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Hartmut Hausmann
EU-Parlament für mehr Spielraum
Neue Arbeitszeitrichtlinie soll gleiche
Bedingungen schaffen
Nach langen Auseinandersetzungen zwischen Kommission und
Mitgliedstaaten und einem Eingreifen des Europäischen
Gerichtshofs steht jetzt die entscheidende Phase bei der
Gesetzgebung über Mindestnormen bei Arbeitszeitregelungen in
der Europäischen Union an. In erster Lesung hat das
Europäische Parlament am 10. Mai in Straßburg die von der
Kommission neu vorgelegte Arbeitszeitrichtlinie beraten und mit 345
gegen 264 Stimmen bei 43 Enthaltungen in vorher nicht erwarteter
Klarheit Stellung bezogen. Unstrittig zwischen Rat, Kommission und
Parlament ist, dass Arbeitnehmer in der EU nicht länger als 48
Stunden in der Woche arbeiten sollen. Allerdings will Brüssel
auf Druck aus einigen nationalen Hauptstädten den
Mitgliedstaaten die Möglichkeit gewähren, die Richtlinie
unter bestimmten Voraussetzungen und bei Zustimmung der
Arbeitnehmer nicht anwenden zu müssen. Das Parlament hält
von einer solchen Regelung á la carte nichts und will diese
Möglichkeit ganz abschaffen - um derart durchlöcherte
Arbeitszeitnormen, wie bei einem Schweizer Käse - und damit
Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Die Ausnahmeregelung soll
deshalb spätestens drei Jahre nach In-Kraft-Treten der neuen
Richtlinie abgeschafft werden. Weitreichend wird die Klausel bisher
von Großbritannien - bis zu 60 Stunden Wochenarbeitszeit -,
Zypern und Malta genutzt. Luxemburg nimmt die Ausnahmeregel im
Hotel- und Gaststättengewerbe, Deutschland, Frankreich und
Spanien nehmen sie im Gesundheitswesen in Anspruch.
Bereitschaftsdienste
Entgegenkommen zeigen die Europaabgeordneten dagegen bei der
Berechnung der Arbeitszeit. Hier stimmten sie dem Vorschlag der
Kommission zu, den Bezugszeitraum über die durchschnittliche
Wochenarbeitszeit von bisher vier auf zwölf Monate
auszudehnen. Dies soll mehr Flexibilität ermöglichen,
solange der Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer sichergestellt
wird. Denn Untersuchungen hätten eindeutig gezeigt, dass sich
Arbeitszeiten von mehr als 50 Stunden langfristig negativ auf die
Gesundheit auswirkten.
Nach dem der Europäische Gerichtshof 2004 bei der in
einigen Punkten heftig umstrittenen Definition der Arbeitszeit
festgestellt hatte, dass ein Bereitschaftsdienst grundsätzlich
als Arbeitszeit zu gelten hat, weil der Arbeitnehmer diese Zeit
weder frei nutzen noch voll zur Erholung einplanen kann, ist die
Auseinandersetzung in dieser Frage etwas entschärft worden.
Mehrere Mitgliedstaaten hatten daraufhin bereits ihre nationale
Gesetzgebung, insbesondere im Gesundheitssektor, geändert. So
wenden Frankreich, Spanien und Deutschland seit dieser Zeit die
Opt-out-Regelung im Gesundheitswesen an.
Da das Parlament aber die Opt-out-Möglichkeit abschaffen
will, andererseits aber auch dem Votum des EuGH folgt, wonach
Bereitschaftsdienst grundsätzlich als Arbeitszeit anzusehen
ist, soll den Mitgliedstaaten dadurch entgegen gekommen werden,
dass die inaktiven Zeiten des Bereitschaftsdienstes bei der
Berechnung der Wochenarbeitszeit angemessen gewichtet werden kann.
Doch sollte davon nicht extensiv Gebrauch gemacht werden, weil die
Praxis bei ärztlichen Bereitschaftsdiensten oder gar bei
Krankentransporten zeige, dass oft gar kein Unterschied zum aktiven
Dienst bestehe, erklärten die Abgeordneten Thomas Mann (EVP)
und Karin Jöns (PSE) übereinstimmend. Zu weit
ausgedehnter Bereitschaftsdienst gehe zu Lasten der Patienten. So
wirke sich anhaltendes Wachsein über 24 Stunden genau so
negativ aus, wie ein Alkoholpegel von ein Promille. Ärzte aber
müssten oft 30 Stunden am Stück arbeiten.
Da die Arbeitszeitrichtlinie den Arbeitnehmern mit Ausnahme von
Managern generell einen Grundschutz bieten soll, muss nach Ansicht
des Parlaments auch das Recht der Arbeitnehmer auf eine
arbeitsfreie Zeit von täglich zehn Stunden, Pausen
während der Arbeitszeit, eine maximale wöchentliche
Arbeitszeit von 48 Stunden und mindestens vier Wochen Jahresurlaub
besser durchgesetzt werden. So soll ein Arbeitnehmer
grundsätzlich auch nicht mehr als acht Stunden nachts
arbeiten.
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