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Heike Schmidt
Besser als im Bundestag
Das Finale des Bundeswettbewerbes "Jugend
debattiert"
Sachkenntnis, Ausdrucksvermögen,
Gesprächsfähigkeit und Überzeugungskraft: Das waren
die Bewertungskriterien beim diesjährigen Bundeswettbewerb
"Jugend debattiert", der am 12. Juni in Berlin mit der
Preisverleihung durch Bundespräsident Horst Köhler im
Großen Sendesaal des RBB sein Ende fand. 56 Teilnehmer, die
sich vorher in den Wettbewerben auf Klassen-, Schul- und
Landesebene qualifiziert hatten, waren nach Berlin gekommen, um
sich - unterteilt in zwei Altersgruppen - in einer Debatte zu
behaupten. Insgesamt hatten sich 40.000 Schüler an dem Projekt
beteiligt, und auch die, die es nicht nach Berlin geschafft hatten,
profitierten vom Training, in dem es vor allem um die
Förderung rhetorischer und gesellschaftspolitischer Kenntnisse
ging.
In Berlin galt es wie in den Vorrunden, in der Debatte zu
glänzen. Drei Hürden galt es zu überstehen: In der
Eröffnungsrunde hatte jeder Teilnehmer zwei Minuten Zeit, sich
zu positionieren. Auf zwölf Minuten freie Aussprache folgte
die Schlussrunde, in der den Debattierern je eine Minute für
ihr Statement zur Verfügung stand. Sie mussten zu aktuellen
politischen Themen Stellung beziehen. Die Fragen wurden so
formuliert, dass sie auf eine eindeutige Positionierung in Ja und
Nein abzielten. Je zwei Teilnehmer debattierten jeweils auf der
Pro, zwei auf der Contra Seite mit- und gegeneinander.
Sprache ist Identität
Am Ende des Wettbewerbs standen sich acht redegewandte
Schüler in zwei Gruppen gegenüber. In der Altersgruppe I
(Klassen 8 bis 10) stand die Frage "Sollen in Deutschland
Mindestlöhne eingeführt werden?" zur Diskussion. Der Sieg
in dieser Gruppe ging an Maria Brier. Die 16-jährige
Schülerin aus Borken (Hessen) mit den Lieblingsfächern
Politik und Wirtschaft hatte am Wettbewerb die Möglichkeit
gereizt, etwas Neues zu lernen: "Es wird nicht vorausgesetzt, dass
man debattieren kann, sondern es wird gemeinsam mit den anderen
Schülern gelernt."
Auch für Hans-Georg Mock, den Gewinner in der Altersgruppe
II, ist "Jugend debattiert" eine Chance: "Der Wettbewerb ist eine
Möglichkeit, jungen Menschen die Kunst des Redens,
Argumentierens und Überzeugens nahe zu bringen - zum Gewinn
aller." Der Schüler aus Hannover setzte sich in der Debatte
zur Frage "Sollen Volksbegehren und Volksentscheid auf Bundesebene
generell eingeführt werden?" durch.
Der Wettbewerb, der 2001 von der Hertie-Stiftung ins Leben
gerufen und seit 2002 vom damaligen Bundespräsidenten Johannes
Rau gefördert wurde, will zur sprachlichen und politischen
Bildung in Deutschland beitragen. "Sprache ist die Ausdrucksform,
die ein Volk ausmacht. Sprache ist Identität", formulierte es
Michael Endres, der Vorstandsvorsitzende der Hertie-Stiftung, in
seiner Eröffnungsrede. Gemeinsames Miteinander-Reden solle die
Teilnehmer anregen, sich aktiv mit der Demokratie und den Meinungen
der Gesprächspartner auseinanderzusetzen.
Auch Bundespräsident Horst Köhler betonte in seiner
Rede, wie hoch die Bedeutung der Debatte als Form der
öffentlichen Auseinandersetzung sei. Die Fähigkeit
zuzuhören schaffe Vertrauen beim Gesprächspartner und sei
die Basis auf dem Wege zu einer eigenen Meinung. Für die
Teilnehmer bei "Jugend debattiert" sind dies
Selbstverständlichkeiten.
Jury und Publikum waren beeindruckt vom hohen Niveau der
Diskussionen und den rhetorischen Fähigkeiten der Teilnehmer.
Von den oft unproduktiven Rangeleien im Bundestag hoben sich die
Schüler-Debatten deutlich ab: Hier wurde zugehört und die
eigene Meinung mit Sachkenntnis vorgetragen und begründet.
Dafür gab es für die Teilnehmer ein großes
Kompliment von Sandra Maischberger, einer der Kuratorinnen des
Wettbewerbs: Von den Fähigkeiten der Schüler könne
so mancher Politiker noch etwa lernen, so die Journalistin. Ein
Hinweis, den die Debattierer vom Dienst sich zu Herzen nehmen
sollten: Gerade erst belegten sie in einer Umfrage der Zeitschrift
Reader's Digest zur Frage, wem die Deutschen vertrauen, den letzten
Platz.
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