Alexander Weinlein
Heiße und kalte Krieger im All
Wie politisch sind
Science-Fiction-Filme?
Als George Lucas 1977 den "Krieg der Sterne" in den
Kinosälen entfesselte, war dies ein Paukenschlag nicht nur in
der Geschichte des Science-Fiction-Films, sondern des Films
allgemein. "Star Wars" und die nachfolgenden Teile "Das Imperium
schlägt zurück" (1980) und "Die Rückkehr der
Jedi-Ritter" (1983) wurden die Kassenschlager aus Hollywood
schlechthin. Lucas lieferte der SF-Fangemeinde alles, was sie sich
erträumt hatte: Ein einfach gestrick-tes Abenteuer verpackt in
prächtige und berauschende Bilder - eine wahre Space Opera.
Die Entwicklung der Spezialeffekte hatte es möglich gemacht
und Lucas lieferte den passenden Stoff: Den Kampf von bösen
und guten Rittern, eine hübsche Prinzessin, den einfachen
Bauernjungen, der auszog, sie zu retten - und das Ganze spielte
irgendwo zwischen unbekannten Sternen, die mit einer Vielzahl mal
bizarrer, mal knuddeliger Aliens bevölkert waren; gleichzeitig
erschaffen, um die Kinderzimmer dieser Welt als
Merchandising-Artikel im Sturm zu erobern. Ein galaktisches
Märchen: Nicht umsonst ließ Lucas den Film mit dem
berühmten Vorspann "Es war einmal in einer weit entfernten
Galaxie..." beginnen.
Doch was hat dies nun alles mit Politik zu tun? Auf den ersten
und zweiten Blick eigentlich gar nichts. Aber "Star Wars"
gehört eben - Märchen hin, Märchen her - in die
Abteilung Science Fiction, und dieses Genre ist durchaus politisch.
Science Fiction wurde oft als "Prophet der Zukunft" gepriesen und
gleichzeitig kritisiert. Dabei geht es diesem Genre in erster Linie
nicht so sehr darum, Aussagen darüber zu machen, wie der
technische und wissenschaftliche Fortschritt sich gestalten wird,
wie und wann der Mensch zu den Sternen reisen und ob er dort auf
Außerirdische stoßen wird.
Science Fiction will nicht die Fragen nach dem Ob, Wann und Wie
technischen Fortschritts beantworten, sondern thematisiert, wie der
Mensch auf diesen reagiert, wie er das menschliche Leben und
Miteinander beeinflusst, ge- und missgestaltet. Und welche
Fragestellung könnte politischer sein? Antworten auf
anstehende Probleme zu finden, ist schließlich eine der
ureigensten Aufgaben von Politik.
Griff nach den Sternen
Aus dieser Warte betrachtet, verwundert es dann auch nicht, dass
Science-Fiction-Filme zu den ältesten Filmen überhaupt
zählen. Von dem Augenblick an, als die Bilder laufen lernten,
begannen die Filmschaffenden damit, die zukünftigen Stars und
Sternchen genau dorthin zu schicken, wo sie hingehören: zu den
Sternen. So zum Beispiel in Georges Méliès Film "Le
voyage dans la lune" ("Die Reise zum Mond") aus dem Jahr 1902! Es
war der erste Film, der länger als nur ein paar Minuten
Laufzeit hatte, und schon wurde mit ersten Spezialeffekten
gearbeitet.
Abgesehen davon, dass Science Fiction von Anfang an die gesamte
Bandbreite des Fortschritts, der sich verändernden
Lebensbedingungen und politischen Entwick-lungen seit der
Jahrhundertwende abdeckte - neue Transportmittel, das Leben in
Großstädten, zwei Weltkriege, das Atomzeitalter, Computer
und künstliche Intelligenz - war die Raumfahrt immer eine der
Kernthemen. Vielleicht findet man den Grund dafür in der
Tatsache, dass die unendlichen Weiten des Alls zugleich eine
unendliche Projektionsfläche darstellen - vor allem eine vom
Menschen anfangs noch gänzlich "unbefleckte". In den Weiten
des Alls ließen sich Welten erschaffen ohne jede
Rücksichtnahme auf die irdischen Zustände. Wo ließen
sich die Träume und Ängste der Menschheit besser
darstellen?
