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Norbert Mappes-Niediek
"Österreich ist frrei!"
Der denkwürdige Aufschrei des
Bundeskanzlers Figl
Pünktlich zum 50. Jahrestag der Befreiung Österreichs
von alliierter Besatzung ein neues Buch zum Staatsvertrag? Das
kommt einem logisch vor, verhält sich aber leider anders. Der
Amalthea-Verlag hat bloß einen Klassiker neu aufgelegt: Ernst
Trosts Biografie des Nachkriegskanzlers Leopold Figl, ein Buch, das
unter dem prachtvollen Titel "Leopold von Österreich" in
zahlreichen Bücherschränken zwischen Boden- und
Neusiedler See einen Ehrenplatz hält.
Man darf dieses Detail der Editionsgeschichte als Symbol
für das ganze "Gedenkjahr" nehmen, mit dem die Republik
Österreich von "60 Jahren Kriegsende" bis "50 Jahre
Wiedereröffnung des Burgtheaters" allerlei Jubiläen
zusammenfasst. Buch und Jahr dienen dazu, alte Gewissheiten
aufzufrischen. Kaum jemand kommt im Jahre 2005 auf die Idee,
über irgendetwas neu nachzudenken.
Das Buch des Journalisten Trost, der auch Biografien über
den Prinzen Eugen und den jüngst verstorbenen Papst
veröffentlicht hat, ist süffig erzählt und nett zu
lesen. Und es ist nicht einmal unkritisch: Trost zeichnet den Weg
des Niederösterreichers Figl vom Funktionär des
autoritären Ständestaats über den KZ-Häftling
zum ersten Bundeskanzler der "Zweiten Republik" schlüssig nach
und schließt so die Lücke zwischen liebgewordener
Heiligenlegende und präziser historischer Forschung.
Über alle Brüche hinweg bleibt ein plausibles Bild von
Figls Persönlichkeit erhalten: das eines ganz und gar
unintellektuellen, aber schlauen, ebenso trickreichen wie
treuherzigen Bauernjungen, der die offene Debatte scheute, weil er
ihr nicht gewachsen war, dem aber Kirche, Elternhaus und Bauerntum
einen zuverlässigen Kompass mitgaben. Trost kennt viele
Anekdoten, und da dergleichen im geistigen Umfeld Figls reich
gedieh, haben ihm alle Wegbegleiter des Kanzlers noch ein paar dazu
erzählen können.
Ob sich alles so zugetragen hat, wie Trost es so
überzeugend erzählt, kann man nicht wissen. Und selbst
wenn, hat man am Ende wenig gelernt. Dass die Wiederauferstehung
Österreichs aus dem Dritten Reich ein Husarenstückchen
gewesen ist, dass Figl die Russen mit seinem rustikalen Charme
bestach, dass man "net studiert" haben muss, um "g'scheit" zu sein
(obwohl Figl das sehr wohl hatte!) - das gehört ohnehin zu den
mythischen Gewissheiten, die allen schon in der Kindheit vermittelt
werden.
Bei Ernst Trost wird der Mythos zur beglaubigten, fast selbst
erlebten Geschichte. Wer sich das Vergnügen gönnt, sein
Buch zu lesen, sollte sich wenigstens auch die Mühe machen,
nach jedem Kapitel ein wenig nachzusinnen. Dabei kann man über
das fremd-vertraute Nachbarland dann doch eine Menge lernen.
Ernst Trost
"Österreich ist frei!"
Leopold Figl und der Weg zum Staatsvertrag.
Amalthea Verlag, Wien 2005; 372 S., 19,90 Euro
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