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Ines Gollnick
Der Krisenerprobte: Karl Addicks
Parlamentarisches Profil
Mit seinen 54 Jahren ist Karl Addicks (FDP) noch ein
Jungpolitiker. Im November 2004 ging nach der Landtagswahl im
Saarland alles ganz schnell. Der FDP-Bundestagsabgeordnete
Christoph Hartmann wechselte aufgrund des guten Wahlergebnisses der
FDP von Berlin nach Saarbrücken. Addicks machte es umgekehrt
und rückte für ihn nach. Der Arzt ist also ein Spät-
und Quereinsteiger in die Bundespolitik. Mit ihm zu reden, zeigt
einen Vorteil. Er formuliert verständlich. Politikerdeutsch
ist ihm fremd. Er hält nach einem halben Jahr als Abgeordneter
fest: "Ich bin jetzt an einem Punkt, wo ich die Abläufe im
Bundestag ganz gut kenne. Jetzt werden die Ärmel
hochgekrempelt, es geht los, es werden jetzt Anträge
geschrieben und Gesetzentwürfe formuliert." Der
Petitionspolitiker - Addicks ist Obmann der FDP im
Petitionsausschuss - hat gelernt: "Mit Petitionen kann man etwas
bewegen. Sie sind ein Instrument, um zu erfahren, was draußen
eigentlich abgeht." Gemeint sind die Auswirkungen von Gesetzen, so
wie sie beim Bürger ankommen.
Addicks steht jetzt vor der großen Herausforderung, statt
Patienten medizinische Diagnosen zu stellen, Anträge und
Gesetzentwürfe zu formulieren oder mit zu verfassen. Der
Wechsel ist ihm nicht schwer gefallen. Und das hat mit einer sehr
schmerzhaften, persönlichen Erfahrung von Unfreiheit zu tun,
die schon etwas zurückliegt, aber mehr als einprägsam
war: Basra im Irak, 1990, Addicks, ausgebildeter
Allgemeinmediziner, Tropen- und Betriebsmediziner, ist Firmenarzt
für die Firma Strabag am internationalen Zivilflughafen. 2.000
Europäer mit Kind und Kegel brauchen einen europäischen
Mediziner. In der Nähe seiner Praxis bedrohen zwei junge
irakische Geheimdienstmitarbeiter Addicks massiv. Der
Auslöser: "Ich habe mit einem Japaner und einem Briten
sprechen wollen, die als so genannte menschliche Schutzschilde
interniert waren. Die machten da ihre Runde, meistens mit
Bewachern. Und als sie ohne Bewacher waren, bin ich hingerannt, um
zu fragen, ob ich etwas mitnehmen soll, eine Nachricht für die
Angehörigen oder so etwas. Ich hatte noch keine drei Worte
gesprochen, da kamen die Geheimdienstler angeschossen und haben
mich bedroht, hielten mir den Zeigefinger unter die Nase. Sie
sagten mir, wenn ich das noch einmal machte, ginge ich nach Bagdad
in den Keller." Diese Bedrohung für jemanden, der die Freiheit
quasi mit der Muttermilch ein gesogen hat, war für den
Deutschen eine einschneidende Erfahrung, vor allem, weil er seinen
Bedrohern nichts entgegensetzen konnte, so wie er es in Deutschland
gemacht hätte. "Ich habe mir damals gesagt, wenn ich jemals
hier herauskomme, man wusste ja nicht, was passiert, dann wirst du
an der Demokratie mitarbeiten und nicht nur meckern, wenn die da
oben etwas machen, was du nicht für richtig hälst."
Addicks sammelte in seinem Beruf umfangreiche internationale
Erfahrung. Nach Basra folgten Einsätze in Nigeria, in China
und in Marokko. 2002/2003 leitete er ein Entwicklungshilfeprojekt
für die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit in
Marokko. Dass er mit einer sehr breiten medizinischen Ausbildung
Mitte April 2005 in den Bundestagsausschuss für Gesundheit und
soziale Sicherung - zumindest als stellvertretendes Mitglied -
gekommen ist, liegt nahe. Dort will er sich eher im engeren Sinne
um medizinische Fragen kümmern. Vor der Sozialpolitik im
weiteren Sinne hat er ein wenig Horror, wie er sagt. "Das ist
für mich ein gordischer Knoten. Das System kriegen wir so
leicht nicht reformiert." Dass der Abgeordnete mit
Wahlkreisbüro in Saarbrücken im Ausschuss für
Entwicklungszusammenarbeit sitzt, verwundert nicht. "Das ist eine
sehr angenehme Zusammenarbeit. Ich glaube, die Kollegen
schätzen es auch, dass ich da mitarbeite. Ich bin zwar kein
Experte. Aber ich bringe eine andere Komponente hinein, weil ich
halt sehr lange in diesen Ländern gearbeitet habe. Ich
weiß aus der Praxis, wie sich alles abspielt, mit was man
rechnen muss."
