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Erik Spemann
Stoiber-Dämmerung im Freistaat
Der CSU-Chef bleibt Ministerpräsident in
Bayern
Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber hat
mit seinem unerwarteten Rückzug vom künftigen Berliner
Kabinettstisch seine Partei in ein seit Jahrzehnten nicht gekanntes
Desaster gestürzt. Die Stimmung an der CSU-Basis wie bei den
meisten Mitgliedern der 129-köpfigen Landtagsfraktion bewegte
sich zwischen äußerster Verwunderung, Bestürzung und
Entsetzen.
Schon zwei Tage nach seinem einsamen Entschluss, in der
bayerischen Staatskanzlei zu bleiben, zeichnete sich ab, dass
Stoibers bisheriges großes Ansehen und sein Einfluss massiv
geschrumpft sind und er in Bayern nicht einfach
uneingeschränkt weiterregieren kann. Etliche
Mandatsträger befürchten, dass damit auch der Einfluss
der CSU auf die Bundespolitik erheblich schwächer wird.
Der gewöhnlich sehr behutsam formulierende Fraktionschef
Joachim Herrmann räumte "erhebliche Irritationen" in seiner
Landtags-CSU ein und machte nach den zahlreichen politischen
Alleingängen der Staatskanzlei deutlich, dass künftig ein
"offener diskussionsfreudiger Stil" im Umgang mit der Fraktion
gefragt sei. Landtagspräsident Alois Glück (CSU)
verlangte die "Rückkehr zu teamorientierter Zusammenarbeit".
Innenminister Günther Beckstein erklärte, Stoiber werde
"ein Stück mehr auf die Fraktion zukommen müssen".
Der frühere CSU-Vorsitzende Theo Waigel mutmaßte in
einem Interview: "Wenn Edmund Stoiber meint, in München dort
weitermachen zu können, wo er aufgehört hat, dann
täuscht er sich." Der Kritisierte selbst meinte vielsagend, er
kriege ja "sehr, sehr viele Ratschläge und wohlmeinende
Überlegungen, was man noch alles verbessern kann in Bayern -
und das ist natürlich alles wichtig für uns".
Die Unzufriedenheit mit Stoiber ist groß. Hatten schon
nicht wenige in der CSU seine Unentschlossenheit im Wahlkampf
kritisiert, in eine Berliner Regierung einzutreten. Der Ärger
wuchs, als er nach seiner Entscheidung für das Bundeskabinett
- um eine Rück-fahrkarte nach Bayern zu behalten - die
Nachfolgefrage für Bayern weit hinauszögerte. Mit dieser
Taktik löste er einen die Partei belastenden Machtkampf
zwischen seinem Stellvertreter Beckstein und Staatskanzlei-Minister
Erwin Huber aus - die nun bleiben, was sie sind. Jetzt, da sich der
Freistaat bereits auf die Nach-Stoiber-Ära eingestellt hatte
und die beiden Bewerber in unzähligen Interviews ausgebreitet
hatten, wie sie in Bayern weiterregieren und was sie erneuern
wollten, überraschte Stoiber alle mit seinem Entschluss, nun
doch im Freistaat bleiben zu wollen. Dabei glaubten ihm die
wenigsten seine Begründung, dass er mit dem Rückzug von
SPD-Chef Franz Müntefering "in dieser veränderten
Situation" die Interessen der CSU besser in München vertreten
könne. Vielmehr gilt nach viel zitierten angeblichen
Äußerungen von Stoiber im "kleinen Kreis" ("Die CDU muss
aufhören, mir Knüppel zwischen die Beine zu werfen") eher
die Version, dass er aus Ärger und Frust gehandelt hat: Weil
er sich von CDU-Chefin Angela Merkel beim Zuschnitt seines
Wunsch-Ministeriums für Wirtschaft und Technologie nicht
genügend unterstützt gefühlt habe.
Wie groß Ärger und Enttäuschung über Stoiber
sind, zeigt schon der Umstand, dass nicht mehr hinter vorgehaltener
Hand und anonym Dampf abgelassen wird. So erklärte der
CSU-Landtagsabgeordnete Sebastian Freiherr von Rotenhan ganz offen:
"Die Lage ist besch..." Er sei seit 30 Jahren in der CSU, "aber
einen solchen Trümmerhaufen habe ich noch nicht erlebt". Sein
Fraktionskollege Manfred Weiß, ehemaliger bayerischer
Justizminister, sprach von einem "riesigen Kasperltheater, das
weder Stoiber noch der Partei nützt". Er könne sich nicht
mehr "vorstellen, dass mit Stoiber noch einmal eine Wahl" zu
gewinnen sei.
Der "Münchner Merkur" berichtete unter Berufung auf
Teilnehmer, dass auch Erwin Huber bei einer telefonischen
Schaltkonferenz der CSU-Führungsspitze Stoiber gegenüber
angezweifelt habe, ob dessen Rück-zug klug gewesen sei.
Stoiber sei schlecht beraten gewesen, seine Zukunft mit dem
Schicksal eines SPD-Vorsitzenden zu verbinden, so angeblich
Huber.
Die "Süddeutsche Zeitung" zitiert den Chef von Stoibers
CSU-Kreisverband Bad Tölz-Wolfratshausen, Klaus Kirschenhofer:
"Ich kenne niemanden an der Basis, der das positiv aufgenommen
hat." Der CSU-Fraktionssprecher im Freisinger Stadtrat sprach dem
Bericht zufolge von einer "Selbstdemontage des Parteichefs" und
forderte, Stoiber solle seine Nachfolge regeln und sich dann aus
der Politik zurückziehen.
Vielleicht findet die ganze Aufregung aber noch ein gutes Ende:
Schließlich absolvierte die CSU-Fraktion samt Stoiber und
Kabinettsmitgliedern in der vergangenen Woche auch eine
dreitägige Rom-Reise - mit einer Privataudienz beim aus Bayern
stammenden Papst und sicher mit der Möglichkeit zur Beichte
und der Chance auf Sündenvergebung. Erwin Huber scherzte
bereits in Anwesenheit von Pressevertretern: "Die Sünden der
CSU sind so öffentlich, da brauchen wir keine
Beichtstühle."
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