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Uta Martensen
"Es gibt keinen Schlussstrich"
Vor 60 Jahren endeten der Zweite Weltkrieg und
die NS-Diktatur
Mit einer gemeinsamen Gedenkveranstaltung haben Bundestag und
Bundesrat am 8. Mai im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes an
das Ende des Zweiten Weltkrieges und der NS-Diktatur erinnert und
der Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gedacht.
Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung vom Jungen Klangforum
Mitte Europa, in dem junge Musiker aus Tschechien, Polen und
Deutschland vereint sind.
Nach der bedingungslosen Kapitulation der Wahrmacht am 8. Mai
1945 seien die meisten Deutschen erleichtert darüber gewesen,
dass die Waffen schwiegen, stellte Bundespräsident Horst
Köhler in seiner Ansprache fest, zugleich aber "wie
betäubt von der Wucht der Niederlage". Allerdings habe das
Ende des Krieges noch lange nicht das Ende des Leids gebracht. Das
Unglück wirke bis heute fort. Die Deutschen blickten mit
"Schrecken und Scham" zurück auf den von Deutschland
entfesselten Krieg und den Zivilisationsbruch Holocaust, bekannte
Köhler. "Wir haben die Verantwortung, die Erinnerung an all
das Leid und seine Ursachen wach zu halten, und wir müssen
dafür sorgen, dass es nie wieder dazu kommt. Es gibt keinen
Schlussstrich", betonte der Bundespräsident.
Er gedachte, wie auch Bundestagspräsident Wolfgang Thierse
(SPD) in seiner Einführungsrede, der sechs Millionen
ermordeten Juden, der Sinti und Roma, der Kranken und behinderten
Menschen, der politisch Andersdenkenden und der Homosexuellen, die
verfolgt und ermordet wurden. In die Trauer um die Opfer der
Gewalt, "die von Deutschland ausging und die auf Deutschland
zurückschlug", schloss Köhler ausdrücklich auch die
deutschen Opfer ein, "weil wir gerecht gegen alle Völker sein
wollen, auch gegen unser eigenes".
Deutschland sei allerdings heute ein anderes Land als vor 60
Jahren, attestierte der Bundespräsident. Dieser Wandel im
Äußeren, vor allem aber im Inneren sei ein Grund zu
Freude und Dankbarkeit. "Diesen Dank", fuhr er fort, "schulden wir
an erster Stelle den Völkern, die Deutschland besiegt und vom
Nationalsozialismus befreit haben". Sie hätten Deutschland
nach dem Krieg eine Chance gegeben. Besonders betonte er den Wert
der transatlantischen Partnerschaft und "was wir gerade den
Vereinigten Staaten von Amerika zu verdanken haben" sowie die
guten, ja freundschaftlichen Beziehungen zum Staat Israel.
Europa sei heute geprägt von Freiheit, Demokratie und der
Geltung der Menschenrechte, so Köhler. Erstmals in seiner
Geschichte sei Deutschland rundum von Freunden und Partnern
umgeben. "Zwischen uns ist Krieg unmöglich geworden."
Im Rückblick auf die vergangenen 60 Jahre äußerte
Köhler die Gewissheit, "dass wir Deutschen den Weg zu unserer
freien und demokratischen Gesellschaft aus eigener Begabung zur
Freiheit gegangen sind". Deutschland habe sich als Nation
wiedergefunden und könne mit Mut in die Zukunft blicken. Zwar
gebe es leider auch Unbelehrbare, die zurück wollen zu
Rassismus und Rechtsextremismus. "Aber sie haben keine Chance", gab
der Bundespräsident sich überzeugt.
"Erinnern heißt, eines Geschehens so ehrlich und rein zu
gedenken, dass es zu einem Teil des eigenen Innern wird",
zititierte Bundestagspräsident Thierse aus der Rede Richard
von Weizsäckers zum 40. Jahrestag des Kriegsendes. 20 Jahre
später glaubten viele, er eingeschlossen, dass der ehrliche
Umgang mit der verbrecherischen Vergangenheit "zu einem Teil
unserer kollektiven Identität als Deutsche" geworden sei. Aus
der Erinnerung und dem Gedenken ergebe sich die Verpflichtung zur
Verteidigung der Demokratie.
Nach dem verlorenen Krieg sei die Niederlage Deutschlands
vollständig gewesen. Der Neuaufbau, so Thierse weiter, habe
nur durch eine ebenso vollständige Abkehr vom Faschismus
gelingen können. Das wurde nach seinen Worten für das
deutsche Volk zu einer Geschichte der Befreiung, die nach 45
Jahren, im Jahre 1990, mit der Wiedervereinigung vollendet
wurde.
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