"Die Aufmerksamkeit für Konflikte hält
nicht lange an"
Interview mit David Harland, Leiter der "Best
Practices"-Einheit in der Hauptabteilung für
Friedenseinsätze der Vereinten Nationen
Immer wenn auf der Welt die Alarmglocken
schrillen, wird kollektiv auf die Vereinten Nationen geblickt. Bei
der friedlichen Beilegung von Konflikten und nicht zuletzt beim
Aufbau neuer staatlicher Strukturen (Nation-Building) fällt
den Vereinten Nationen eine Schlüsselrolle zu. Dieser
Herausforderung scheinen sie allerdings nur bedingt gewachsen.
Trotz kürzlicher Erfolge in der Stabilisierung von Ost-Timor
und Sierra Leone, versucht die UNO vergeblich die Verbrechen im
Kongo und im Sudan dauerhaft einzudämmen. Die Bilanz ihrer
Arbeit ist ernüchternd: In der Hälfte aller befriedeten
Staaten bricht durchschnittlich in weniger als fünf Jahren
erneut ein Krieg aus. Eine weitreichende Reform soll Abhilfe
schaffen. Dabei geht es nicht nur um die vieldiskutierte
Erweiterung des Sicherheitsrats, sondern auch um den effizienteren
Einsatz von Truppen und zivilen Hilfskräften bei der
dauerhaften Schaffung von Frieden als Fundament der Staatenbilung.
Über die Möglichkeiten und Grenzen des UNO-Engagements
bei der Staatenbildung hat "Das Parlament" mit David Harland
gesprochen. Er ist der Leiter der "Best Practices"-Einheit in der
Hauptabteilung für Friedenseinsätze (Department of
Peacekeeping Operations) der Vereinten Nationen.
Das Parlament: Nation-Building
gehört eigentlich nicht zu den originären Aufgaben der
Vereinten Nationen. Trotzdem erhebt die UNO bei ihren
Einsätzen mehr und mehr den Anspruch, Staaten dauerhaft zu
stabilisieren. Warum?
David Harland: Stimmt, Nation-Building
steht nicht in der Charta der Vereinten Nationen. Allerdings sind
auch Blauhelmeinsätze dort nicht explizit aufgeführt und
trotzdem ist die Entsendung von Truppen Teil der UN-Missionen. Die
Art der Kriegsführung hat sich verändert. Heute sind die
meisten Kriege Bürgerkriege, die in sehr schwachen und
für Gewalt anfälligen Staaten ausbrechen. An der
Verbindung zwischen Afghanistan und den terroristischen
Anschlägen in den USA 2001 haben wir gesehen, dass es einen
Zusammenhang zwischen Staatenzerfall und kollektiver Sicherheit
gibt. Da sich die UNO der Wahrung des internationalen Friedens und
der kollektiven Sicherheit verpflichtet hat, müssen wir uns um
diese Konflikte kümmern.
Das Parlament: Was ist die spezifische
Stärke eines UN-geführten Wiederaufbaus eines
Staates?
David Harland: Die Stärke der UNO
ist die Bandbreite ihrer Einsatzmöglichkeiten. Wir haben das
militärische, politische, humanitäre und
entwicklungsmäßige Potenzial, um zerütteten Staaten,
in denen die Gesellschaftsstrukturen zerfallen sind, etwas zu
bieten. Wir können Gewalt eindämmen und auf dieser
Grundlage Sicherheit schaffen. Wenn man sich die USA anschaut und
ihren Einsatz im Irak, sieht man, wie schwierig es ist, die ganze
Pallete an Maßnahmen zu beschliessen und effektiv einzusetzen.
So gesehen haben die Vereinten Nationen eine gute Mischung
gefunden.
Das Parlament: In Somalia, Ruanda und
auf dem Balkan hat die UNO ihre Ziele nicht erreicht. Kann die UNO
Völkermord und Massaker in Zukunft verhindern?
