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Barbara Minderjahn
International nicht anerkannt
Berg-Karabach
Bei Masis Mailian einen persönlichen Termin zu bekommen ist
nicht so schwer, wie man es von den meisten seiner Kollegen gewohnt
ist. Der stellvertretende Außenminister von Berg-Karabach hat
kaum internationale Verpflichtungen. Denn Berg-Karabach ist
international nicht anerkannt. Die Staatengemeinschaft betrachtet
die kleine Region im Kaukasus als Bestandteil Aserbaidschans. Die
armenische Bevölkerung von Berg-Karabach dagegen beharrt auf
ihrer Unabhängigkeit. Masis Mailian, der mit einer ruhigen,
leisen Stimme spricht und sich während des Interviews die
meiste Zeit entspannt in seinen Sessel zurücklehnt, rutscht
für einen kurzen Moment nach vorne als er sagt: "Seit 1988
sind wir de facto unabhängig von Aserbaidschan. Und wir werden
nie wieder zu einer Enklave werden. Nach den Ereignissen von 1988
wissen wir, was es bedeutet, eine Enklave zu sein. Wir wurden von
allen Seiten blockiert. Es war Krieg. Bomben fielen. Wir hatten
nichts zu essen, kein Wasser, keine Elektrizität. Auch heute
noch hören wir von Aserbaidschan, dass sie uns bekämpfen
wollen, wenn wir nicht nachgeben. Wie können die da glauben,
dass wir aserbaidschanische Staatsbürger werden wollen?"
Berg-Karabach liegt umschlossen von aserbaidschanischem
Territorium und war niemals ein eigener Staat. Doch die Region wird
seit jeher überwiegend von Armeniern bewohnt. 1988 kam es in
Aserbaidschan zu pogromartigen Ausschreitungen gegen die Armenier,
kurze Zeit später zum Krieg. Die Armenier von Berg-Karabach
haben die bewaffneten Auseinandersetzungen gewonnen und sind
deshalb bis heute an der Macht. Doch das alleine hilft der
Regierung wenig. "Berg-Karabach muss von der internationalen
Gemeinschaft als unabhängiger Staat anerkannt werden",
erklärt Außenminister Arman Melikian.
Mit dem Zustand der Nicht-Anerkennung wollen sich weder die
Politiker noch die Bevölkerung abfinden. Sie haben sich
dafür entschieden, den Staat zwischenzeitlich auch ohne
große Hilfe der internationalen Gemeinschaft aufzubauen.
Überraschend ist dabei vor allem die Disziplin, mit der die
Machthaber das Nation Building vorantreiben. Als Grundstein haben
sie sich auf freie Wahlen festgelegt. Die Parlamentswahlen im
Sommer dieses Jahres waren sogar überwiegend demokratisch, wie
internationale Beobachter festgestellt haben.
Finanzhilfe aus Armenien
Weitere Bausteine der neuen Nation sind Infrastruktur und
Wirtschaft. "Wir exportieren jährlich Waren im Wert von rund
40 Millionen Dollar", erklärt Wirtschafts- und Finanzminister
Spartak Tevosyan, "und zwar vor allem Wein, Cognac und Wodka". Auch
die anderen staatlichen Strukturen wie Polizei, Militär und
Verwaltung sind ansatzweise vorhanden. All dies lässt sich
aber nur mit der finanziellen Hilfe von Armenien und den im Ausland
lebenden Exilarmeniern leisten. "Unser Staatshaushalt beträgt
derzeit rund 40 bis 45 Millionen Dollar. Aber natürlich ist
der nicht immer ausgeglichen. Wir bekommen jedes Jahr einen
Zehn-Jahres-Kredit von Armenien", erzählt Spartak Tevosyan.
Langfristig hoffen die Berg-Karabacher aber auf die Anerkennung aus
dem Ausland und damit auf eine solidere Finanzgrundlage: "Wir
setzen auf die Verbesserung unseres Staatswesens, denn unser
Staatswesen ist die Garantie für unsere Bevölkerung, dass
sie in einer sicheren Situation leben kann. Egal ob es die
Menschenrechte angeht, die demokratische Entwicklung, die
politische Freiheit oder andere Rechte der Bevölkerung - wir
befinden uns auf einem besseren Level als Aserbaidschan. Wir sind
das demokratisch entwickeltere Land, und es ist unmöglich,
dass wir einem weniger demokratisch entwickelten Land untergeordnet
werden sollen."
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