|
![](../../../layout_images/leer.gif) |
Matthias Drobinski
Aktiv für mehr Zivilcourage
Der Rechtsextremismus ist auch eine
Herausforderung für die Kirche
Wolfgang Huber, evangelischer Bischof von Berlin-Brandenburg und
Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, hat es
vor gut einem Jahr vor den Landtagswahlen in Sachsen und
Brandenburg auf den Punkt gebracht: "Die Wahl einer rechtsextremen
Partei ist unvereinbar mit dem christlichen Menschenbild", sagte er
angesichts der Umfragen, die den Einzug der DVU in den Potsdamer
und den der NPD in den Dresdner Landtag vorhersagten. Er
dürfte damit die Einschätzung aller wichtigen
evangelischen und katholischen Würdenträger in
Deutschland wiedergegeben haben, sein Appell jedoch war erfolglos
und erfolgreich zugleich: Erfolgreich, weil tatsächlich kaum
ein Christ die Rechtsextremisten wählte, erfolglos, weil es in
Sachsen und Brandenburg zu wenig Christen gab, als dass sie den
Einzug von NPD und DVU in die Parlamente hätten verhindern
können.
Obwohl sich die Botschaft Jesu unterschiedslos an alle Menschen
wendet, haben die Kirchen letztlich erst durch die bittere
Erfahrung des Nationalsozialismus gelernt, dass es eine Sünde
ist, eine Rasse über die andere zu stellen, Fremde zu
verachten, Menschen wegen ihrer Überzeugung oder
Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zu diskriminieren.
Die Lehre hat aber Früchte getragen: Alle
Christenversammlungen, vom Ökumenischen Rat der Kirchen 1948
über das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) bis hin zu
den Versammlungen des "Konziliaren Prozesses für
Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung" in den
80er- und 90er-Jahren haben eindeutig erklärt, dass Rassismus,
Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus so wenig Platz in den
christlichen Gemeinschaften haben dürfen wie faschistische
Staats- und Gesellschaftsmodelle.
Antidemokratische Ressentiments sowie ausländerfeindliche
oder antisemitische Stereotype finden sich nur noch an den
Rändern der Kirchen. Das rechtskonservative "Studienzentrum
Weikersehim" zum Beispiel veranstaltet schon mal eine Tagung zum
Irak-Krieg gemeinsam mit diversen rechtsextremen Gruppen; Konrad
Löw, emeritierter Politikprofessor im Kuratorium des "Forums
deutscher Katholiken", erklärt, dass die katholische Kirche
eines Schuldgeständnisses gegenüber den Juden nicht
bedürfe und argumentiert in der Grauzone zwischen
Geschichtsklitterung und antisemitischem Stereotyp. Man kann
beklagen und kritisieren, dass die Kirchen sich hier nicht
schärfer distanzieren, doch solche Auffassungen lehnen auch
die meisten konservativen Katholiken und Protestanten ab.
Und so sind die Kirchen häufig dabei, wenn es
größere Demonstrationen gegen Aufmärsche oder
Auftritte von Rechtsextremisten gibt, zum Beispiel in Passau, wo
sich die DVU lange in der Nibelungenhalle traf, oder in Wunsiedel,
wo sich jedes Jahr die Fans des dort begrabenen einstigen
Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß treffen. In München
haben die evangelische und die katholische Kirche im Juli ein
"Bayerisches Bündnis für Toleranz" zusammengetrommelt,
das, - nach einem kleinen Drängeln der jüdischen Gemeinde
der Stadt -, gegen die "zunehmende Tendenz zu Rechtsextremismus,
Rassismus und Antisemitismus" aktiv werden will, mit Projekttagen
in Schulen, Aktionen in Unternehmen oder zur
Fußball-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr. Ähnliche
Initiativen gibt es an vielen Orten, und die Kirchen haben hier
eine wichtige Rolle: Zum einen vermitteln sie auch in eher
konservativ-bürgerliche Kreise hinein, dass Rechtsextremismus
nicht tolerabel ist, zum anderen verhindern sie, dass die
Auseinandersetzung mit dem Gedankengut von Neonazis und
Ausländerfeinden eine Angelegenheit linker bis sehr linker
Gruppen und Grüppchen bleibt und in deren letztlich
wirkungsloser Formelsprache geführt wird.