David Harland: Wir sind immer noch im
Kosovo und ich hoffe, dass wir dort größere Gewalt
künftig verhindern können. Generell glaube ich, dass die
UNO ein relativ effektives Instrument ist, wahrscheinlich das
effektivste, das wir zurzeit haben. In den letzten 15 Jahren haben
wir uns zu bestimmten Zeitpunkten auf verschiedene Art und Weise in
den Kreislauf eines Konflikts eingeschaltet, in Guatemala und El
Salvador, Namibia und Mosambik, Kambodscha, Sierra Leone, Ost-Timor
und vor kurzem in Burundi. Wir konnten diese Konflikte
stabilisieren und in vielen Fällen konnten wir sie auf den Weg
einer friedlichen und anhaltend positiven Entwicklung
bringen.
Das Problem, das wir haben - im Übrigen
nicht nur wir, sondern auch viele andere internationale Akteure -,
sind diejenigen Fälle, in denen man die Staaten stabilisieren
kann, aber in denen Stabilität nicht ausreicht. Wenn wir das
Engagement beenden, können diese Staaten sehr leicht wieder in
einen Krieg zurück-fallen. In Haiti zum Beispiel hatten die
UNO, die USA und die multinationalen Truppen mehrere Einsätze
und sind wieder abgezogen. In Haiti sind jedesmal wieder Unruhen
ausgebrochen, weil staatliche Institutionen fehlen, die
Wirtschaftswachstum lenken und soziale Stabilität garantieren
können. Die Herausforderung für die Vereinten Nationen
besteht darin, Methoden zu finden, wie man mit solchen Problemen
des Rückfalls in einen Konflikt umgehen kann.
Das Parlament: Zurzeit liegt die
Rückfallquote bei 50 Prozent.
David Harland: Richtig, etwa die
Hälfte der Friedensabkommen werden innerhalb von fünf
Jahren gebrochen. Statistisch gesehen gibt es zwei Zeitspannen, die
uns Sorgen machen. Die erste Phase sind die ersten sechs bis
zwölf Monate nachdem ein Friedensabkommen unterzeichnet wurde.
Es gibt noch große Teile der Bevölkerung, die bewaffnet
sind, es herrscht eine sehr labile politische Situation und oft
gibt es ein legales Vakuum. In dieser ersten Zeit besteht die
Herausforderung darin, Sicherheit zu vermitteln, Sicherheit vor
einer Einmischung von außen, als auch Sicherheit innerhalb
eines Landes. Kämpfer müssen entwaffnet, demobilisiert
und in die Gesellschaft reintegriert werden. Die Menschen
müssen das Gefühl bekommen, dass Frieden ihnen mehr
bietet als der Krieg. Dazu zählen auch Bemühungen,
Arbeitsplätze zu schaffen, wenn auch erstmal für kurze
Zeit.
Die zweite riskante Phase beginnt drei Jahre
nach dem Friedensabkommen, wenn sich das internationale Interesse
und die Aufmerksamkeit der Geldgeber verlagert hat. Für die
Außenwelt sind diese Länder stabil, aber oft sind die
Erwartungen der Bevölkerung nicht erfüllt worden. Wir als
internationale Gemeinschaft müssen den Einsatz in beiden
Phasen verbessern, sowohl wenn es um die Schaffung von Sicherheit
geht, als auch wenn es darum geht, eine anhaltende Hilfe zu
gewähleisten und das Wirtschaftswachstum zu
fördern.
Das Parlament: Sind Konzepte, wie
Entwaffnung von Kombattanten, Rechtsstaatlichkeit und
funktionierende staatliche Institutionen für ein UN-Engagement
überhaupt realistische Ziele?
