Anton Pelinka
Wenn Macht ohnmächtig macht
Die rechtspopulistische FPÖ ist als
Regierungspartei gescheitert
Die Freiheitliche Partei Österreichs
(FPÖ) war von 1986 bis 1999 eine der am schnellsten wachsenden
Parteien Europas. Ihr Stimmenanteil stieg in dieser Zeit von
fünf bis sieben auf 26,9 Prozent. So war sie innerhalb von
einem Jahrzehnt zur zweitgrößten Partei Österreichs
geworden. 1999 erreichte sie hinter der Sozialdemokratischen Partei
Österreichs SPÖ (33,2 Prozent) einige hundert Stimmen
mehr als die Österreichische Volkspartei ÖVP (26,9
Prozent).
Bei der Nationalratswahl 2002 wurde dieser
Trend nicht nur unterbrochen, sondern in sein Gegenteil verkehrt:
Innerhalb von drei Jahren war der Stimmenanteil der FPÖ auf
nur mehr zehn Prozent gesunken - sie hatte in drei Jahren fast zwei
Drittel ihrer Stimmen eingebüßt. ÖVP (42,3 Prozent)
und SPÖ (36,5 Prozent) hatten ihre dominierende Position im
Parteiensystem wiederherstellen können.
Der rasante Auf- und der noch rasantere
Abstieg der FPÖ stehen im Zusammenhang mit zwei
Weichenstellungen: Als Juniorpartner in einer von der SPÖ
geführten kleinen Koalition blieben der FPÖ zwischen 1983
und 1986 auf regionaler Ebene Wahlerfolge zumeist versagt. Die
FPÖ wurde für ihre Regierungsbeteiligung nicht belohnt.
Dies löste eine innerparteiliche Krise aus, die mit der Wahl
Jörg Haiders zum Vorsitzenden der FPÖ und zur
Aufkündigung der Koalition durch die SPÖ führte.
Haider stand von Anfang an für einen "rechtspopulistischen"
Kurs, der - einerseits - bei Wahlen honoriert wurde, der aber -
andererseits - mehr als ein Jahrzehnt die FPÖ von einer
Regierungsbeteiligung auf Bundesebene ausschloss.
Die zweite Weichenstellung erfolgte, als die
FPÖ Anfang 2000 in eine Koalitionsregierung unter Führung
der ÖVP eintrat und dieselbe Anzahl von Ressorts verwaltete
wie der Koalitionspartner. Doch die Wahl 2002 und fast alle
Regionalwahlen seit 2000 brachten ein eindeutiges Resultat: Die
FPÖ wurde nach ihrem Eintritt in die Regierung bei Wahlen
bestraft. Die FPÖ war als "rechtspopulistische" Protestpartei
erfolgreich; als Regierungspartei war sie erfolglos.
Partei mit langer Tradition
Die FPÖ ist als rechtspopulistische
Partei anderen Parteien Europas ähnlich - dem Front National
in Frankreich, der Lega Nord in Italien, dem Vlaams Blok in Belgien
und anderen. Innerhalb dieser Gruppe fällt die FPÖ
freilich durch zwei Merkmale besonders auf: durch ihre
Größe und durch ihre Tradition.
Und die FPÖ hat, anders als die meisten
rechtspopulistischen Parteien Europas, eine lange Tradition: Sie
umfasst die Geschichte des österreichischen
Deutschnationalismus, einschließlich der Geschichte der
österreichischen NSDAP. Die Rekrutierung der FPÖ ab 1956
- und die ihrer Vorläuferpartei, des Verbandes der
Unabhängigen (VDU) ab 1949 - macht dies deutlich: Sie war die
aktuelle Manifestation des "dritten Lagers", aus dem sich die
österreichische NSDAP entwickelt hatte und wurde auch 1955
fast ausschließlich von ehemaligen Nationalsozialisten
geführt. Ihre Repräsentanten waren fast durchweg
Nationalsozialisten.
Vor 1986 an war sie bemüht, diese
Wurzeln in den Hintergrund zu schieben. Die Koalition mit der
SPÖ war das Ergebnis dieser Bemühungen. Doch ab 1986
begann die FPÖ, diese Vergangenheit wieder besonders zu
betonen. Vor allem die Rhetorik Haiders entsprach diesem "back to
the roots": Relativierungen des NS-Regimes gingen Hand in Hand mit
der Kernthematik des europäischen Rechtspopulismus wie der
Mobilisierung einer Anti-Immigrationsstimmung.
