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Ulrike Schuler
Der Fall Donald Rumsfeld
Kongress zum Völkerstrafrecht
Milosevic muss sich in Den Haag verantworten, auf die
Fährte von Pinochet setzte sich der spanische Ermittler Garzon
und ein Berliner Anwalt erstattete Anzeige gegen
US-Verteidigungsminister Rumsfeld wegen Folter im irakischen
Gefängnis Abu Ghraib - alles Anzeichen dafür, dass das
universelle Völkerstrafrecht auf gutem Wege ist? Oder stehen
diplomatische Rücksichten und politische Einflussnahmen
dennoch einer konsequenten weltweiten Strafverfolgung von
Menschenrechtsverletzungen im Wege? Mit diesen Fragen
beschäftigten sich am 11. Juni in Berlin Juristen aus aller
Welt auf Einladung des Republikanischen Anwaltsvereins (RAV) und
des Center for Constitutional Rights (CCR) unter dem Motto
"Globalverfassung versus Realpolitik".
Auch wenn die Vorträge und Diskussionsrunden an weltweite
Schauplätze von Massenmord, Kriegsverbrechen und Folter wie
Ruanda, Jugoslawien, Chile, Argentinien und Iran führten, zog
sich der Fall Donald Rumsfeld wie ein roter Faden durch die
Veranstaltung. Im November 2004 erstattete Rechtsanwalt Wolfgang
Kaleck im Namen von vier Irakern und des CCR unter anderem wegen
Folter Anzeige gegen Rumsfeld, den ehemaligen CIA-Chef George Tenet
und hochrangige US-Militärs beim Generalbundesanwalt.
Deutschland schien den Juristen für die Anzeige geeignet,
weil es 2002 ein recht fortschrittliches Völkerstrafrecht
einführte, das eine Strafverfolgung bei Kriegsverbrechen und
Menschenrechtsverletzungen vorsieht, auch wenn Tatort und
Täter keinen Deutschland-Bezug haben. Anfang Februar 2005
lehnte Bundesanwalt Kay Nehm die Aufnahme von Ermittlungen ab, da
"im Gesamtkomplex" Abu Ghraib bereits in den USA ermittelt werde.
Kaleck beantragte daraufhin ein Klageerzwingungsverfahren,
über das noch nicht entschieden ist.
Realpolitische Entscheidung
US-Anwalt Peter Weiss äußerte sich enttäuscht
über die Begründung von Nehm: "Es besteht nicht die
geringste Chance, dass in den USA hohe Offizielle wegen
Menschenrechtsverletzungen in Abu Ghraib verfolgt werden." Mit
seiner Argumentation habe der Generalbundesanwalt ein wichtiges
Gesetz auf Null reduziert, sagte Weiss. Jörg Arnold vom
Freiburger Max-Planck-Institut kommentierte: "Der
Generalbundesanwalt hat eine realpolitische Entscheidung getroffen,
dass Nichteinmischung in Angelegenheiten der USA über den
Menschenrechten steht." Auch der Jura-Professor und New Yorker
Anwalt Scott Horton betonte, dass es strafrechtliche Ermittlungen
in Sachen Abu Ghraib in den USA nur auf niedrigster Ebene der
Soldaten gebe. Der Berliner Jurist Florian Jessberger hält die
juristische Begründung Nehms unter anderem wegen des Verweises
auf die Behandlung des Gesamtkomplexes in den USA für nicht
überzeugend: "Nehm bewegt sich auf unsicherem Terrain."
Deswegen spricht nach Ansicht Jessbergers vieles dafür, nach
Abschluss der US-Verfahren in Deutschland erneut Klage
einzureichen.
Angesichts der Abweisung der Klage löste Christopher Hall,
Rechtsberater bei amnesty international, eine heftige Debatte
darüber aus, ob es für die Entwicklung eines Weltrechts
nicht günstiger gewesen wäre, mit
erfolgsversprechenderen, kleineren Fällen anzufangen, statt
auf die spektakuläre Anzeige gegen Rumsfeld zu setzen und sich
eine Abfuhr zu holen. "Macht es Sinn, sich gleich gegen einen Staat
zu wenden und zu verlieren", fragte Hall und plädierte
für einen strategischen Ansatz, um die Instrumente weltweiter
Strafverfolgung Stück für Stück zu schärfen.
"Ich frage mich, ob die Klage in Deutschland das Recht für die
Opfer gestärkt hat oder nicht", so der Londoner Jurist. Diese
Ansicht stieß auf leidenschaftliche Gegenredner.
CCR-Präsident Michael Ratner meinte: "Selbst wenn wir den Fall
verlieren, macht er Leuten Angst und das bedeutet mehr Schutz
für unsere Mandanten."
Verschärfte Verhörmethoden
Jessberger betonte, dass die Anzeige gegen Rumsfeld ein
Sonderfall sei, der besondere Aufmerksamkeit und bestimmte
Entscheidungen erwarten ließ. Deswegen könne daraus
nichts auf das Schicksal des Völkerstrafrechts abgeleitet
werden. Auch Kaleck verteidigte die Anzeige gegen die höchsten
politischen und militärischen Ebenen: "Die USA versuchen
derzeit ein Bild zu zeichnen, dass es Verfehlungen nur von
einfachen Soldaten gegeben habe." Scott Horton sprach von der
"dramatischen Wende", die die Abkehr der Bush-Regierung von
bisheriger Rechtspraxis bedeute, indem sie Folter unter dem Aspekt
militärischer Notwendigkeiten rechtfertige und
befürworte. Memoranden belegten, dass die Verschärfung
der Verhörmethoden nicht auf Wunsch der Verhörer geschah.
"Die Initiative ging vom Weißen Haus aus", so Horton. Michael
Ratner sekundierte, es gebe in den USA praktisch keine
Möglichkeit gegen die US-Administration, die die
Foltervorgänge seiner Meinung nach abgesegnet habe,
vorzugehen. "Deswegen sind die Vorgänge in Deutschland absolut
notwendig", urteilte der US-Anwalt.
Kaleck wandte sich gegen die Festlegung auf eine bestimmte
Strategie im Umgang mit dem Völkerstrafrecht und
plädierte für Flexibilität. Die Anzeige gegen
Rumsfeld habe vor dem Hintergrund der deutschen Debatte um eine
Legitimierung von Folter noch einen anderen Sinn gehabt: "Wir
wollten zeigen, dass die Diskussion über die Legitimität
von Folter nach Abu Ghraib führt." Die Entscheidung Nehms sei
kein Argument gegen das Völkerstrafrecht, das nur ein Mittel
neben anderen sei, um sich für Menschenrechte einzusetzen.
Kaleck wies darauf hin, dass man Menschenrechtsfälle oft nicht
aus juristischen Gründen verliere. "Wenn wir vor Gericht
verlieren, verlieren wir oft, weil wir nicht mächtig genug
sind. Wir müssen einfach mächtiger werden",
plädierte Kaleck in seinem Schlusswort.
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