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Wolfgang Hanneforth
Die Angst des Roboters vor seinem Tod
Wer ist schlauer: der Mensch oder die
Maschine?
Die Frage des Buchtitels scheint der aktuellen Pisa-Diskussion
zu entspringen. Der Untertitel ("Der Wettstreit zwischen
menschlicher und künstlicher Intelligenz") wird im Vorwort
präzisiert: Es geht Bas Haring, Informationstechnologe an der
Universität Leiden, um die Frage, inwieweit schon Maschinen
Geist haben können - "Geist" als Sammelbegriff für Wille,
Denken, Bewusstsein, Glaube, Hoffnung und Liebe.
Der Autor schickt voraus, ihm gehe es nicht so sehr um die
Richtigkeit im Detail, sondern um die Grundzüge von Ideen -
und davon hat er eine ganze Menge. Vor allem aber: Sie sind
verpackt in bildhafte Formulierungen, die die Lektüre des
Buches zu einem Lesevergnügen werden lassen; nicht umsonst ist
Haring Preisträger zugleich für Jugendliteratur als auch
für "Das Wissenschaftsbuch des Jahres".
Hier einige seiner Vergleiche: Es scheint, als wäre das
Gehirn eine Ansammlung von "Marionetten": Jede einzelne von
mehreren Milliarden ist mit hundert (oder tausend) anderen durch
Schnüre verbunden, mit denen sie an anderen ziehen können
(oder von ihnen gezogen werden). An anderer Stelle: Das menschliche
Gehirn mit seinen Milliarden Nervenzellen gleicht eher einem Haufen
kopfloser Hühner und weniger einer straff organisierten Armee
oder Fabrik.
Und seine Ideen zur künstlichen Intelligenz? Es erscheint
unbestritten, dass Computer gut logische Rätsel lösen
können - wahrscheinlich sogar besser als der Mensch, und das
ohne Ermüdungserscheinungen. Wer logisch folgern kann, wirkt
intelligent. Aber kann er auch kreativ sein, kann eine Maschine gar
klüger werden als ihr Schöpfer?
Die "Verdrahtung" des Gehirns ist nicht genetisch festgelegt,
sondern entwickelt sich auf der Grundlage von Instinkten sowie
durch Lernprozesse und Erfahrung. Zwar könne auch ein
Computer, entsprechend programmiert, lernen (das wurde schon vor
Jahrzehnten bewiesen). Aber funktioniert das auch bei einer
Maschinenkonstruktion mit mehreren Milliarden Bauelementen, wie sie
das menschliche Gehirn besitzt? Kann eine Maschine denken oder gar
nachdenken - "Denken als eine Art Selbstgespräch, bei dem man
die Worte nicht ausspricht"? Kann eine Maschine verstehen? Welche
"Bedeutung" haben für sie die Dinge des Lebens, die für
uns wichtig sind?
Eine Maschine mit einem speziellen Wahrnehmungsvermögen zu
bauen, sei sicher möglich, auch wenn sie gegenwärtig
(noch) nicht dieselbe Vielfalt an Gegenständen wahrnehmen
könne wie wir. Schwieriger wird es offenbar mit der Frage nach
dem "Geist". Kann eine Maschine Willen, Gefühle und Gedanken
haben? Zum einen werde man das alles auch in einem menschlichen
Gehirn nirgends lokalisieren und einer bestimmten Zellgruppe
zuschreiben können. Zum anderen werde "Geist" nur in
Beschreibungen von Funktionen und Erscheinungen real. Man nutze
diese Begriffe demnach, wenn man jemanden beschreibt, der Geist
hat. Sollten aber unsere Maschinen in Zukunft komplexer werden,
müsste man möglicherweise auch über sie in
"geistigen Begriffen" reden, weil keine anderen Worte dafür
zur Verfügung stünden.
Nach Meinung des Autors gleichen unsere Emotionen denen eines
entsprechend programmierten Roboters. Der Autor führt aus,
dass Roboter tatsächlich eine Art Angst vor dem Tod haben
können; er beschreibt sogar, dass und wie sie sich vermehren
können.
Die Frage nach dem "Ich"
Die Frage, ob sich Maschinen selbst erkennen, ob sie eine
Kenntnis vom eigenen Körper haben und davon, was dieser
Körper alles kann, führt zu der Frage nach dem "Ich". Es
sei, meint Haring, ohne Weiteres möglich, einen Roboter zu
bauen, der über seine Grenzen und Möglichkeiten wisse und
sich damit in gewissem Sinne selbst (er)kenne.
Es bleibe demnach - wie so oft in Diskussionen zur
künstlichen Intelligenz - die Frage: Haben wir etwas
grundlegend Besonderes, was Maschinen nicht haben, besser: nicht
haben können? Wille, Denken, Emotionen seien, wie schon
gesagt, doch nur Begriffe, um die Wirklichkeit verständlicher
zu machen - sie seien nicht realer als die geistigen Eigenschaften
von Maschinen. Ist das vermeintlich Besondere an uns - wie etwa ein
Bewusstsein - nur ein Glaube an etwas nicht nachweisbar
Besonderes?
Vielleicht beruhigend: Im Menschsein sei niemand so gut wie der
Mensch selbst. Der Mensch sei und bleibe das einzige "Tier", das
sprechen könne, Kunst hervorbringe, demokratisch wähle
und Krankenhäuser baue - und an sich selbst glaube. Wie lange
aber noch sind wir die Einzigen?
Eine durchaus spannende Lektüre, die in eine Welt
neuartiger, originell formulierter und teils befremdender Gedanken
und Ideen führt. Eine weitergehende kritische
Auseinandersetzung damit sei dem "Geist" des Lesers
überlassen; diese Aufgabe wird ihm sicher kein Roboter
abnehmen wollen oder können.
Bas Haring
Sind wir so schlau wie wir denken? Der Wettstreit zwischen
menschlicher und künstlicher Intelligenz.
List-Verlag, Berlin 2005; 176 S., 19,95 Euro
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