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Johanna Metz
Ein neuer Anfang für Europa
Damals ...vor 15 Jahren am 12. September: Die
Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrages
Der Abschluss von Friedensverträgen hat in der
Menschheitsgeschichte eine lange Tradition: Schon die antiken
Herrscher besiegelten manche Fehde mit Hilfe einer Keilschrift-
oder Hieroglyphentafel, auf der sie einander Anerkennung und
Unterstützung versprachen - wie der ägyptische Pharao
Ramses II. und der Hethitierkönig Muwatalli III. 1259 vor
Christus. Sie hatten viele Jahre um die Vorherrschaft in
Vorderasien gekämpft, aber im Angesicht der syrischen Eroberer
zusammen gehalten. Zum beiderseitigen Vorteil: Ihre Reiche erlebten
noch unter Ramses' und Muwatallis' Nachfolgern eine Zeit des
Friedens und des Wohlstands. Das ist 3.000 Jahre her - der Pakt
zwischen Ägyptern und Hethitiern gilt als ältester
bekannter Friedensvertrag der Geschichte.
Viele Friedensschlüsse, Waffenstillstandsabkommen und
Kapitulationserklärungen später, sind wir in der
Gegenwart angekommen, bei einem der bedeutendsten Verträge des
vergangenen Jahrhunderts: Nur wenige Monate nach dem Fall der
Berliner Mauer stimmten am 12. September 1990 die vier
Siegermächte des Zweiten Weltkrieges der Einheit Deutschlands
im Zwei-plus-Vier-Vertrag zu und gaben damit dem wiedervereinigten
Staat seine volle Souveränität zurück. Das
hieß: 45 Jahre nach Ende des Krieges zogen sich die Alliierten
aus Deutschland zurück und übergaben die Verantwortung
für die inneren und äußeren Angelegenheiten dem
deutschen Souverän. Der Weg zur Wiedervereinigung war frei,
die über Jahrzehnte unbeantwortete deutsche Frage
gelöst.
Dabei war der Zwei-plus-Vier-Vertrag, den die sechs
Außenminister in Moskau unterzeichneten, formell gar kein
Friedensvertrag. Der "Vertrag über die abschließende
Regelung in Bezug auf Deutschland" regelte zwar alles, was ein
Friedensvertrag auch geregelt hätte, nämlich die
Bündniszugehörigkeit des vereinigten Deutschland, die
Reduzierung seiner Streitkräfte, den Verzicht auf ABC-Waffen
und die endgültige Anerkennung der bestehenden Grenzen, aber
er war kein Anknüpfungspunkt für mögliche
Reparationszahlungen. Dafür hätten viele andere Staaten
in die Moskauer Gespräche einbezogen werden müssen, jene
nämlich, mit denen das Dritte Reich Krieg geführt
hatte.
So aber beschäftigte die Außenminister der
Siegermächte, Roland Dumas (Frankreich), Eduard Schewardnadse
(Sowjetunion), James Baker (USA) und Douglas Hurd
(Großbritannien) vor allem eine Frage: Sollte das künftig
wiedervereinigte Deutschland Mitglied der NATO sein? Oder sollte es
lieber neutral bleiben und weder NATO noch Warschauer Pakt
angehören?
Amerikaner, Franzosen und Briten forderten von Beginn der
Verhandlungen an, dass auch ein vereintes Deutschland seinen
Verpflichtungen gegenüber der NATO nachkommen müsse. Die
sowjetischen Verbündeten, allen voran Polen und die
Tschechoslowakei, hielten ein in das westliche Bündnis
eingebundenes Deutschland ohnehin für weit weniger
gefährlich. Nur die sowjetische Führung plädierte
für strikte Neutralität. Eine Ausweitung der NATO bis an
die deutsch-polnische Grenze wollte sie nicht einfach hinnehmen. Um
die Russen zu einem Kompromiss zu bewegen, machte die
Bundesregierung ihnen ein Angebot: Den Abschluss eines umfassenden
bilateralen Vertrages, der die Beziehungen beider Staaten auf eine
gemeinsame Grundlage stellen sollte. Am 13. September 1990, einen
Tag nach Abschluss des Zwei-plus-Vier-Vertrages, unterzeichneten
der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher und sein
sowjetischer Amtskollege Eduard Schewardnadse, wie vereinbart, in
Moskau den "Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und
Zusammenarbeit mit der Sowjetunion".
Das Entgegenkommen der Deutschen schaffte Vertrauen zwischen den
Verhandlungsparteien und erleichterte der UDSSR manches
Zugeständnis: Die Sowjetunion betonte fortan, dass ihr vor
allem daran gelegen sei, die Zahl der Bundeswehrsoldaten und der
Kernwaffen auf deutschem Boden deutlich zu verringern. Der
NATO-Mitgliedschaft Deutschlands stimmte sie zu.
Damit war, nur wenige Monate nach Beginn der Gespräche im
kanadischen Ottawa, der Durchbruch gelungen. Alle vier
Siegermächte hatten der Wiedervereinigung zugestimmt -
für Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher Grund
genug, am 20. September 1990 vor dem Deutschen Bundestag mit
Zuversicht in die Zukunft zu blicken: "Die Unterzeichnung dieses
abschließenden Dokumentes bildet den Schlusspunkt der
europäischen Nachkriegsgeschichte. Uns Deutschen eröffnet
sich eine neue Chance."
Zwei Wochen später war die deutsche Einheit perfekt.
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