"Unendliche Weiten" - dies war auch das Stichwort für die
berühmteste und beliebteste Science-Fiction-Serie des
Fernsehens. Im Jahr 1966 startete Gene Roddenberrys "Star Trek":
Die Besatzung des Raumschiffs Enterprise machte sich auf, dorthin
zu gehen, wo noch kein Mensch gewesen ist - und dies nicht nur im
räumlichen Sinne. "Star Trek" und vor allem die späteren
Nachfolgeserien "The Next Generation", "Deep Space Nine" und
"Voyager" zeigten eine Menschheit, die - endlich erhaben über
ihr kleinkarriertes Streben nach Macht und Reichtum - nach
höherem strebt.
Alte und neue Geschlechterrollen
Ein Blick in die Besatzungsliste: Da saßen auf der
Brücke einträchtig nebeneinander - gut 40 Jahre vor der
realen Internationalen Raumstation - die Amerikaner Kirk (William
Shatner) und McCoy (DeForest Kelley), der asiatische Steuermann
Sulu (George Takei), der Russe Chekov (Walter Koenig), der
europäische "Scotty" (James Doohan), das außerirdische
Spitzohr Mr. Spock (Leonard Nimoy) und eine afro-amerikanische Frau
- die Kommunikationsoffizierin Uhura (Nichelle Nichols).
Auch wenn es ein wenig nach klassischer Rollenbesetzung aussah -
fürs Reden sind eben Frauen zuständig - war dies Mitte
der 60er-Jahre eine kleine Sensation. Dies um so mehr, da Frauen
auch in Science-Fiction-Filmen bis zu diesem Zeitpunkt lediglich
die Rolle der zu beschützenden Schönen eingenommen hatten
- natürlich von einem Mann mit möglichst großer
Strahlenkanone. Und es sollte bis 1979 dauern, als in Ridley Scotts
Meisterwerk "Alien" mit Sigourney Weaver in der Figur der Ripley
endlich eine Frau - übrigens auch mit einem riesigen
Schießprügel - die Menschheit retten durfte.
Womit auch das nächste Stichwort gefallen wäre:
"Aliens". Unzählige Filme - zuletzt "Krieg der Welten" - sahen
die Menscheit mit der fremden Bedrohung aus dem All konfrontiert.
Nur in Ausnahmefällen waren sie so kinderlieb wie in Steven
Spielbergs "E.T." (1982). Und ebenso selten endete die Begegnung
mit ihnen im friedlichen Dialog.
Nur "Star Trek" machte auch hier einmal mehr die ganz große
Ausnahme. Analog zum Ende des Kalten Krieges zwischen Ost und West
beendeten die Macher des Kinofilms "Star Trek VI: Das unentdeckte
Land" im Jahr 1991 den ewigen Konflikt zwischen Menschen und
Klingonen. Auch wenn Klingonen-General Chang (Christopher Plummer),
der diesen galaktischen Frieden zu hintertreiben versucht, seinem
Gegenspieler Captain Kirk direkt ins Gesicht sagt, dass "wir im All
doch alle kalte Krieger" seien.
Doch auch "Star Trek" musste seinen Tribut zollen an die Regeln
des Marktes. Wenn die Zuschauerzahlen nicht mehr stimmen, weil eine
allzu friedliebende und politisch korrekte Zukunft auf Dauer doch
langweilt, dann werden hehre Grundsätze über Bord
geworfen.
So wurde mit der nachträglich eingeschobenen Figur der
"Seven of Nine" (Jeri Ryan) - einer kurvenreichen Superblondine -
der Serie "Voyager" eine gehörige Portion Sex verpasst und in
"The next Generation" mit der Weltraumspezies der "Borg" ein
ultimativer Menschheitsalbtraum erschaffen - eine
biologisch-mechanische Rasse, die, in einem Kollektiv ohne jede
Spur von Individualismus lebend, alle anderen Lebensformen im All
"assimilieren" wollen. Ihre Wahlspruch: "Widerstand ist zwecklos!"
Nein, an einen vernünftigen Dialog war da nicht mehr zu denken
- also zurück zum kalten beziehungsweise heißen Krieg der
Sterne.
Alexander Weinlein ist Redakteur bei "Das Parlament".
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