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Susanne Sitzler
Auf gleicher Augenhöhe mit Politikern
Zum politischen Festival Berlin 05 werden
tausende Jugendliche in der Berliner Wuhlheide erwartet
Katja ist 27 Jahre alt und steckt gerade im
Examen. Trotzdem hat sie derzeit nur eines im Kopf: Berlin 05. Sie
und ihre Mädchen von "Pink Politics" werden nämlich dabei
sein, wenn sich vom 10. bis 12. Juni tausende junge Leute in der
Berliner Wuhlheide zu einem politischen Festival treffen. Seit
Februar überlegt sie mit ihren 13- bis 18-jährigen
Mitstreiterinnen, wie sie ihr Thema - "weibliche Vorbilder" - auf
dem Festival präsentieren können. Entschieden haben sie
sich für mehrere kleine Aktionen: Flugblätter verteilen,
eine Diskussionsrunde, und jede der pinken Aktivistinnen wird ein
T-Shirt tragen, auf dem ihr weibliches Vorbild prangt. Für
Katja ist das Joan Baez, weil sie die Songwriterin aus den
70er-Jahren für ihr politisches Engagement bewundert.
Was Katja und ihre Gruppe auf die Beine
stellen, ist beispielhaft für das Event. Denn einige der
jungen Mädchen engagieren sich zum ersten Mal politisch. Genau
das ist Ziel des Festivals: "Wir hoffen, mit diesem
jugendkulturellen Event auch junge Menschen zu erreichen, die sich
bisher eher zurückhalten, wenn es um Politik geht", sagt
Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für
politische Bildung (bpb), die Berlin 05 gemeinsam mit dem Deutschen
Bundesjugendring (DBJR) und dem Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) initiiert hat.
Doch neben denjenigen, die zum ersten Mal bei
einer politischen Aktion dabei sind, werden viele etablierte
Jugendgruppen, Verbände und Organisationen auf dem Festival
vertreten sein. Die Aktion der "Pink Politics" ist nur eine von
rund 300 geplanten. Mit von der Partie sind verschiedene
Initiativen und Netzwerke wie die Servicestelle Jugendbeteiligung,
Medico International, attac, YOIS, Schüler Helfen Leben, die
Muslimische Jugend, die Stiftung demokratische Jugend, der Chaos
Computer Club und andere Gruppen verschiedener Richtungen. Die
Berliner Wuhlheide wird sich für drei Tage in ein
Festivalgelände irgendwo zwischen Woodstock und Jugendmesse
verwandeln. Übernachtet wird in Zelten. Und bei Lesungen und
Diskussionen, Filmen, Vorträgen und Workshops kann sich das
jugendliche Publikum informieren, kennen lernen und
austauschen.
Was genau geboten wird, entscheiden die
Teilnehmer selbst. Die Jugendpresse Deutschland beispielsweise
erklärt, wie man eine Schülerzeitung gründet, die
JungdemokratINNEN und die Junge Linke debattieren über das
Thema "Schule", und team global organisiert eine
globalisierungskritische Stadtführung durch Berlin. Neben dem
breitgefächerten inhaltlichen Programm, an dem sich auch
Bundestagsabgeordnete, Vertreter des Landes Berlin und junge
Politiker wie Anna Lührmann (Bündnis 90/Grüne),
Julia Bonk (PDS) und Jens Spahn (CDU) beteiligen, gibt es Konzerte,
Sport und Wettbewerbe. "Engagement lohnt sich und macht Spaß -
das wollen wir den Jugendlichen bei unserem Festival zeigen",
betont Peter Ruhenstroth-Bauer, Staatssekretär im BMFSFJ. Weil
das Festival verschiedene Jugendszenen ansprechen soll, setzen die
Organisatoren auf ein umfangreiches Rahmenprogramm mit
Breakdance-Contest, Graffiti-Battle, Fußball-Turnier,
Street-Tennis und Beachvolleyball.
Und auch für die Konzerte hat man Bands
verschiedener Stilrichtungen - von Pop über HipHop bis Punk -
ausgewählt. Zu den Highlights zählen Die Fantastischen
Vier, Tocotronic, Stereo Total, Clueso, The Boonaraaas und
Klee.
Rund 4.500 Jugendliche haben sich bisher zu
Berlin 05 angemeldet, berichtet Nicole Ruhl vom
Organisationsbüro "Visionauten" in Leipzig. Bis zum Beginn des
Festivals rechnet sie aber mit doppelt so vielen, bei den
Konzertabenden sogar mit bis zu 10.000 Besuchern. Der Rahmen ist
also groß gesteckt.
