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Detlev Lücke
Schwächelnder Sieger Tony Blair
Britische Unterhauswahlen
Als "König ohne Land" steht Premierminister Tony nach den
britischen Unterhauswahlen vom 3. Mai 2005 da. Zwar errang die
Labour-Partei zum ersten Mal in ihrer Geschichte den dritten Sieg
in Folge, aber das zu einem sehr hohen Preis. Sie verlor fast 100
Mandate und liegt mit 356 Abgeordneten nur noch 32 Sitze über
der absoluten Mehrheit. Jedoch seit über 50 Jahren gab es
keinen Wahlsieger in Großbritannien mti einer derartig
niedrigen Siegquote wie Labour 2005 mit gerade mal 35,2
Prozent.
Ungeachtet dessen sprach Tony Blair über seinen großen
Stolz, "diesen historischen dritten Wahlsieg geschafft zu haben".
Dem Premier, dem die Medien und die übrige Öffentlichkeit
wegen seiner vermeintlichen Lügen für die Begründung
des Irak-Krieges sehr eingeheizt hatten, sagte: "Ich weiß,
dass der Irak ein strittiges Thema in Großbritannien ist. Aber
ich hoffe, dass wir uns wieder zusammenraufen und nach vorn schauen
können." Wofür der Politiker allen Grund hat, denn sein
Pyrrhussieg trägt bereits Spuren des innerparteilichen
Verfalls. Das betrifft vor allem inhaltliche Fragen innerhalb der
Fraktion wie die Einführung von Personalausweisen, die
Verschärfung der Einwanderungs-Bestimmungen oder den Neubau
von Atomkraftwerken. Von dem geforderten Rückzug der
britischen Truppen im Südirak ganz zu schweigen.
Inzwischen forderten mehrere Labour-Abgeordnete, unter ihnen
klangvolle Namen, den baldigen Rückzug ihres Frontmannes.
Viele bei Labour sind der Meinung, dass Tony Blair in einem
absehbaren Zeitraum die Regierungsmacht an seinen innerparteilichen
Rivalen Gordon Brown, einen ausgewiesenen Gegners des
Irak-Abenteuers übergeben sollte. Der gewann seinen
schottischen Wahlkreis Kirkcaldy mit respektablen 58,1 Prozent,
während sein Widersacher im nordostenglischen Wahlkreis
Sedgefield zwar auf 58,9 Prozent kam, aber über sechs Punkte
verlor.
Einst waren Blair und Brown in Oppositionszeiten enge Freunde,
heute sind sie harte Rivalen. Während Tony Blair vor den
Unterhauswahlen ankündigte, er werde keine vierte Amtszeit
mehr anstreben, aber seine jetzige zeitlich voll ausfüllen,
gibt es Druck auf baldigen Rücktritt durch seine Gegner.
Weshalb Blairs Vertraute streuen ließen, die Partei solle
Schatzkanzler Brown erst im Herbst 2008 zum neuen Mann an der
Spitze der Partei küren und mit ihm in den Wahlkampf 2009
ziehen.
Von diesem Revirement erhofft sich die Labour-Partei eine
Fortsetzung ihrer Herrschaft. Ein Ende durch die Opposition
müssen sie derzeit nicht fürchten. Denn die ist personell
nach wie vor schwach besetzt, obwohl sie ihren Stimmenanteil auf 33
Prozent verbessern konnte und 33 Sitze hinzugewann. Das Ergebnis
zeigt, welche Chance Tories und Liberale gehabt hätten, Blair
zu stürzen, wenn sie nur die richtigen Spitzenkadidaten ins
Feld geführt hätten. Die Konservativen räumten
inzwischen ein, dass ihre Partei in den vergangenen acht Jahren
nach dem Abgang John Majors sowohl inhaltlich wie personell kaum
vom Fleck gekommen ist. Sie verbrauchte drei Parteivorsitzende:
William Hague, Iain Duncan Smitz und jetzt Michael Howard. Der
verbreitete zwar einen Siegesoptimismus in Pastellfarben, glaubte
aber zum Schluss wohl selbst nicht mehr an eine Chance.
Liberale legen zu
Die Liberalen als konsequente Kriegsgegner und überzeugte
Anhänger der europäischen Einigung konnten zwar einen
Stimmenanteil von über 20 Prozent vorzeigen, scheiterten aber
erneut am britischen Wahlrecht, das ihnen nur zehn Prozent der
Parlamentssitze garantierte. Einen speziellen Wahlerfolg errang
George Galloway, der wegen seiner vehementen Haltung gegen den
Irak-Krieg aus der Labour-Partei ausgeschlossen worden war. Als
Kandidat seiner Partei-Neugründung Respect erzielte er auf
Anhieb in seinem nordöstlichen Londoner Wahlkreis 35,9 Prozent
der Stimmen und warf damit die Labour-Abgeordnete Oona King aus dem
Rennen, die ihrerseits eine treue Bundesgenossin Blairs im
innerparteilichen Streit und eine Verfechterin seiner Irak-Politik
ist.
Inzwischen führen Blair und Brown vor allem
Stellvertreterkriege, beispielsweise bei der Regierungsbildung um
Posten in der zweiten Reihe, dem "Aufmarschgelände" für
kommende Positionskämpfe. Bei den Schlüssel-Ressorts nahm
Tony Blair nur eine Umbesetzung vor. Neuer Verteidigungsminister
wurde der bisherige Gesundheitsminister John Reid, ein Vertrauter
des Premiers. Der Vorgänger Geoff Hoon wird
Labour-Fraktionschef, womit er automatisch einen Kabinettsrang
behält.
Aus taktischen Gründen bedachte der Premierminister auch
Angehörige des Brown-Lagers mit Posten. So erhielt
überraschenderweise Douglas Alexander, ein Freund des
Euro-Skeptikers Gordon Brown, das Europa-Ministerium. Ein
geschicktes Spiel über die Bande. Ed Balls dagegen, Browns
engster Vertrauter und Kandidat für den Chefposten im
Finanzministerium, wurde von Blair nicht mit
Regierungsverantwortung bedacht. Um den Nachfolger im Wartestand
gruppierte Blair seine eigenen Leute. David Blunkett, in der
vergangenen Legislaturperiode wegen einer Liebesaffäre
zurückgetretener Innenminister, wird neuer Arbeits- und
Sozialminister, die bisherige Wirtschaftsministerin Patricia Hewitt
wird dem Gesundheitsressort vorstehen, einer finanzpolitischen
Tretmine.
In der britischen Öffentlichkeit kann der
frischgekürte Wahlsieger nicht mehr allzuviele Punkte machen.
Die Filmschauspielerin Glenda Jackson, die New Labour lange Zeit
aktiv unterstützte, schrieb unter Verweis auf die Wahl: "Die
Botschaft ist klar. Die Wähler möchten, dass Blair
geht."
Bundeskanzler Gerhard Schröder gratulierte dem Wahlsieger
mit den Worten: Ich denke, mit deinem Wahlsieg hast du dir selbst
das größte Geburtstagsgeschenk gemacht." Blair wurde am
6. Mai 52 Jahre alt. Ob er den 53. noch im Amt feiern wird, bleibt
angesichts der Grabenkämpfe ungewiss.
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