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Ines Gollnick
Die Emanze: Inge Wettig-Danielmeier
Parlamentarisches Profil
Es gibt ein Foto, da liegen sich die FDP-Abgeordnete Uta
Würfel und die Sozialdemokratin Inge Wettig-Danielmeier im
Deutschen Bundestag in den Armen. Es ging um sehr viel damals, um
eine Frage, die alle in der Gesellschaft anging und
beschäftigte. Die Reform des Abtreibungsrechts, des Paragrafen
218, war das Ergebnis eines langwierigen Prozesses, der für
alle politischen Lager schwierig war. Am 26. Juli 1992, als die
Mehrheit des Bundestages für die Reform des Paragrafen 218
stimmte, war der Gefühlsausbruch von Uta Würfel und Inge
Wettig-Danielmeier deshalb verständlich. Doch die Freude der
Abgeordneten erhielt Monate später einen Rückschlag. Der
vom Bundestag gebilligte Gruppenantrag scheiterte im Mai 1993 beim
Bundesverfassungsgericht. Zwei Jahre später nahm der Bundestag
das geänderte Gesetz dann mit großer Mehrheit an. Es sah
die Straffreiheit in den ersten drei Monaten nach einer
Pflichtberatung vor. Das Gesetz auf der Grundlage eines Konsenses,
für den sich alle bewegt haben, hat sich nach über zehn
Jahren bewährt. "Und der Konsens wird hoffentlich weiter
halten und höchstens in Randbereichen ergänzt werden",
kommentiert Inge Wettig-Danielmeier, die 1995 von einem
"historischen Kompromiss" sprach. Dass der Konsens überhaupt
zustande kam, ist ganz wesentlich mit ihr verbunden. Sie bewies
Durchhaltevermögen - trotz vieler Anfeindungen, die sie
überstehen musste. Die Reaktionen hatten extreme Formen
angenommen. Wettig-Danielmeier erhielt mehrmals Rattengift, in
anonymen Briefen fand sie tote Föten. Über Jahre wurde
sie als Mörderin beschimpft. Dennoch: "Ich finde, das war
letztendlich eine ganz Gewinn bringende Arbeit. Es hat sich
gezeigt, dass ich eigentlich ganz gut über Parteigrenzen
hinweg verhandeln kann." Wenn man sie im fünften Stock des
Willy-Brandt-Hauses so erzählen hört, fällt es nicht
schwer, sie sich als hartnäckige, unermüdliche, auch
eigensinnige Streiterin vorzustellen, die es sich und anderen nicht
immer leicht gemacht hat. "Was wir beim Paragrafen 218 erreicht
hatten, war ein Ergebnis, dass alle Seiten eigentlich
ursprünglich nicht wollten. Ich habe auch viel Kritik in
meiner eigenen Fraktion erlebt. Unsere besondere Leistung bestand
darin, dass wir darauf geachtet haben, dass alle damit leben
konnten: die katholische Abgeordnete genauso wie die ?weltliche'.
"
Die Frauenfrage war in Wettig-Danielmeiers politischem Leben
immer ein beherrschendes Thema, auch wenn sie nicht immer in der
ersten Reihe gekämpft habe, sagt sie im Interview mit "Das
Parlament". Auch bei der Frauenquote war sie lange im Zweifel, ob
sie der richtige Weg sei. Doch als Überzeugungsreden nichts
halfen, änderte sie ihre Meinung. Den Beschluss des
Münsteraner Parteitags im August 1988, Frauen in
Parteiämtern und Mandaten über eine Pflichtquote bis zu
40 Prozent zu beteiligen, konnte Wettig-Danielmeier als einen
Erfolg ihres unermüdlichen Ringens um Gleichberechtigung
verbuchen.
Wenn sie politische Erfolge beschreibt, macht sie das ganz
uneitel - ein Zug, der im heutigen politischen Geschäft
angenehm auffällt. Betitelt man Wettig-Danielmeier als
Feministin, so greift das sicherlich zu kurz, aber sie ist eben
genau das auch - und bezeichnet sich selbst auch mal als Emanze.
Nicht immer waren die Begriffe in der Vergangenheit als Kompliment
gemeint. Frauenrechtlerin nennt sie sich nicht so gern: "Es handelt
sich nicht nur um Rechte, sondern um tatsächliche
Veränderungen in der Gesellschaft. Die Rechte durchzusetzen
ist das eine. Die Fähigkeiten der Frauen zu entwickeln, die
Umstände so zu entwickeln, dass Frauen die Rechte
überhaupt in Anspruch nehmen können, das ist eine viel
umfassendere Aufgabe."
Für einen kurzen Moment Vergangenes in Zeitraffer zu
reflektieren, bietet sich bei Inge Daniel-Wettigmeier an, denn die
Diplomsozialwirtin mit dem Göttinger Wahlkreis wird nicht
wieder für den Bundestag kandidieren. Insgesamt 37 Jahre hat
Wettig-Danielmeier, verheiratet mit dem ehemaligen Europapolitiker
Klaus Wettig, dann auf Kreis-, Landtags- und Bundestagsebene als
Abgeordnete mitgearbeitet. Von 1981 bis 1992 war sie
Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer
Frauen. Fast zeitgleich hatte sie den Vorsitz der Kommission
für Bildungspolitik beim SPD-Parteivorstand. Seit 1991 ist sie
Schatzmeisterin der SPD. Ein Job, der mit Schlagzeilen verbunden
war, als sie beispielsweise im Rahmen der CDU-Spendenaffäre
vor dem Untersuchungsausschuss aussagen musste, der auch die
NRW-Affäre der SPD untersuchte. Damals übersandte
Wettig-Danielmeier dem Spendenuntersuchungsausschuss des
Bundestages eine teilweise geschwärzte Liste mit den Namen
Verdächtiger. Die Aufstellung von 41 Mitgliedern der
Kölner SPD, die möglicherweise fingierte
Spendenquittungen erhalten haben, war von einem
Wirtschaftsprüfer erstellt worden. Die Abgeordnete
begründete ihr Vorgehen mit der Wahrung der
Persönlichkeitsrechte möglicherweise Unschuldiger.
Die gesamte Parteifinanzaffäre in Deutschland habe sie
schwer erschüttert, so die Parlamentarierin. Die Kölner
Machenschaften lösen bei ihr immer noch Ärger aus, "dass
Menschen so etwas machen ohne jedes Schuldgefühl". Sie selber
habe sehr darauf acht gegeben, dass alles korrekt zugehe. "Wenn wir
es nicht schaffen, im Laufe der nächsten Jahre die
Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass das Finanzieren
von Parteien keine unanständige Aufgabe ist, können wir
uns diese Demokratie schenken. Parteien müssen arbeiten
können. Sonst funktioniert die Demokratie nicht", so ihr
Standpunkt.
Sollte es zu vorgezogenen Neuwahlen kommen, plant
Wettig-Danielmeier zwar nicht den Ausstieg aus der Politik, aber
doch mehr Zeit für Privates ein: mit dem Ehemann hin und
wieder verreisen, nichts Exotisches. Mehr Zeit für Theater und
Oper, für Kultur überhaupt, die lieben sie beide. Freunde
treffen - nicht so zwischen Tür und Angel. Und vielleicht wird
sie auch Oma.
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