David Harland: Die Entwaffnung von
Kämpfern ist ein Bereich, in dem wir mittlerweile sehr viel
Erfahrung haben. In Kambodscha, Mosambik und gerade in Sierra Leone
haben wir Entwaffnungsprogramme erfolgreich abgeschlossen. Es gibt
keinen Zweifel, dass diese Programme beim Übergang zum Frieden
helfen können. Allerdings muss man sehen, dass sich diese
Programme nicht in allen Ländern gleich umsetzen lassen. Nur
wenn der Wille der Bevölkerung da ist, daran mitzuwirken,
können sie erfolgreich sein. Wo es diesen Willen nicht gibt,
kann eine gezwungene Entwaffnung den Konflikt noch verschlimmern.
In Haiti ist es zum Beispiel gerade so, aber auch in der von den
USA geführten Koalition in Somalia hat eine gezwungene
Entwaffnung den Friedensprozess eher erschwert als
erleichtert.
Das Parlament: Ost-Timor, noch immer
eines der ärmsten Länder der Welt, wird heute als
großer Erfolg der UN-Maßnahmen bezeichnet.
Warum?
David Harland: Als wir nach Ost-Timor
kamen war das Land am Boden. Ich bin selbst im November 1999
zusammen mit Sergio Vieira de Mello (früherer UN-Hochkommissar
für Menschenrechte, der im August 2003 bei einem Anschlag im
Irak getötet wurde; Anm. d. Red.) dort gewesen und wir haben
die blaue Flagge über einem Gebiet gehisst, dass nur noch ein
Schutthaufen war. 60 Prozent der Häuser waren komplett
zerstört oder stark beschädigt. Die Verwüstung war
unbeschreiblich. Einige Jahre später ist Ost-Timor
unabhängig, die Gewalt ist beendet, ein demokratischer Prozess
hat stattgefunden und es gab die ersten Wahlen. Das ist, gemessen
an der Ausgangssituation, sicherlich ein Erfolg.
Das Parlament: Der Blauhelmeinsatz
wurde im April diesen Jahres in eine politische Mission
überführt mit 130 militärischen und zivilen
Hilfskräften. Kofi Annan hat vor der noch angespannten
Situation in Ost-Timor gewarnt. Kommt der Abzug der Truppen nicht
zu früh?
David Harland: Wir sollten nicht
für immer in Ländern bleiben. Aber ich sehe schon die
Gefahr, dass man ein Land zu früh verlassen kann, nämlich
wenn man geht, bevor der Frieden die Möglichkeit hatte, sich
zu etablieren. Die Europäer und die NATO sind zum Beispiel
seit mittlerweile zehn Jahren in Bosnien. Speziell bei
Bürgerkriegen ist es hilfreich eine Art Sicherheitsgarantie
über eine längere Zeit zu gewähren.
Das Parlament: Wenn man aber auf der
anderen Seite keine Ergebnisse vorweisen kann, wird ein langer
Aufenthalt von der Bevölkerung abgelehnt, gerade in Bosnien,
aber auch im Kosovo, sind die Menschen frustriert.
David Harland: Sicher, in Bosnien sind
die Menschen seit einem Jahrzehnt frustriert, aber die Präsenz
der NATO-Truppen - IFOR und SFOR - früher und der
europäischen Truppen - EUFOR - heute sind wichtig, damit die
Menschen merken, dass sich die Zeit nicht zurückdrehen
lässt, und dass sich Probleme nicht durch Gewalt lösen
lassen.
Was den Kosovo betrifft, stellt sich die
Frage nach dem endgültigen Status des Landes. Es wird
große Spannungen geben, solange nicht geklärt ist, ob der
Kosovo unabhängig sein wird oder nicht. Diese Frage wurde vom
Sicherheitsrat 1999 nicht gelöst und gerade wird diskutiert,
ob es dazu eine Resolution geben wird. Wir müssen alle
einsehen, dass uns eine schwierige Zeit bevorsteht, bis Kosovos
Status geklärt ist.
Das Parlament: Der Kosovo ist ein
relativ kleines und überschaubares Gebiet verglichen mit
großflächigen Staaten wie der Demokratischen Republik
Kongo oder dem Sudan. Kann man in solchen Ländern mit
vergleichsweise wenigen Truppen dauerhaften Frieden
schaffen?
