Karl-Otto Sattler
Vertrauen zu Russland
Werbung für Wladimir Putin
Der Begriff ist aus der Mode gekommen. Aber es ist offenbar die
so genannte Realpolitik, die Gernot Erler als Richtschnur dient.
Mit "Wandel durch Annäherung" umschrieb man einst den Sinn
dieser während des Kalten Kriegs entworfenen
Entspannungspolitik. Mit Wladimir Putin eng kooperieren und
vertrauensvolle Kontakte nutzen, um etwas für demokratische
Fortschritte in dem Riesenreich zu tun: Das ist der Kern der vom
Autor propagierten Politik, in der man auch die von Gerhard
Schröder verfolgte Linie gegenüber seinem Freund in
Moskau erkennen kann. Allerdings drängt sich die Frage auf, ob
ein in der Ära der Blockkonfrontation sinnvolles Konzept heute
unter völlig anderen Bedingungen funktionieren kann.
Erler, Vize-Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, darf als
ausgewiesener Russland-Experte gelten. Kenntnisreich analysiert er
die Bedeutung des Tschetschenien-Kriegs und besonders des
Terroranschlags von Beslan sowie des Prozesses gegen den
Ölmagnaten Michail Chodorkowski für die zusehends
autokratischen Tendenzen unter Putin. Er bewertet diese Entwicklung
durchaus kritisch, benennt die rechtsstaatlichen Probleme des
Vorgehens gegen Chodorkowski oder die Instrumentalisierung des
tschetschenischen Terrors durch Putin für den Ausbau seiner
Machtposition.
Erler zeigt Verständnis für jene, die in Russland
demokratische Standards verletzt sehen. Doch er versucht auch zu
erklären, dass die Machtfülle Putins und dessen
"gelenkte" Demokratie dem Wunsch vieler Bürger nach stabilen
Verhältnissen entsprächen - eine Folge des Chaos unter
Boris Jelzin.
Der SPD-Politiker warnt davor, durch einen frontalen Gegenkurs
Putin aus den Armen westlicher Einbindung zu treiben und in
Russland einen Trend zur Isolation zu fördern - wobei auch
massive wirtschaftliche Interessen Deutschlands in Gefahr gerieten.
Als Beispiele für den Erfolg der eher diskreten Diplomatie
führt Erler die letztlich doch noch vollzogene Unterschrift
Moskaus unter das Kyoto-Protokoll und den deutsch-russischen
Jugendaustausch an.
Freilich konnte Putin bislang nicht zu einer neuen
Kaukasus-Politik bewegt werden; auch seinen autoritären Kurs
im Innern verfolgt der Präsident unbeirrt weiter. Die von
Erler entworfene Politik gegenüber Moskau bleibt vor allem ein
Wechsel auf die Zukunft, dessen Einlösung ungewiss ist. Wandel
wurzelt auch im Aufbegehren demokratischer Kräfte im Land
selbst, und die bedürfen internationaler politischer
Unterstützung.
Gernot Erler
Russland kommt.
Herder Verlag, Freiburg 2005; 190 S., 8,90 Euro
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