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Robert Luchs
Hun Sen baut seine Macht aus
Kambodscha
Kambodscha ist auch zwölf Jahre nach den ersten freien
Wahlen noch weit von demokratischen Verhältnissen entfernt.
Ministerpräsident Hun Sen hat nach massivem Druck auf die
Nationalversammlung dafür gesorgt, dass die parlamentarische
Immunität von drei Oppositionspolitikern aufgehoben wurde,
unter ihnen Sam Rainsy, Vorsitzender der stärksten
Oppositionspartei. Die Politiker, neben Sam Rainsy sind dies Cheam
Channy und Chea Poch, suchten vorübergehend Schutz in der
US-Botschaft in Phnom Penh, bevor Rainsy und Chea Poch Kambodscha
verließen und in die USA ausflogen. Cheam Channy wurde
verhaftet. Ihnen war vorgeworfen worden, eine "illegale bewaffnete
Einheit" organisiert zu haben.
Die Demokratie ausgehöhlt
Nicht nur politische Beobachter in Phnom Penh sehen das Vorgehen
als einen erneuten Versuch des Regierungschefs, die Opposition
völlig auszuschalten und nahezu uneingeschränkt zu
regieren. Dies wäre ein großen Rückschlag für
die demokratische Entwicklung des südostasiatischen Landes,
dessen Haushalt zur Hälfte von der internationalen
Gemeinschaft finanziert wird. Bereits Ende April hat der Bundestag
einen Antrag der FDP-Bundestagsfraktion (15/5071) einstimmig
angenommen, indem die "volle Wiederherstellung der
parlamentarischen Rechte" der kambodschanischen
Abgeordnetengefordert wird. Hun Sen habe - von der internationalen
Öffentlichkeit fast unbemerkt - systematisch die Grundfesten
der demokratischen Ordnung ausgehöhlt.
Die letzten Parlamentswahlen im Sommer 2003 hatten zu keinen
klaren Mehrheitsverhältnissen geführt. Ein Jahr lang
hatte das Tauziehen zwischen Hun Sens ex-kommunistischer
Regierungspartei CPP, der Funcipec Partei von Prinz Norodom
Ranariddh, einem Sohn des früheren Königs Sihanouk, und
der Partei Sam Rainsys gedauert. Schließlich gelang es Hun Sen
mit einem beispiellosen Coup, sich die Mehrheit der Parlamentssitze
zu sichern. Nach unbestätigten Meldungen wurde Ranariddhs
Bereitschaft zur Koalitionsbildung mit der CPP mit einer Zahlung
von 30 Millionen Dollar und einem Privatflugzeug vergolten. Damit
wurden Ranariddh die Mandate abgekauft, die der
Ministerpräsident zur Festigung seiner Macht benötigte.
Ranariddh, seinem einstigen politischen Gegenspieler, den er 1977
mit einem blutigen Putsch vorübergehend aus dem Land verjagt
hatte, blieb der Posten des Präsidenten der
Nationalversammlung.
Scharfe Kritik an der Regierung
Brad Adams, Chef der Asien-Abteilung von Human Rights` Watch,
íst davon überzeugt, dass Hun Sen schon seit einem Jahr
nach einem Vorwand sucht, um Sam Rainsy auszuschalten. "Hun Sens
Vorgehen könnte eine Kehrtwende in der demokratischen
Entwick-lung hin zu einem Ein-Parteien-Staat bedeuten." Sam Rainsy
beurteilt die Situation ähnlich und ließ in einer in
Washington veröffentlichten Presseerklärung mitteilen,
Hun Sen unternehme Schritte, um wichtige Oppositionelle zu
eliminieren. Rainsy warf dem Ministerpräsidenten außerdem
vor, viele Millionen Dollar an internationaler Hilfe zu
veruntreuen. Wenn schon die Geberländer nicht kontrollierten,
ob ihre Unterstützung ankomme und effektiv sei, dann
müsse dies eine dynamische Opposition tun, betonte Rainsy.
Allerdings hatten die Geberländer schon einmal ihre
Entwick-lungshilfe storniert, als Hun Sen der Koalition mit Prinz
Ranariddh mit Gewalt ein Ende gesetzt hatte.
Oppositionspolitiker Sam Rainsy, der in der Vergan-genheit immer
wieder von den USA unterstützt worden ist, ist besorgt
über die Gewaltbereitschaft in seinem Land. Er teilt das
Schicksal vieler Politiker, die mit dem skrupellosen Hun Sen
zusammengearbeitet haben und nicht länger schweigen mochten.
Die anfängliche Kritik des früheren Finanzministers
Rainsy an seinem Kurs kam Hun Sen nicht ungelegen: Er nutzte sie
als Beweis für das vermeintlich demokratische Klima in seiner
Regierung. Als Rainsy immer schärfer die wachsende Korruption
im Regierungsapparat attackierte, wurde er 1994 von Hun Sen
entlassen.
Sechs Monate später wurde der unbequeme Politiker aus der
Funcipec-Partei ausgeschlossen und verlor auch sein
Abgeordneten-Mandat. Als er Streiks in Hongkonger und Taiwaner
Textilfabriken in Phnom Penh organisierte und erreichte, dass der
Monatslohn der Arbeiterinnen von 20 auf 40 Dollar monatlich
verdoppelt wurde, war Sam Rainsy mit einem Schlag der
populärste Politiker Kambodschas. Er gründete
zunächst die Khmer National Partei, die er wenig später
in Sam Rainsy-Partei umbenannte. Um Wahlkämpfe zu finanzieren,
verkaufte der auch im Ausland erfolgreiche Finanzberater einen Teil
seines Besitzes.
"Organisiertes Theaterstück"
Bei den letzten Wahlen hatte unser Mitarbeiter Gelegenheit, ein
Interview mit Sam Rainsy zu führen. Auf die Frage, ob er die
Wahl als frei und fair bezeichnen würde, sagte Rainsy: "Wir
haben es mit gefälschten Wahlen zu tun, weil die Kommunisten
diese Wahlen wie ein Theaterstück organisiert haben. Und wir
kennen das Ergebnis der Wahlen bereits im voraus. Die Kommunisten
werden 60 Prozent der Stimmen bekommen, obwohl sie nicht mehr als
ein Viertel der Stimmen bei freien und fairen Wahlen bekommen
würden."
Rainsy hat Korruption, Unterschlagung, Ämterpatro-nage und
die Zahlung von Schweigegeldern in Kam-bodscha durchschaut. Dass er
diese Machenschaften immer wieder mutig anprangerte, ist ihm erneut
politisch zum Verhängnis geworden. Sein künftiger
Spielraum in Kambodscha wird ein Gradmesser dafür sein, wie es
künftig um die demokratische Entwicklung in dem Land bestellt
ist.
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