Armin Pfahl-Traughber
Keine Kulturrevolution von Rechts
Der "Kampf um die Köpfe" kann als
gescheitert angesehen werden
Der deutsche Rechtsextremismus der Nachkriegszeit wies in nahezu
allen Phasen intellektuelle und programmatische Defizite auf.
Demgegenüber entstand in Frankreich Ende der 60er-Jahre eine
geistige Strömung des Rechtsextremismus, die ein neues
ideologisches Profil und eine praktizierbare
kulturrevolutionäre Strategie entwickelte. Ihr Vordenker, der
Publizist Alain de Benoist, kritisierte dabei die "Alte Rechte":
Sie sei tot, sie verfüge weder über einen Willen noch
über ein Ziel. Benoist wollte mit seinen Anhängern eine
"Neue Rechte" ("Nouvelle Droite") ins Leben rufen. Hinsichtlich
ihrer Ablehnung der Minimalbedingungen eines demokratischen
Verfassungsstaates unterschied sie sich nicht vom traditionellen
Rechtsextremismus, wohl aber in der Diskurstechnik, der
Organisationsform, den Positionen und der Vorgehensweise.
Als Antwort auf die kulturrevolutionären Impulse des
Pariser Mai 1968 entstand in Form eines Intellektuellenzirkels im
Januar 1969 das "Groupement de recherche et d'études pour la
civilisation européenne" (GRECE, (Forschungs- und
Studiengruppe für die europäische Zivilisation). Unter
Rückgriff auf die Ideen der "Konservativen Revolution" der
Weimarer Republik (unter anderem Carl Schmitt, Oswald Spengler) und
Positionen von intellektuellen Sympathisanten des italienischen
Faschismus sowie Vertretern der Intelligenz- und
Verhaltensforschung entwickelte man eine eigene Ideologie.
Deren Kern bestand in der Ablehnung des Gleichheitsprinzips,
womit sich eine Frontstellung gegen Christentum, Liberalismus und
Sozialismus verband. Im Zuge dessen lehnte man auch die
Menschenrechte ab, galten sie doch als Ausdruck eines die
Gemeinschaft der Kulturen zersetzenden Individualismus. Dem
gegenüber stellte die "Neue Rechte" ein biologistisches
Gesellschaftsbild, das angeblich angeborene Verhaltensweisen des
Menschen als konstante Strukturfaktoren für die Ausrichtung
von Gesellschaftsordnungen ansah. Die Herrschaft einer Elite, die
Rolle der Frau oder der Ausbruch von Kriegen galten als Ausdruck
der Natur. Das angestrebte Gegenmodell wurde von Benoist nicht
näher beschrieben, es lief aber auf das autoritäre System
einer Eliten-Diktatur in einer organischen Gemeinschaft hinaus.
Für diese politische Positionen warb die "Neue Rechte"
nicht durch Aktionen oder Parteipolitik, sondern mit dem Anspruch
einer "Kulturrevolution von Rechts". Im Sinne des "Kampfes um die
Köpfe" sollten insbesondere Angehörige der
intellektuellen Elite als Anhänger gewonnen werden. Daher
konzentrierten sich die Aktivitäten des GRECE auf die
Durchführung von Kongressen und die Veröffentlichung von
Schriften. Zeitweilig war diesem Vorgehen ein gewisser Erfolg
beschieden: 1978 erhielt Benoist den bedeutenden "Grand Prix de
l'Essai" der Académie Française. In den 80er-Jahren
konnte er in den zwei wichtigen französischen Wochenzeitungen
"Figaro Magazine" und "Valeurs actuelles" regelmäßig
Beiträge veröffentlichen. Daraufhin gründeten sich
auch in anderen europäischen Ländern ähnliche
Intellektuellenzirkel.
In Deutschland entstand etwa 1981 das in Kassel ansässige
"Thule-Seminar", das unter der Leitung von Pierre Krebs
programmatische Bücher und Zeitschriften herausgab, aber nie
die Bedeutung der französischen "Neuen Rechten" erlangte.
Mitte der 80er-Jahre geriet dieses Projekt ebenso in die Krise wie
die "Mutterströmung" in Frankreich: Wichtige Protagonisten wie
Guillaume Faye oder Yvan Blot gingen aus persönlichen oder
politischen Gründen eigene Wege. Mitte der 90er-Jahre spaltete
sich auch ein Teil der europäischen Anhänger vom GRECE ab
und gründete mit den "Synergies Européennes"
(Europäische Synergien) um den belgischen Publizisten Robert
Steuckers einen europaweiten Dachverband, der jedoch keine
breiteren Aktivitäten mehr entfalten konnte und kurze Zeit
später in die Krise geriet.
Auch Benoist selbst isolierte sich zunehmend und verlor viele
Anhänger an den "Front National". Gleichzeitig wandelte er
sich strategisch - durch eine verbale Mäßigung seiner
Positionen, aber auch durch die Hinwendung zu Themen der "Neuen
Sozialen Bewegungen". Mit der Ablehnung der Globalisierung und der
Betonung der Ökologie versuchte er vergeblich, Akzeptanz
für seine Auffassungen zu erlangen. In Deutschland publiziert
Benoist nach wie vor regelmäßig Beiträge in der
Wochenzeitung "Junge Freiheit".
Die Auffassungen und das Wirken der französischen "Nouvelle
Droite" zeigte dem deutschen Rechtsextremismus immer wieder seine
ideologischen Mängel auf. Zwar gab es regelmäßig
Versuche, sie durch Intellektualisierungsbemühungen zu
überwinden. Dazu gehörten eine Reihe von
Zeitschriftenprojekten, die allerdings nach kurzer Zeit
scheiterten. Auch in der NPD erkannte man die damit verbundenen
Probleme und versuchte mit einem "Kampf um die Köpfe" diesen
Zustand zu überwinden. Das Bemühen kann indessen als
gescheitert gelten, einer der wichtigsten Protagonisten dieser
Entwicklung, Jürgen Schwab, zog sich mittlerweile frustriert
zurück. Das jüngst veröffentlichte Papier einer
"Dresdner Schule" aus der sächsischen Landtagsfraktion kann
eher als intellektuelle Peinlichkeit gelten.
Der Autor ist Politikwissenschaftler und Soziologe und arbeitet als
Professor an der Fachhochschule des Bundes in
Brühl/Heimerzheim.
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