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Günter Flott
Fairpress will aufklären
Online-Portal als Medienwächter
Seit Anfang Mai gibt es ein Online-Portal für jeden, der
sich gegen falsche oder ungerechte Medienberichterstattung wehren
will. "Fairpress. biz" heißen die Firma und die gleichlautende
Internet-Adresse. Das Portal will mehr sein als ein Pranger:
nämlich Dokumentations- und Dialogportal für
Medienwächter und Betroffene.
Michael Bogdahn, Chefredakteur von Fairpress.biz, hält die
bestehenden Sanktionsmöglichkeiten bei unfairer
Berichterstattung für unbefriedigend. Ein Beispiel gebe Udo
Ulfkotte ab. Ihn hat die "taz" am 18. August 2004 als einen "von
der FAZ wegen Käuflichkeit entlassenen Journalisten"
bezeichnet. Das hat der "taz" eine Unterlassungserklärung
eingebracht. Bei Wiederholung der Behauptung droht Bußgeld in
Höhe von 250.000 Euro. Ein wirklicher Gewinn sei dies für
Ulfkotte jedoch nicht, erzählt Bogdahn. Der Ruf von Ulfkotte
sei bereits nachhaltig geschädigt - selbst dann, wenn er auch
noch eine Gegendarstellung in der "taz" erwirken sollte. Zu viel
Zeit sei bis dahin vergangen.
"Fairpress.biz" macht sozusagen kurzen Prozess. Ungerechte,
einseitige, ehrverletzende Medienberichterstattungen können
hier sofort mit so genannten Gegenreden geahndet werden. Unter
anderem haben Veronika Ferres und die Deutsche Bahn davon bereits
Gebrauch gemacht. Ferres hat rechtliche Schritte gegen "Das neue
Blatt" einleiten lassen, das ihr unterstellte, ihr neu erworbenes
Grundstück mit einer dreistöckigen Festung zubauen zu
wollen. Die Deutsche Bahn weist Berichte der "Bild am Sonntag"
zurück, sie würde an der Instandhaltung des
Schienennetzes sparen. Der Dokumentation verpflichtet, enthalten
die Texte auch die Kontaktadressen und Telefonnummern der
Unternehmenssprecher und Anwälte.
Die Gegenredner müssen für ihren Auftritt bezahlen. Je
nach Umfang 250 bis 500 Euro kosten Gegenreden von Privatleuten wie
Veronika Ferres. Unternehmen zahlen 500 bis 1.000 Euro. Die
Gebühr ist bisher die einzige Einnahmequelle des werbefreien
Online-Portals. In Ausnahmefällen gewährt die neue Firma
auch eine Gegenrede zum Nulltarif: wenn zum Beispiel einem
Sozialhilfeempfänger übel mitgespielt worden ist. Die
Gebühr soll jedoch auch notorische Querulanten abschrecken und
gehaltvolle Gegenreden anlocken. Reiche Dauernörgler haben
gleichwohl keine Chance, versichert Bogdahn, weil Juristen und
Journalisten jede Gegenrede vor der Veröffentlichung auf
"relevantes Konfliktpotenzial" überprüfen.
Die drei festangestellten Redakteure arbeiten ferner an
reichlich Zusatzgarnitur für die Seite. Aktuelle
medienrechtliche Urteile werden unter "Aus dem Gerichtssaal"
aufbereitet, Verfahren, die sich anbahnen, landen unter "Aktuell".
Dort ist unter anderem zu lesen, dass Naddel gegen Nacktfotos in
der "Bild" vorgeht. Und auch der Fall Ulfkotte gegen die "taz" wird
hier dokumentiert. Wer den Artikel unter der Überschrift
"Klage eingereicht - Journalist Ulfkotte will Richtigstellung von
der taz" anklickt, findet dort auch Links zur Klageschrift und der
einstweiligen Verfügung, die Ulfkotte erwirkt hat.
Bogdahn betrachtet das Portal als ein sehr dynamisches System,
das durch die steigende Zahl an Fällen eine Archiv- und
Servicefunktion entfalten soll, von der vor allem ein Fachpublikum
profitieren kann. Studenten zum Beispiel, die eine Arbeit in
Medienrecht schreiben, können dann den Verlauf einer Falls
"von der ersten Äußerung bis zum Entscheid" nachlesen, so
die Vision des Fairpress-Chefredakteurs.
Das bisherige Echo der Medien - Kollegen und Zielscheibe
gleichzeitig - ist geteilt. Während die "Neue Zürcher
Zeitung" erstaunt fragt, warum "diese Geschäftsidee erst jetzt
ins Gespräch kommt", sieht die "taz" darin nur ein Weblog, das
den Betroffenen nicht wirklich eine geeignete Öffentlichkeit
bieten könnte. In der Tat kann eine Gegenrede nicht die
rechtlich geregelte Gegendarstellung ersetzen; ein Medienopfer hat
keinen Anspruch darauf, dass die Gegenrede im Gegensatz zur
Gegendarstellung auch in dem Medium erscheint, in dem zuvor der
"unfaire" Bericht publiziert worden ist.
Bogdahn glaubt an den Erfolg seiner Seite. Die Leute
prozessieren mehr, die Verlage sparen Personal und Honorar, die
Journalisten müssen schneller recherchieren und recherchieren
schlampiger. Der Teich der Zeitungsenten schafft Nachfrage nach
Entenjägern, so das Kalkül der Fairpress-Macher, die ihr
Geschäft als GmbH verrichten. Als Gesellschafter fungieren der
Medienrechtler Christoph Meyer-Bohl, der Medienberater Uwe Dulias,
Michael Bogdahn und Udo Röbel. Bogdahn hatte vorher sein Geld
als Chefredakteur bei "Bild.de" verdient; Röbel war Chef der
bekannteren Kiosk-Ausgabe. Ein Seitenwechsel? "Das wurden wir in
letzter Zeit häufig gefragt", sagt Michael Bogdahn und
erzählt von seinem Kollegen Udo Röbel, der zu seiner
"Bild"-Herrschaft auf der Seite zwei die Korrekturspalte
eingeführt hat: Dort wurde falsch Berichtetes vom Vortag
wieder richtig gestellt. Freiwillig! "Das ist ein Zeichen von
Größe", so Bogdahn.
Noch viel früher war Udo Röbel stellvertretender
Chefredakteur beim "Kölner Express". Im August 1988 stieg er
zur Reportagetour in das Auto der beiden Schwerverbrecher
Rössner und Degowki, als sie in Köln mit Geiseln einen
Zwischenstopp eingelegt hatten. Degowski hatte zu diesem Zeitpunkt
bereits einen 15-jährigen Jungen auf dem Gewissen. Dennoch
feierten zahlreiche Journalisten die Gangster wie Stars: machten
Fotos, baten um Interviews.
Nicht zuletzt Röbel ist damit immerhin eine engagierte
Debatte um Medienethik zu verdanken, die seinerzeit dazu
geführt hat, dass der Pressekodex um den Artikel 11.2
erweitert wurde, in dem es heißt: "Bei der Berichterstattung
über Gewalttaten, auch angedrohte, wägt die Presse das
Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen die Interessen
der Opfer und Betroffenen sorgsam ab." Und eindeutig: "Interviews
mit Tätern während des Tatgeschehens darf es nicht
geben." Wer es dennoch tut, wird künftig auf "Fairpress.biz"
geoutet.
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