Mit dabei ist auch Carsten König,
Vorsitzender der BUND-Jugend, die gemeinsam mit anderen
Verbänden das Jugendbündnis Zukunftsenergie
gegründet hat. Carsten interessiert sich mehr für die
inhaltliche Seite von Berlin 05. Das Rahmenprogramm und die
Größe des Events schrecken den 21-Jährigen eher ab:
"Vielleicht bin ich ja zu skeptisch", sagt er. "Aber solche
großen Veranstaltungen sind mir meist zu oberflächlich".
Carsten möchte bei Berlin 05 vor allem sein Projekt
vorstellen, das sich als offenes Netzwerk versteht und die
nachhaltige Energieversorgung ins Blickfeld rückt.
Natürlich rechnet er mit vielen Besuchern. "Aber wie aktiv
sind die?", das fragt er sich. Die meisten werden nach den drei
Tagen wieder abreisen, und es wird nicht viel hängen bleiben,
befürchtet er.
Doch Berlin 05 steht nicht für sich
allein - das Event ist zwar ein Höhepunkt, dennoch aber nur
Teil einer größeren Kampagne, die noch bis Anfang 2006
läuft: "Projekt P - Misch dich ein", lautet die Initiative,
die das politische Engagement von Kindern und Jugendlichen durch
Seminare und Informationen fördern will. Gerade die vielen
kleinen Projekte vor Ort sind es, die den Erfolg der Kampagne
ausmachen.
Bestes Beispiel dafür ist das
"Jugendbündnis Zukunftsenergie" selbst: Die jungen
Umweltaktivisten haben sich vor gut einem Jahr zusammengeschlossen.
Seither haben sie ihr Thema, die nachhaltige Energieversorgung,
schon bei mehreren Veranstaltungen präsentiert. Auch beim
Weltjugendtag im August in Köln werden sie mitmischen. Und
durch Projekt P ist es ihnen gelungen, im letzten Jahr eine
Vereinbarung mit Margareta Wolf, der Parlamentarischen
Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, zu
treffen.
"Come in Contract - Verhandeln auf gleicher
Augenhöhe" heißt dieses weitere Element der Projekt
P-Kampagne. Die Idee dahinter: Jugendliche und Politiker sollen
direkt und gleichberechtigt über ein Thema verhandeln. In
einem Papier werden die Ziele beider Parteien fixiert und sind so
überprüfbar. Jugendliche werden aktiv an Politik
beteiligt. In der Vereinbarung für Carstens Jugendbündnis
ist nun festgehalten, dass beide Seiten sich gegenseitig
regelmäßig austauschen und unterstützen. Ein
Jugendkomitee hat sich gegründet und sich bereits zwei mal mit
der Staatssekretärin getroffen. Die Politikerin ist jetzt
über die Forderungen der Jugendlichen im Bilde. Die wiederum
erhalten Informationen aus erster Hand und haben eine
Ansprechpartnerin, wenn sie beispielsweise Veranstaltungen
planen.
Über 100 lokale Jugendprojekte haben
seit Beginn der Kampagne solche Vereinbarungen mit erwachsenen
Entscheidungsträgern getroffen. DBJR-Vorsitzender Detlef Raabe
ist stolz auf diese Bilanz. An ihr misst er den Erfolg von Projekt
P - weniger an dem großen Hauptstadt-Event im Juni: "Berlin 05
ist ein toller Anlass für Jugendliche, sich auszutauschen, und
ich hoffe, dass möglichst viele kommen. Im Rahmen von Projekt
P ist für den DBJR allerdings die konkrete partizipatorische
Arbeit vor Ort besonders wichtig", sagt er. "Jugendliche
müssen sich politisch beteiligen können, und Politiker
müssen offen dafür sein. Beides ist mit ?Come in
Contract' gelungen."
Ein toller Anlass - das ist Berlin 05
für die Mädchen aus Katjas Gruppe genauso wie für
gestandene Jungaktivisten wie Carsten. Und natürlich auch
für diejenigen, die einfach nur kommen wollen, um sich zu
orientieren, um herauszufinden, welche Möglichkeiten der
Partizipation es gibt.
Ob das Festival ein Erfolg wird, das
hängt nach Katjas Meinung aber nicht nur von den Jugendlichen
ab: "Ich hoffe, dass es mit meiner Gruppe auch nach dem Festival
weiter geht", sagt sie. "Aber das liegt auch am Verhalten der
Politiker, die kommen. Die müssen den Jugendlichen zeigen: Ihr
werdet ernst genommen!".
Info:
Weitere Informationen zu Projekt P und
Anmeldung zum Festival Berlin 05 (10. bis 12.Juni) über die
Homepage www.projekt-p.de. Das Festival ist mit Sondertickets der
Deutschen Bahn für 29 Euro aus ganz Deutschland zu erreichen.
Der Eintritt beträgt 15 Euro.
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