David Harland: Das ist in der Tat ein
riesengroßes Problem. Traurige Gewissheit ist, dass den
Ländern, die die Ressourcen haben, der Frieden in Afrika nicht
so wichtig ist wie der in Europa. Im Kosovo zum Beispiel
verfügt man über mehr multinationale Truppen als in der
Demokratische Republik Kongo, aber der Kongo ist 250 mal so
groß wie der Kosovo. 300 mal mehr Menschen sind im Kongo im
Krieg gestorben. Im Kosovo und im Kongo muss man mit verschiedenen
Strategien arbeiten. Im Kosovo kann man einen ressourcenintensiven
Einsatz verfolgen, während wir im Kongo ein Tropfen auf dem
heißen Stein sind. Die Tatsache, dass es in Afrika keine
optimalen Bedingungen geben wird, macht unsere Arbeit
natürlich sehr viel schwerer.
Das Parlament: Die Möglichkeit
eine eigene UN-Truppe aufzubauen wird seit langem diskutiert.
Wäre das eine Option?
David Harland: Es wäre eine tolle
Sache, aber ob das eine realistische Möglichkeit ist oder
nicht weiß ich nicht. Wenn ein Konflikt ausbricht werden wir
allerdings immer wieder mit einem Problem konfrontiert: Wir
müssen Wochen, manchmal Monate, damit verbringen Länder
zu finden, die willens sind, uns ihre Truppen zur Verfügung zu
stellen. Wenn wir gleich zu Anfang einer Krise einige Truppen zu
unserer Verfügung hätten, würden viele unserer
späteren Probleme erheblich reduziert.
Das Parlament: Die Blauhelme, die
heute in den meisten Krisengebieten eingesetzt werden, kommen
größtenteils aus Entwicklungsländern. Scheuen sich
Deutschland und andere Industrienationen davor, mehr Verantwortung
zu übernehmen?
David Harland: Die drei
größten Truppensteller kommen aus Südost-Asien, die
drei größten Beitragszahler sind die USA, Japan und
Deutschland. Da gibt es ein enormes Missverhältnis. Das System
wäre sicher erfolgreicher, wenn diese Länder auch mehr
Personal zu den Blauhelmeinsätzen beitragen würden.
Mittlerweile stellen die ständigen Mitglieder des
Sicherheitsrats mehr und mehr personelle Ressourcen zur
Verfügung. Großbritannien hat Truppen in Zypern und geht
jetzt auch in den Sudan, Frankreich engagiert sich in der
Elfenbeinküste und China entwickelt sich ebenfalls zu einem
wichtigen Partner. Ich glaube, wir können diese Länder
dazu bringen, sich mehr und mehr einzumischen wenn
nötig.
Das Parlament: Könnte sich
Deutschland dann nicht gerade jetzt - mit Blick auf den Wunsch nach
einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat - bei der
Übernahme von mehr Verantwortung profilieren?
David Harland: Wir würden
natürlich eine Teilnahme Deutschlands an diesen Missionen
begrüßen. Der Sudan im nördlichen Afrika liegt
beispielsweise im Wirkungskreis des deutschen Militärs. Dort
könnte Deutschland eine große Rolle übernehmen.
Deuschland ist schließlich bereits stark als Geldgeber
engagiert.
Das Parlament: Heute schon
übernehmen regionale Organisationen, wie die AU (African
Union) und ECOWAS (Economic Community of West African States)
Verantwortung auf dem afrikansichen Kontinent. Werden solche
Einsätze in Zukunft zunehmen?
