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Susanne Kailitz
Von den Gedankenspielen bis zur mörderischen
Tat
Dutschke, Baader und die RAF
Der Name Dutschke ist ein fester Bestandteil der deutschen
politischen Kultur. Wie kein anderer stand Rudi Dutschke, der in
der DDR geborene Soziologiestudent, für den massenhaften
Protest westdeutscher Studenten in den Jahren 1967/68, der sich
gegen den Vietnam-Krieg und eine fehlende Aufarbeitung der
deutschen NS-Vergangenheit richtete und für mehr Demokratie
und eine längst überfällige Hochschulreform
kämpfte.
Vielen der heute ergrauten 68er galt Dutschke als Symbol eines
gewalfreien Protests, der nichts zu tun hatte mit dem
mörderischen Terror der Roten Armee Fraktion, die Anfang der
70er-Jahre den Kampf gegen den vermeintlich repressiven und
imperialistischen Staat begonnen hatte. Dutschke wird dabei zum
Gegenpart des RAF-Anführers Andreas Baader stilisiert - des
Möchtegernguerilleros, der sich anders als der pazifistische
Student für den bewaffneten Kampf und den Terror entschieden
habe.
Dass es dennoch Parallelen im Denken beider Männer und
ihrer Einstellung zur Gewalt gab, will der Hamburger
Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar in seinem neuesten Buch
nachweisen. In drei Aufsätzen von Kraushaar, Karin Wieland und
Jan Philipp Reemtsma sollen die "Komponenten, aus denen die
Terrorgruppe 'Rote Armee Fraktion' ihre Existenz konstituierte",
vorgestellt werden: zum einen die theoretische Orientierung auf den
bewaffneten Kampf der Neuen Linken am Beispiel Rudi Dutschkes, zum
zweiten der Avantgardeanspruch durch Andreas Baader und zum dritten
die RAF "als attraktive Lebensform".
Zu Beginn setzt sich Kraushaar mit dem Verhältnis Dutschkes
zum bewaffneten Kampf auseinander. Dutschke hatte gemeinsam mit
Hans-Jürgen Krahl im September 1967 auf einer
SDS-Delegiertenkonferenz zur Gründung einer Stadtguerilla
aufgerufen und gefordert, "die 'Propaganda der Schüsse'
(Ché) in der ,Dritten Welt'" müsse durch die "Propaganda
der Tat" in den Metropolen vervollständigt werden.
Während dieses Dokument jedoch nicht neu ist, führt
Kraushaar noch weitere Dokumente an, die ihm als Beweise dafür
gelten, dass Dutschke durchaus ziemlich konkrete Überlegungen
zur Bildung einer Guerilla gehabt habe.
In einem Brief an den Kommunarden Dieter Kunzelmann hatte
Dutschke bereits im Januar 1966 geforderte, "härtere
koordinierte Aktionen müssen sich der amerikanischen
Escalation anpassen". In handschriftlichen Notizen entwickelte der
später als pazifistische Ikone verehrte Student eine
"Fokustheorie", in der "kleinste homogene Guerilla-Einheiten" ihren
Ausgang nehmen und eine "Aufstandsphase der Revolution" einleiten
sollten.
Emotionen
Das ist alles nicht neu - wer wollte, konnte schon in den
zahlreichen Veröffentlichungen seiner Tagebücher und
Notizen festellten, dass Dutschke Gewalt nicht abgelehnt hat.
Kraushaar ist jedoch eine sachlich formulierte Analyse anzurechnen.
Er versucht weder, Dutschkes Heiligenschein zu erhalten, noch den
"Chefdenker" des Studentenprotests pauschal für das
mörderische Treiben der RAF verantwortlich zu machen, die sich
ja auch auf die Idee einer Stadtguerilla berief.
Damit steht Kraushaars Aufsatz im wohltuenden Gegensatz zu Jan
Philipp Reemtsma. Dieser rechnet erbittert mit dem Psychoanalytiker
Horst-Eberhard Richter ab, der den Versuch unternommen hat, die
Lebensgeschichte der RAF-Terroristin Birgit Hogefeld zu verstehen.
Reemtsma unterstellt Richter, zu den verständnisvollen Dritten
zu gehören, "die die Sehnsüchte nach Authentizität,
unentfremdetem Leben sine Undifferenziertheit und Dummheit teilen,
sich aber nicht trauen, selber zuzuschlagen", ohne die
terroristische Gruppen nicht erfolgreich sein könnten. Was
diese wütende Demontage letztlich bezwecken soll, bleibt
offen.
Ein dritter, wiederum ganz anderer Text bildet das Scharnier
zwischen den Aufsätzen von Kraushaar und Richter. In einem
sehr literarischen Essay portraitiert die Berliner Publizistin
Karin Wieland den Terroristen Andreas Baader und bemüht sich,
dabei seinen persönlichen Lebensweg wie auch die politischen
Umstände, in denen er sich bewegte, nachzuzeichnen. Bader gilt
ihr als narzisstischer Dandy, der handelte, um sich
Machtgefühle zu verschaffen.
Die drei Texte bewegen sich auf drei ganz unterschiedlichen
Ebenen und sind allenfalls lose miteiander verknüpft. Das ist
schade, denn es hinterlässt den Eindruck, sie seien beliebig
zusammengestellt worden - was der Qualität von mindestens zwei
der drei Aufsätze nicht gerecht wird.
Wolfgang Kraushaar, Karin Wieland, Jan Philipp Reemtsma
Rudi Dutschke, Andreas Baader und die RAF
Hamburger Edition, Hamburg 2005; 143 S.; 12,- Euro
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