Rechtsextreme Gruppen und Parteien haben in den vergangenen
Jahren vor allem unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen
erfolgreich geworben; in den Ost-Ländern ist mittlerweile eine
rechte Jugendkultur entstanden, der sich auch die "Normalos" nur
schwer entziehen können. Für die traditionelle kirchliche
Jugendarbeit ist dies eine Herausforderung: Jugendliche, die in die
rechte Szene abgleiten, sind in der Regel zuvor nicht in den
kirchlichen Jugendgruppen aufgetaucht. In den 90er-Jahren hat es
auch in der kirchlichen Jugendarbeit Versuche gegeben, über
die so genannte "akzeptierende Jugendarbeit" Jugendliche aus der
rechten Szene anzusprechen, ihnen einen Raum zu geben, wo sie
respektiert werden, aber auch Regeln respektieren müssen, und
sie so zurück in die Mitte der Gesellschaft zu holen.
Mittlerweile gilt dieser Versuch als weitgehend gescheitert, da
die teuer eingerichteten Jugendzentren zu Treffpunkten der Neonazis
wurden, ohne dass sich deren Haltungen und Einstellungen
änderten - hatte doch die rechtsextreme Gesinnung ihnen zu
einem Jugendclub verholfen. Mittlerweile hat sich bei
Sozialarbeitern und Jugendpfarrern die Auffassung durchgesetzt,
dass es sinnvoller ist, jene Jugendarbeit zu stärken, die sich
bewusst für ein Miteinander von Deutschen und Ausländern
einsetzt, die Toleranz, alltägliche Demokratie und
Zivilcourage vermitteln will, wie Florian Dallmann von der
Arbeitgemeinschaft evangelischer Jugendverbände erklärt.
So bietet Diakon Ralf Eric Posselt vom Amt für Jugendarbeit
der evangelischen Kirche in Westfalen ein Anti-Gewalt-Training an,
dessen Ziel es ist, "Kinder, Jugendliche und Erwachsene so zu
stärken, dass sie auf Gewalt nicht zurückgreifen brauchen
und sogar die Gewalt anderer vermindern können". Die
katholische Landjugendbewegung Bayern versucht, ihre Jugendgruppen
für das Thema Rechtsextremismus und rechtsextreme
Einstellungen auf dem Land zu sensibilisieren; zahlreiche
christliche Gemeinschaften suchen bewusst den Kontakt zu Migranten
und Flüchtlingen - wenn der Fremde ein Gesicht hat, ist
meistens kein Platz mehr für Fremdenfeindlichkeit, egal, wie
viele Probleme es im Einzelnen geben mag.
Inhaltlich ist diese Arbeit von den Kirchenleitungen weitgehend
akzeptiert. Manchmal gibt es Probleme, zum Beispiel im Umgang mit
der evangelischen Jungen Gemeinde Jena, die sich nach Ansicht
mancher Kirchenmitglieder zu sehr für die meist linksautonom
auftretenden Straßenkinder der Stadt engagiert. Doch auch dort
steht die Landeskirchenleitung zu der Arbeit des Jugendpfarrers
Lothar König.
Bedroht werden solche Projekte allerdings zunehmend durch die
Finanznot der Kirchen und Kommunen - in Zeiten des Sparzwangs
werden sie oft als zwar wünschenswert, aber letztlich nicht
notwendig angesehen. Zumal schwer zu belegen ist, wie sehr sie
tatsächlich antidemokratische Einstellungen verringern -
Zivilcourage lässt sich nun einmal nicht abstrakt messen.
Der Autor arbeitet als Redakteur bei der "Süddeutschen
Zeitung" in München.
Zurück zur
Übersicht
|