn
lebenslang nicht los. Daher drängte es ihn immer wieder, an
dem alten Manuskript zu arbeiten, da es ihm unvollständig
erschien.
So fand er es unzureichend, die Vergehen der eigenen Truppen zu
übergehen. In seinen Reportagen wachte die Zensur
darüber, dass er nicht über Fehlleistungen der Alliierten
schrieb; also rekonstruierte er sie später nach Eintragungen
in seinem Kriegstagebuch. Zum Beispiel zitierte er einen britischen
Offizier, der nach erbitterten Kämpfen die Schlupflöcher
durchsuchte, in die sich geschlagene deutsche Soldaten
zurückzogen. Er habe ihnen zugerufen, sich zu ergeben, und
ihnen eine Minute Zeit gegeben, danach - so versicherte er - habe
er die griffbereite Handgranate ins Erdloch geworfen. Solche
nachträglich eingefügten Passagen fallen deutlich
schwächer als die unmittelbaren Augenzeugenberichte aus, um
derentwillen es sich lohnen dürfte, das Buch zu lesen.
Osmar White
Die Straße des Siegers.
Eine Reportage aus Deutschland 1945.
Piper-Verlag , München/Zürich 2005; 294 S., 14,-
Euro
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