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Das Parlament
Nr. 36 / 05.09.2005

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Susanne Kailitz

Von den Gedankenspielen bis zur mörderischen Tat

Dutschke, Baader und die RAF

Der Name Dutschke ist ein fester Bestandteil der deutschen politischen Kultur. Wie kein anderer stand Rudi Dutschke, der in der DDR geborene Soziologiestudent, für den massenhaften Protest westdeutscher Studenten in den Jahren 1967/68, der sich gegen den Vietnam-Krieg und eine fehlende Aufarbeitung der deutschen NS-Vergangenheit richtete und für mehr Demokratie und eine längst überfällige Hochschulreform kämpfte.

Vielen der heute ergrauten 68er galt Dutschke als Symbol eines gewalfreien Protests, der nichts zu tun hatte mit dem mörderischen Terror der Roten Armee Fraktion, die Anfang der 70er-Jahre den Kampf gegen den vermeintlich repressiven und imperialistischen Staat begonnen hatte. Dutschke wird dabei zum Gegenpart des RAF-Anführers Andreas Baader stilisiert - des Möchtegernguerilleros, der sich anders als der pazifistische Student für den bewaffneten Kampf und den Terror entschieden habe.

Dass es dennoch Parallelen im Denken beider Männer und ihrer Einstellung zur Gewalt gab, will der Hamburger Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar in seinem neuesten Buch nachweisen. In drei Aufsätzen von Kraushaar, Karin Wieland und Jan Philipp Reemtsma sollen die "Komponenten, aus denen die Terrorgruppe 'Rote Armee Fraktion' ihre Existenz konstituierte", vorgestellt werden: zum einen die theoretische Orientierung auf den bewaffneten Kampf der Neuen Linken am Beispiel Rudi Dutschkes, zum zweiten der Avantgardeanspruch durch Andreas Baader und zum dritten die RAF "als attraktive Lebensform".

Zu Beginn setzt sich Kraushaar mit dem Verhältnis Dutschkes zum bewaffneten Kampf auseinander. Dutschke hatte gemeinsam mit Hans-Jürgen Krahl im September 1967 auf einer SDS-Delegiertenkonferenz zur Gründung einer Stadtguerilla aufgerufen und gefordert, "die 'Propaganda der Schüsse' (Ché) in der ,Dritten Welt'" müsse durch die "Propaganda der Tat" in den Metropolen vervollständigt werden. Während dieses Dokument jedoch nicht neu ist, führt Kraushaar noch weitere Dokumente an, die ihm als Beweise dafür gelten, dass Dutschke durchaus ziemlich konkrete Überlegungen zur Bildung einer Guerilla gehabt habe.

In einem Brief an den Kommunarden Dieter Kunzelmann hatte Dutschke bereits im Januar 1966 geforderte, "härtere koordinierte Aktionen müssen sich der amerikanischen Escalation anpassen". In handschriftlichen Notizen entwickelte der später als pazifistische Ikone verehrte Student eine "Fokustheorie", in der "kleinste homogene Guerilla-Einheiten" ihren Ausgang nehmen und eine "Aufstandsphase der Revolution" einleiten sollten.

Emotionen

Das ist alles nicht neu - wer wollte, konnte schon in den zahlreichen Veröffentlichungen seiner Tagebücher und Notizen festellten, dass Dutschke Gewalt nicht abgelehnt hat. Kraushaar ist jedoch eine sachlich formulierte Analyse anzurechnen. Er versucht weder, Dutschkes Heiligenschein zu erhalten, noch den "Chefdenker" des Studentenprotests pauschal für das mörderische Treiben der RAF verantwortlich zu machen, die sich ja auch auf die Idee einer Stadtguerilla berief.

Damit steht Kraushaars Aufsatz im wohltuenden Gegensatz zu Jan Philipp Reemtsma. Dieser rechnet erbittert mit dem Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter ab, der den Versuch unternommen hat, die Lebensgeschichte der RAF-Terroristin Birgit Hogefeld zu verstehen. Reemtsma unterstellt Richter, zu den verständnisvollen Dritten zu gehören, "die die Sehnsüchte nach Authentizität, unentfremdetem Leben sine Undifferenziertheit und Dummheit teilen, sich aber nicht trauen, selber zuzuschlagen", ohne die terroristische Gruppen nicht erfolgreich sein könnten. Was diese wütende Demontage letztlich bezwecken soll, bleibt offen.

Ein dritter, wiederum ganz anderer Text bildet das Scharnier zwischen den Aufsätzen von Kraushaar und Richter. In einem sehr literarischen Essay portraitiert die Berliner Publizistin Karin Wieland den Terroristen Andreas Baader und bemüht sich, dabei seinen persönlichen Lebensweg wie auch die politischen Umstände, in denen er sich bewegte, nachzuzeichnen. Bader gilt ihr als narzisstischer Dandy, der handelte, um sich Machtgefühle zu verschaffen.

Die drei Texte bewegen sich auf drei ganz unterschiedlichen Ebenen und sind allenfalls lose miteiander verknüpft. Das ist schade, denn es hinterlässt den Eindruck, sie seien beliebig zusammengestellt worden - was der Qualität von mindestens zwei der drei Aufsätze nicht gerecht wird.


Wolfgang Kraushaar, Karin Wieland, Jan Philipp Reemtsma

Rudi Dutschke, Andreas Baader und die RAF

Hamburger Edition, Hamburg 2005; 143 S.; 12,- Euro

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