Sie wurde stärker, als sie sich
polarisierend vom mainstream der österreichischen Politik
abhob. Die Freiheitlichen konnten vor allem die Segmente der
Wählerschaft ansprechen, die sich von der Europäisierung
im Speziellen und von der Globalisierung im Allgemeinen bedroht
fühlten. Die FPÖ gewann bis 1999 überproportional
vor allem bei jüngeren, weniger gebildeten und männlichen
Wählern. 1999 wählten mehr Arbeiter die FPÖ als die
SPÖ: Die FPÖ war, im Zuge ihres Aufstiegs, von einer
bürgerlichen Nischenpartei - wie es der Tradition des
deutschnationalen Lagers entsprach - zu einer "catch all party" mit
stark proletarischem Akzent geworden.
Der Regierungseintritt nahm der FPÖ die
Fähigkeit, das generelle Unbehagen mit der gesellschaftlichen
Entwicklung politisch für sich zu nutzen. Statt als Sprachrohr
derer zu agieren, die sich durch die Modernisierung bedroht sahen,
wurde sie nun mit dem Ungenügen der Politik identifiziert. Die
Folge war ein rasanter Einbruch, der die FPÖ 2002 fast auf
ihre Ausgangsbasis zurückwarf. Sie blieb zwar auch 2002 eine
"catch all party" mit proletarischem Akzent - aber nunmehr auf der
Basis einer kleinen Mittelpartei. Sie hatte in ihrer
rechtspopulistischen Protestphase eine Erwartungshaltung aufgebaut,
der sie als Regierungspartei einfach nicht gerecht werden
konnte.
Dass die FPÖ nach ihrer schweren
Niederlage 2002 abermals mit der ÖVP eine Koalition bildete,
deutet darauf hin, dass die Lehre aus der Regierungsbeteiligung
noch nicht gezogen wurde. Der Abstieg der FPÖ ging auch weiter
- was 2005 zum Zerfall der Freiheitlichen in eine am Verbleib in
der Regierung interessierte Neugründung "Bündnis Zukunft
Österreich" (BZÖ) und in eine oppositionell orientierte
Rest- FPÖ führte.
Die FPÖ wurde in der Regierung auch
deshalb zerrieben, weil sie zwei miteinander letztlich nicht zu
vereinbarende Erwartungen geweckt hatte: Sie wollte gegen das
"System" der Sozialpartnerschaft und der Großen Koalition, als
Speersitze der Reformen agieren, die "weniger Staat und mehr
privat" bewirken sollten. Gleichzeitig wollte die FPÖ als
"Partei des kleinen Mannes" dessen soziale Sicherheit
garantieren.
Letzteres schloss aber unvermeidlich die
Stärkung oder zumindest die Verteidigung des sozialen
Netzwerks des Wohlfahrtsstaates mit ein - gegen den sich, teilweise
zumindest, die marktwirtschaftliche Rhetorik richtete. Die FPÖ
wollte "neoliberale" Reformen und bot sich gleichzeitig als
Schutzmacht gegen die Kälte des Marktes an.
Der Rhetorik folgten keine Taten
Was übrig blieb, was sich die FPÖ
2002 und später auf ihre Fahnen heftten konnte, das war ein
Stück Ausbau des Sozialstaates. Doch das war zu wenig, um die
Modernisierungsverlierer bei der Stange zu halten; aber zu viel, um
die marktwirtschaftlichen Reformer daran zu hindern, in Massen zur
ÖVP abzuwandern und dieser den Wahlerfolg 2002 zu bescheren.
Letztlich war die ÖVP doch glaubwürdiger als
wirtschaftsliberale Partei - und die SPÖ als
wohlfahrtsstaatliche. In der Opposition konnte es sich die FPÖ
leisten, ihre internen Widersprüche nebeneinander stehen zu
lassen. Doch sobald sie an den Handlungen der Regierung, der sie
angehörte, gemessen wurde, stürzte die FPÖ ab - weil
sie Glaubwürdigkeit nach allen Seiten verloren
hatte.
Ähnlich widersprüchlich agierte die
FPÖ in der Europapolitik. Die Rhetorik der Partei war vor und
nach 2000 EU-kritisch bis EU-ablehnend. Die Freiheitlichen
mobilisierten, erst als Oppositions- und dann als Regierungspartei,
gegen die EU-Erweiterung und ganz konkret gegen den Beitritt der
Tschechischen Republik. Dennoch stimmte die
ÖVP/FPÖ-Regierung der 2004 erfolgten Erweiterung zu. Es
war offensichtlich: Um das Bündnis mit der traditionell
EU-freundlichen ÖVP nicht zu gefährden, folgten der
freiheitlichen Rhetorik keine Taten.
Diese Bilanz schließt eine klare
politische Botschaft mit ein: Populismus macht sich, vielleicht,
für Oppositionsparteien bezahlt. Aber sobald der mit
oppositioneller Rhetorik erzielte Erfolg zur Übernahme einer
Regierungsrolle führt, schlägt das Erfolgsrezept ins
Gegenteil um: Der Populismus von gestern begründet die
Katastrophe von heute.
Der Autor ist Politikwissenschaftler an der Universität
Innsbruck.
Zurück zur Übersicht
|