David Harland: Es gibt genug Konflikte
auf dieser Welt, um auch den Rest der Welt noch zu
beschäftigen. Das Problem sind nicht zuviele Akteure und nicht
genügend Arbeit. Wir müssen uns bei der Zusammenarbeit
verbessern. Dabei müssen wir aufpassen, dass wir nicht
hinnehmen, dass in Afrika die Qualität der
Blauhelmeinsätze geringer ist, nur weil es dort weniger zu
holen gibt. Wir bewegen uns allmählich in eine solche
Richtung. In Bosnien und im Kosovo investieren wir Milliarden in
die Einsätze. In Afrika hingegen, wo die Konflikte viel
ausgeprägter sind, das Leid und die Anzahl der Toten weitaus
größer, sind wir mit weniger Truppen vor Ort. Die
regionale Hilfe ist deshalb sicher willkommen, sie sollte aber
trotzdem in die globalen Bemühungen integriert werden, um eine
gerechte Verteilung der Aufgaben zu garantieren.
Das Parlament: Kümmert es die
Europäer zu wenig, was in Afrika passiert?
David Harland: Menschen neigen dazu,
sich für ihren Hinterhof zu interessieren. Das ist
verständlich und muss uns auch klar sein. Wo es möglich
ist, müssen wir aber die Menschen auch in die globale Pflicht
nehmen. Die von Javier Solana [Hoher Vertreter für die
gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP); Anm.
d. Red.] vertretene europäische Sicherheitspolitik sieht eine
sehr ambitionierte Rolle der EU auf diesem Gebiet vor. Einen
regionalen Fokus zu besitzen und ein verstäktes Engagement in
einem Gebiet ist an sich nichts Schlechtes, wenn man auch die
globalen Aufgaben darüber nicht aus dem Auge verliert. Ich bin
sehr optimistisch was die Europäische Union und ein Engagement
in Afrika angeht, obwohl es ab und an Probleme gibt.
Das Parlament: Was kann die
Peacebuilding Commission bei der Stabilisierung von Staaten besser
machen als bisher?
David Harland: Die Peacebuilding
Commission soll eine wichtige Rolle in der Koordination
unterschiedlichster Akteure spielen. Sie soll dabei zwischen
sicherheitspolitischen Maßnahmen, den Geberländern, den
Staaten, die die Truppen stellen und den internationalen
Finanzinstitutionen, die meist sehr lange im Land bleiben,
vermitteln.
Ein Problem, das wir schon sehr lange in der
internationalen Gemeinschaft haben ist sicherzustellen, dass die
verschiedenen Teile im internationalen Mechanismus, das
Militär, die Polizei, die Wahl- und Verfassungsorgane und die
humanitäre Hilfe ineinandergreifen und sich nicht gegenseitig
in ihrer Arbeit behindern. Wir versuchen, dieses Ziel zu erreichen,
aber es gelingt uns nicht immer. 1996 in Bosnien zum Beispiel haben
wir sehr früh eine Wahl durchgeführt und ich glaube, dass
die Zeit noch nicht reif war. Dadurch wurden die ethnischen
Differenzen im Land noch verstärkt. Die Peacebuilding
Commission könnte ein sehr nützliches Instrument sein, um
eine Kontinuität der Bemühungen zu gewährleisten,
aber vor allem um eine internationale Konfliktinervention zu planen
und die verschiedenen Elemente aufeinander abzustimmen.
Das Parlament: Wie kann man diese
Konzepte, die in der Theorie gut klingen, in der Realität auch
wirklich umsetzen?
David Harland: In Ost-Timor hatten wir
ein gutes Konzept, wo wir viele Ressoucen von anderen Staaten und
Organisationen geliehen haben. Wenn wir eine Zentralbank brauchten,
haben wir beim Internationalen Währungsfonds angefragt,
Neuseeland hat uns beim Bau eines Gefängnisses
unterstützt, andere Regierungen haben zum Aufbau des
Polizeiwesens beigetragen. In Zukunft müssen wir eine
große Bandbreite von Elementen der Staatenbildung entwickeln,
die je nach Bedarf der einen Organisation entnommen werden
können, um einer anderen zur Verfügung gestellt zu
werden.
Das Parlament: Die Peacebuilding
Commission soll im Falle eines Konflikts Informationen sammeln und
an den Sicherheitsrat zur Einschätzung der Lage weiterleiten.
Verkompliziert ein solches Procedere nicht ein schnelles und
unbürokratisches Eingreifen?
