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Von Götz Hausding
Schutz gegen Lohndumping oder Mindestlohn durch
die Hintertür?
Entsendegesetz im Bundesrat
umstritten
Die Absicht der Bundesregierung das
Arbeitnehmer-Entsendegesetz zu erweitern, hat im Bundesrat auf
unterschiedliches Echo gestoßen. In der Sitzung am 17. Juni
sprach der Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) von einem
"längst überfälligen Schritt", mit dem man die
Wettbewerbsregeln neu justieren könne. Arbeitsminister Andreas
Renner (CDU) aus Baden-Württemberg kritisierte den Entwurf.
Aus seiner Sicht will man so flächendeckend den gesetzlichen
Mindestlohn "durch die Hintertür" einführen.
Es müsse möglich sein, so Harald
Wolf, mit den Erträgen aus einer Vollzeitbeschäftigung
menschenwürdig zu leben. Angesichts des vermehrt zu
beobachtenden Lohndumpings sei dies jedoch in Deutschland nicht
immer gewährleistet. Die Ausweitung des Entsendegesetzes,
welches derzeit im Wesentlichen im Baubereich gilt und dort
dafür Sorge tragen soll, dass auch im Ausland ansässige
Arbeitnehmer bestimmte tarifrechtlich geregelte Arbeitsbedingungen
zu beachten haben, sei ein erster Schritt auf dem Weg zu fairen
Wettbewerbsbedingungen. Er baue auf die Kompetenz der
Sozialpartner, so Wolf. Sollte dies allerdings nicht wirken,
müsse man auch ernsthaft über gesetzlich festgelegte
Mindestlöhne sprechen. Diese schützten Beschäftigte
vor Lohndumping und Unternehmen vor unfairem Wettbewerb. Auch
wirtschaftspolitisch wäre die Einführung verbindlicher
Mindestlöhne ein Gebot der Vernunft: Sie stärkten die
Kaufkraft der Beschäftigten und stabilisierten damit die
private Nachfrage. Verbindliche Mindestlöhne wären im
Übrigen kein deutscher Sonderweg, stellte Wolf klar. Die
Europäische Sozialcharta fordere die EU-Mitgliedstaaten auf,
Löhne zu verhindern, die niedriger liegen als 68 Prozent des
nationalen Durchschnittslohns. Hochindustrialisierte Länder
wie Frankreich, Großbritannien oder die USA hätten
längst gesetzlich einen Mindestlohn definiert.
Mindestlöhne seien auch notwendig, um den europäischen
Integrationsprozess zu gestalten. Gerade in der Grenzregion
zwischen Deutschland und Polen stelle sich die Frage, ob man sich
mit Mindeststandards zukunftsfähig machen wolle oder neue
Schutzwälle zu errichten denke. Die kostengünstige
Konkurrenz aus Polen sei jedoch nur ein Teil des Problems. Der
Druck aus der Schwarzarbeit auf die Löhne sei noch viel
größer, sagte der Senator und forderte als
Gegenmaßnahme dazu auf, untere Lohnbereiche von den
Lohnnebenkosten zu befreien.
Als "falschen Weg zum Ziel" bezeichnete
Renner das Gesetz. Lohndumping und dem damit einhergehenden
Verdrängungswettbewerb entgegenzusteuern sei ein ehrenwertes
Ziel und in einigen Branchen wie beispielsweise der
Gebäudereinigung dringend nötig. Dies könne jedoch
kein "Persilschein" dafür sein, flächendeckend
Mindestlöhne für alle Bereiche einzuführen. Damit
greife man in die Tariffreiheit ein, die in Deutschland ein
außerordentlich hohes und im Grundgesetz verankertes Rechtsgut
sei.
Ökonomischer Irrweg
Auch aus ökonomischer Sicht seien
flächendeckende Mindestlöhne falsch. Gebraucht werde mehr
Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt und weniger staatliche
Vorgaben - das Gesetz bringe das Gegenteil. Es müsse versucht
werden, auch Arbeitskräfte mit niedriger Produktivität in
den Arbeitsmarkt zu integrieren statt sie auf Dauer
auszuschließen. Dies wäre jedoch möglicherweise eine
Folge dieser falschen Politik. Sollten in Deutschland
Mindestlöhne oberhalb der Produktivität gezahlt werden,
wanderten diese Arbeitsplätze mit ziemlicher Sicherheit ins
kostengünstigere Ausland ab, warnte Renner. Ihm sei durchaus
bekannt, dass in 18 von 25 EU-Staaten Mindestlöhne
existierten. Die Anwendung dieses Mittels sei jedoch nicht
zwangsläufig mit Erfolg verbunden. Es gebe zum einen viele
Umgehungsmöglichkeiten wie Schwarzarbeit,
Scheinselbstständigkeit und überlange Arbeitszeiten.
Außerdem müsse man sehen, dass es in vielen Ländern
deutliche Defizite in der sozialen Absicherung gibt. Deutschland
habe durch das Arbeitslosengeld II faktisch schon einen
Mindestlohn, stellte Renner fest. Das Gesetz helfe nicht weiter und
vergrößere die Probleme auf dem Arbeitsmarkt noch, sagte
er und forderte: "Ab damit in den Schredder!".
Dem wollte sich der Parlamentarische
Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Gerd Andres
(SPD), nicht anschließen. Mit dem Gesetz habe die
Bundesregierung auf die Hilferufe in verschiedenen Branchen
reagiert, sagte er. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sahen sich
Bedrohungen durch Lohndumping, insbesondere durch die neuen
EU-Mitgliedstaaten, ausgesetzt. Eine Ausnahme habe es gegeben: den
Baubereich. Dort gelte das 1996 verabschiedete
Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Dank der darin festgeschriebenen
tarifrechtlichen Regelungen sei die Entlassung von bis zu 250.000
Arbeitnehmern verhindert worden, hätten Umfragen in der
Baubranche ergeben. Wenig Verständnis habe er für
kritische Äußerungen, man wolle "über die
Hintertür" einen gesetzlichen Mindestlohn einführen.
Davon könne keine Rede sein. Die Bundesregierung wolle
geeignete Maßnahmen gegen das Lohndumping ergreifen, so der
Staatssekretär, der die Länderkammer um
Unterstützung dieser Vorhaben bat. Es helfe nicht, wenn man
immer nur in Sonntagsreden Lohndumping angreife - man müsse
auch etwas dagegen tun.
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