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Susanne Kailitz
Taktik an der Urne
Die Nachwahl in Dresden bestätigt die
Ergebnisse vom 18. September
S o viele Sieger hat selten eine Wahl hervorgebracht: Auch nach
der Nachwahl in Dresden am 2. Oktober jubelten wie schon zwei
Wochen zuvor wieder alle Parteien - die CDU über das
Direktmandat für ihren Kandidaten, die SPD über ihren
Zweitstimmensieg und die FDP über ihr fulminantes
zweistelliges Ergebnis. Mit der Nachwahl in Dresden, die nötig
wurde, weil eine NPD-Kandidation gerstorben war, ist die
Bundestagswahl 2005 nun endgültig abgeschlossen. Das Dresdner
Ergebnis war zwar mit Spannung erwartet worden, konnte am
Endergebnis aber nichts Entscheidendes mehr ändern: Das
Direktmandat im Wahlkreis 160 holte der CDU-Kandidat Andreas
Lämmel, bei den Zweitstimmen lag die SPD mit mit 27,9 Prozent
vor der CDU (24,4 Prozent), der Linkspartei (19,7 Prozent), der FDP
(16,6 Prozent) und den Grünen (7,1 Prozent).
Mit ihrer Wahl haben sich die Dresdner als Taktiker erwiesen:
Viele CDU-Anhänger gaben ihre Zweitstimmen der FDP und
tricksten damit das schwierige deutsche Wahlsystem aus. Rund 38.000
Stimmen konnte die CDU im Wahlkreis 160 auf sich vereinigen - und
lag damit um etwa 4.000 Stimmen unter der Grenze, bei deren
Überschreiten die Union bundesweit wieder ein Mandat verloren
hätte. Möglich macht dieses Paradoxon das komplizierte
Sitzverteilungsverfahren nach Hare-Niemeyer: Hätte die CDU in
Dresden so viele Stimmen erhalten, dass ihr das Direktmandat auch
nach den Prozentzahlen zugestanden hätte, hätte sie ein
anderes Mandat wieder abgeben müssen. Dass dies nicht
eingetreten ist, belohnte die CDU-Vorsitzende Angela Merkel denn
auch mit einem Kompliment: Die Sachsen seien "schlaue Leute", so
ihr Fazit am Nachwahlabend.
Das Dresdner Ergebnis erlaubt es der CDU/CSU-Fraktion, ihren
Vorsprung vor der SPD im Bundestag auszubauen. Sie verfügt
künftig über 226 Sitze, die Sozialdemokraten über
222. Die Unionsfraktion sieht sich durch das Ergebnis in ihrem
Anspruch gestärkt, eine Regierung unter Bundeskanzlerin Angela
Merkel zu bilden. Die CDU-Vorsitzende appellierte an die
"vernünftigen Kräfte in der SPD, dass die Dinge einen
vernünftigen Verlauf nehmen". Auch FDP-Chef Guido Westerwelle
sagte, das Wahlergebnis in Dresden sei ein "klarer Fingerzeig an
Schröder, mit einem schnellen Rückzug den Weg für
die Regierungsbildung im Bund freizumachen".
Die SPD-Führung allerdings hält weiter an Gerhard
Schröder fest - obwohl der Bundeskanzler am 3. Oktober
erklärte, er wolle "nicht einer Entwicklung zur
Fortführung des von mir eingeleiteten Reformprozesses" und der
Regierungsbildung im Wege stehen. Es gehe nicht um seinen Anspruch
und "schon gar nicht um meine Person". SPD-Chef Franz
Müntefering bekräftigte, dass die Sozialdemokraten
Schröder für den "besseren Kanzler" hielten. In den
Sondierungsgesprächen zwischen CDU/CSU und SPD begegneten sich
"zwei gleich große Partner auf gleicher Augenhöhe". Die
Kanzlerfrage müsse gemeinsam mit der Verteilung der anderen
Kabinettsposten geklärt werden. Der konservative Seeheimer
Kreis in der SPD-Bundestagsfraktion schlug unterdessen vor, die
Kanzlerschaft in einer großen Koalition zwischen Schröder
und Merkel aufzuteilen. Es gehe "nur mit der israelischen
Lösung", so der Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes
Kahrs.
Um diese Fragen zu klären, rissen die Spitzengespräche
in der vergangenen Woche nicht ab: Noch am Wochenende verhandelten
die Spitzen von Union und SPD im Acht-Augen-Gespräch.
Auf welche Ergebnisse sich Angela Merkel, Edmund Stoiber,
Gerhard Schröder und Franz Müntefering dabei einigten,
war bei Redaktionsschluss noch nicht klar. Während der
Gespräche hatten die Parteispitzen ein "Schweigegelübde"
abgelegt und so die Gerüchteküche angeheizt. Die
vieldiskutierte Variante, Gerhard Schröder könne das Amt
des Vizekanzlers übernehmen, hatte der amtierende Kanzler aber
im Vorfeld gewohnt selbstbewusst ausgeschlossen: Er sei in seinem
politischen Leben "noch nie Juniopartner" gewesen.
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