David Harland: Meiner Meinung nach
würde es der Sicherheitsrat nicht zulassen, dass ihn eine
andere Institution wie die Peacebuilding Commission an einer
schnellen Entscheidung hindert. Wenn ein sofortiges Eingreifen
gefragt ist, dann übt der Sicherheitsrat sein Mandat aus. Ich
sehe die Stärken der Peacebuilding Commission nicht unbedingt
in den Fällen, in denen ein schnelles Eingreifen gefragt ist,
sondern im Langzeitengagement. Ein großes Problem der
langfristigen Friedensbemühungen ist, dass die Aufmerksamkeit
für bestehende Konflikte nicht lange anhält. In diesem
Jahr und vielleicht noch im nächsten gibt es ein großes
Interesse am Kosovo, aber dann zieht möglicherweise
Afghanistan die Aufmerksamkeit für gewisse Zeit auf sich,
danach möglicherweise der Irak. Wir wissen nie ganz sicher,
was als nächstes kommt. In der Zwischenzeit gibt es nicht
abgeschlossene Fälle, die wir hinter uns lassen. Eine
Peacebuilding Commission könnte internationale Akteure
für längere Zeit bei der Stange halten. Dann würden
wir viel besser dastehen, vor allem in Hinblick auf die hohe
Rückfallquote von Staaten in einen Konflikt nachdem die
internationale Gemeinschaft abgezogen ist.
Das Parlament: Das bedeutet auch, dass
höhere Hilfen bei der dauerhaften Stabilisierung eines Staates
notwendig werden. Wie kann man ein Engagement, das Jahre oder sogar
Jahrzehnte dauert und Milliarden kosten kann, den zahlenden
Ländern "schmackhaft" machen?
David Harland: Im Grunde bin ich mir
nicht sicher, dass mehr Geld benötigt wird. Ich vermute, dass
es mehr darauf ankommt wie man das Geld ausgibt. Das ist nicht nur
eine Kritik an den Geldgebern, sondern an uns allen. Wir
könnten Steuergelder viel besser nutzen, wenn wir unsere
Einsätze besser aufeinander abstimmen würden, wenn also
die linke Hand wüsste, was die rechte Hand macht. Auf der
einen Seite das Militär, die Polizei und die politischen
Institutionen und auf der anderen Seite die humaniäre Hilfe
und die ökonomischen Entwicklungsmaßnahmen. Das ist
meiner Meinung nach die Rolle, die die Peacebuilding Commission
spielen kann und soll.
Das Parlament: Kritiker behaupten die
UNO eigne sich eher zum Feuerlöscher als zum Rauchdetektor.
Ist an diesem Bild was dran?
David Harland: Da ist mit Sicherheit
etwas Wahres dran. Konfliktfrühwarnung ist sehr schwierig. Zum
anderen ist Konfliktprävention vom wirtschaflichen Wachstum in
einem Land abhängig. Da kommt es mehr auf eine effektive
Regierungsführung an als auf direkte Hilfen. Wenn die UNO mehr
Ressourcen zur Verfügung hätte, dann müsste sie
nicht immer nur reagieren, sondern könnten Entwicklungen
zuvorkommen. Im Bereich des Peacekeeping sind die vom
Sicherheitsrat authorisierten Einsätze ein Minimum an
benötigten Truppen, um gerade einmal die erforderliche Arbeit
zu leisten, wenn nichts schief geht. Das ist keine besonders gute
Ausgangsposition um Kämpfer und Plünderer in Schach zu
halten. Eine größere Investition vorab, kann viele
Probleme im nachhinein verhindern. Aber wir haben mittlerweile
gelernt mit solchen Problemen zu leben.
Das Parlament: Mr. Harland, wir danken
für dieses Gespräch.
Das Interview führte Agnes Ciuperca
Agnes Ciuperca ist freie Journalistin und
arbeitet derzeit bei der luxemburgischen UN-Vertretung in New
York.
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