Der Blick auf seine Biografie löst die Frage aus, ob mit
ihm ein Abenteurer nach Deutschland zurückgekehrt ist? Das
Wort "Abenteurer" hört er nicht gern, weil dieses ein eher
negativ besetzt sei. Also ein Tausendsassa? "Wenn sie wollen, kann
ich Ihnen auch die nächste Heizungsanlage einbauen oder Ihre
Wohnung elektrifizieren", erzählt er. Unerschrocken scheint
er, furchtlos im positiven Sinne wohl. Schreckliches hat er einiges
gesehen, beispielsweise in China, als auf einer Großbaustelle
ein Kavernenkraftwerk errichtet wurde und in den Berg
hineingesprengt werden musste. "Das sind die gefährlichsten
Arbeitsplätze, die es gibt, vor allem in einem so jungen
Gebirge wie dem Himalaja. Wir haben oft Fälle gehabt, wo
Menschen umgekommen sind. Wenn in einem Stollen 20 Tote und 30
schwer Verletzte waren, müssen sie als Firmenarzt in der Lage
sein, das zu managen."
Ist gegen eine solche Herausforderung die Jungfernrede über
das Statistikregistergesetz nennenswert? Das sei ein Bonbon
gewesen, auch wenn es keinen Spaß gemacht habe, darüber
zu sprechen. Zu später Stunde sei das Plenum gut gefüllt
gewesen, hatte die Regierungskoalition am Morgen doch ihre erste
Abstimmungsniederlage erlitten. Die Scheu zu reden, musste Addicks
abbauen. Das gibt er gerne zu. Am liebsten spricht er ganz ohne
Konzept zu Themen wie der Medizin. Hier kennt er sich aus.
Diskussionen auch wie jüngst an Schulen gefallen ihm und
sollen fester Bestandteil seiner Arbeit werden, nicht nur um
bekannt zu werden. "Ich will mich als Abgeordneter zum Anfassen
darstellen. So viele haben ein schlechtes Bild von Politikern. Ich
will versuchen, sehr früh im Laufe des Lebens eines Menschen,
das Interesse dafür zu wecken, dass man Politik machen muss."
Um als Politiker erfolgreich zu sein, sind einige Voraussetzungen
ganz wichtig: Ein entsprechendes Auftreten haben, offen sein, mit
Menschen umgehen können, ein freundliches Wesen haben, "auch
mal mit Leuten am Biertisch quatschen können", am Rednerpult
bestehen können, aber auch in einer Podiumsdiskussion. Das sei
schwieriger, als im Bundestag eine Rede zu halten. "Da kommen
unvermutet irgendwelche Fragen, da muss man wissen, wovon man
redet."
Eines steht bereits jetzt fest: Für unkonventionelle
Aufgaben ist Addicks der richtige Mann. Über Pfingsten flog er
nach Nigeria, um sich im Rahmen einer WHO-Impfkampagne
einzubringen. Die Kinderlähmung ist hier immer noch nicht
ausgerottet. "Ich werde an den entsprechenden Stellen darauf
hinweisen, dass Deutschland noch vor kurzer Zeit zehn Millionen
Dollar für den Ankauf von Impfstoff freigegeben hat. Das
müssen wir auch mal betonen."
Ganz andere Talente fordern den umtriebigen Mann in seinem
Privatleben, über das er sich nur spärlich auslässt.
Zeitweise sei er allein erziehender Vater seines
fünfjährigen Sohnes. Er lebt im Moment in einer
nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft mit der Nicht-Mutter seines
Kindes. Für solche Fälle hat die deutsche Sprache wohl
auch für einen klaren Formulierer nur Kompliziertes parat.
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